Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

Bild:
<< vorherige Seite

lang scheiden werde. Mit unsäglicher Anmuth
sang sie, Huldbranden umschlingend:

Aus dunst'gem Thal die Welle,
Sie rann und sucht' ihr Glück;
Sie kam in's Meer zur Stelle,
Und rinnt nicht mehr zurück.

Der alte Fischer weinte bitterlich in ihr
Lied, aber es schien sie nicht sonderlich zu rüh-
ren. Sie küßte und streichelte ihren Liebling,
der endlich zu ihr sagte: Undine, wenn Dir
des alten Mannes Jammer das Herz nicht
trifft, so trifft er's mir. Wir wollen zurück zu
ihm. -- Verwundert schlug sie die großen blau-
en Augen gegen ihn auf, und sprach endlich lang-
sam und zögernd: wenn Du es so meinst, --
gut; mir ist Alles recht, was Du meinst. Aber
versprechen muß mir erst der alte Mann da
drüben, daß er Dich ohne Widerrede will er-
zählen lassen, was Du im Walde gesehn hast,
und -- nun das Andre findet sich wohl. Komm
nur, komm! rief der Fischer ihr zu, ohne mehr
Worte heraus bringen zu können. Zugleich

C

lang ſcheiden werde. Mit unſaͤglicher Anmuth
ſang ſie, Huldbranden umſchlingend:

Aus dunſt’gem Thal die Welle,
Sie rann und ſucht’ ihr Gluͤck;
Sie kam in’s Meer zur Stelle,
Und rinnt nicht mehr zuruͤck.

Der alte Fiſcher weinte bitterlich in ihr
Lied, aber es ſchien ſie nicht ſonderlich zu ruͤh-
ren. Sie kuͤßte und ſtreichelte ihren Liebling,
der endlich zu ihr ſagte: Undine, wenn Dir
des alten Mannes Jammer das Herz nicht
trifft, ſo trifft er’s mir. Wir wollen zuruͤck zu
ihm. — Verwundert ſchlug ſie die großen blau-
en Augen gegen ihn auf, und ſprach endlich lang-
ſam und zoͤgernd: wenn Du es ſo meinſt, —
gut; mir iſt Alles recht, was Du meinſt. Aber
verſprechen muß mir erſt der alte Mann da
druͤben, daß er Dich ohne Widerrede will er-
zaͤhlen laſſen, was Du im Walde geſehn haſt,
und — nun das Andre findet ſich wohl. Komm
nur, komm! rief der Fiſcher ihr zu, ohne mehr
Worte heraus bringen zu koͤnnen. Zugleich

C
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0047" n="33"/>
lang &#x017F;cheiden werde. Mit un&#x017F;a&#x0364;glicher Anmuth<lb/>
&#x017F;ang &#x017F;ie, Huldbranden um&#x017F;chlingend:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l> <hi rendition="#et">Aus dun&#x017F;t&#x2019;gem Thal die Welle,</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Sie rann und &#x017F;ucht&#x2019; ihr Glu&#x0364;ck;</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Sie kam in&#x2019;s Meer zur Stelle,</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Und rinnt nicht mehr zuru&#x0364;ck.</hi> </l>
          </lg><lb/>
          <p>Der alte Fi&#x017F;cher weinte bitterlich in ihr<lb/>
Lied, aber es &#x017F;chien &#x017F;ie nicht &#x017F;onderlich zu ru&#x0364;h-<lb/>
ren. Sie ku&#x0364;ßte und &#x017F;treichelte ihren Liebling,<lb/>
der endlich zu ihr &#x017F;agte: Undine, wenn Dir<lb/>
des alten Mannes Jammer das Herz nicht<lb/>
trifft, &#x017F;o trifft er&#x2019;s mir. Wir wollen zuru&#x0364;ck zu<lb/>
ihm. &#x2014; Verwundert &#x017F;chlug &#x017F;ie die großen blau-<lb/>
en Augen gegen ihn auf, und &#x017F;prach endlich lang-<lb/>
&#x017F;am und zo&#x0364;gernd: wenn Du es &#x017F;o mein&#x017F;t, &#x2014;<lb/>
gut; mir i&#x017F;t Alles recht, was Du mein&#x017F;t. Aber<lb/>
ver&#x017F;prechen muß mir er&#x017F;t der alte Mann da<lb/>
dru&#x0364;ben, daß er Dich ohne Widerrede will er-<lb/>
za&#x0364;hlen la&#x017F;&#x017F;en, was Du im Walde ge&#x017F;ehn ha&#x017F;t,<lb/>
und &#x2014; nun das Andre findet &#x017F;ich wohl. Komm<lb/>
nur, komm! rief der Fi&#x017F;cher ihr zu, ohne mehr<lb/>
Worte heraus bringen zu ko&#x0364;nnen. Zugleich<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0047] lang ſcheiden werde. Mit unſaͤglicher Anmuth ſang ſie, Huldbranden umſchlingend: Aus dunſt’gem Thal die Welle, Sie rann und ſucht’ ihr Gluͤck; Sie kam in’s Meer zur Stelle, Und rinnt nicht mehr zuruͤck. Der alte Fiſcher weinte bitterlich in ihr Lied, aber es ſchien ſie nicht ſonderlich zu ruͤh- ren. Sie kuͤßte und ſtreichelte ihren Liebling, der endlich zu ihr ſagte: Undine, wenn Dir des alten Mannes Jammer das Herz nicht trifft, ſo trifft er’s mir. Wir wollen zuruͤck zu ihm. — Verwundert ſchlug ſie die großen blau- en Augen gegen ihn auf, und ſprach endlich lang- ſam und zoͤgernd: wenn Du es ſo meinſt, — gut; mir iſt Alles recht, was Du meinſt. Aber verſprechen muß mir erſt der alte Mann da druͤben, daß er Dich ohne Widerrede will er- zaͤhlen laſſen, was Du im Walde geſehn haſt, und — nun das Andre findet ſich wohl. Komm nur, komm! rief der Fiſcher ihr zu, ohne mehr Worte heraus bringen zu koͤnnen. Zugleich C

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/47
Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/47>, abgerufen am 27.11.2024.