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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

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unserm Schmerz, und so muß ich denn sagen:
leider, daß es mit unsrer Trauer keinen rechten
Bestand hat!

Der Herr von Ringstetten erfuhr das auch;
ob zu seinem Heile, werden wir im Verfolg
dieser Geschichte hören. Anfänglich konnte er
nichts, als immer recht bitterlich weinen, wie die
arme, freundliche Undine geweint hatte, als er
ihr den blanken Schmuck aus der Hand riß,
mit dem sie Alles so schön und gut machen
wollte. Und dann streckte er die Hand aus,
wie sie es gethan hatte, und weinte immer wie-
der von neuem, wie sie. Er hegte die heim-
liche Hoffnung, endlich auch ganz in Thränen
zu verrinnen, und ist nicht selbst Manchem von
uns Andern in großem Leide der ähnliche Ge-
danke mit schmerzender Lust durch den Sinn
gezogen? Bertalda weinte mit, und sie lebten
lange ganz still bei einander auf Burg Ring-
stetten, Undinens Andenken feiernd, und der
ehemaligen Neigung fast gänzlich vergessen ha-
bend. Dafür kam auch um diese Zeit oftmals

unſerm Schmerz, und ſo muß ich denn ſagen:
leider, daß es mit unſrer Trauer keinen rechten
Beſtand hat!

Der Herr von Ringſtetten erfuhr das auch;
ob zu ſeinem Heile, werden wir im Verfolg
dieſer Geſchichte hoͤren. Anfaͤnglich konnte er
nichts, als immer recht bitterlich weinen, wie die
arme, freundliche Undine geweint hatte, als er
ihr den blanken Schmuck aus der Hand riß,
mit dem ſie Alles ſo ſchoͤn und gut machen
wollte. Und dann ſtreckte er die Hand aus,
wie ſie es gethan hatte, und weinte immer wie-
der von neuem, wie ſie. Er hegte die heim-
liche Hoffnung, endlich auch ganz in Thraͤnen
zu verrinnen, und iſt nicht ſelbſt Manchem von
uns Andern in großem Leide der aͤhnliche Ge-
danke mit ſchmerzender Luſt durch den Sinn
gezogen? Bertalda weinte mit, und ſie lebten
lange ganz ſtill bei einander auf Burg Ring-
ſtetten, Undinens Andenken feiernd, und der
ehemaligen Neigung faſt gaͤnzlich vergeſſen ha-
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[164/0178] unſerm Schmerz, und ſo muß ich denn ſagen: leider, daß es mit unſrer Trauer keinen rechten Beſtand hat! Der Herr von Ringſtetten erfuhr das auch; ob zu ſeinem Heile, werden wir im Verfolg dieſer Geſchichte hoͤren. Anfaͤnglich konnte er nichts, als immer recht bitterlich weinen, wie die arme, freundliche Undine geweint hatte, als er ihr den blanken Schmuck aus der Hand riß, mit dem ſie Alles ſo ſchoͤn und gut machen wollte. Und dann ſtreckte er die Hand aus, wie ſie es gethan hatte, und weinte immer wie- der von neuem, wie ſie. Er hegte die heim- liche Hoffnung, endlich auch ganz in Thraͤnen zu verrinnen, und iſt nicht ſelbſt Manchem von uns Andern in großem Leide der aͤhnliche Ge- danke mit ſchmerzender Luſt durch den Sinn gezogen? Bertalda weinte mit, und ſie lebten lange ganz ſtill bei einander auf Burg Ring- ſtetten, Undinens Andenken feiernd, und der ehemaligen Neigung faſt gaͤnzlich vergeſſen ha- bend. Dafuͤr kam auch um dieſe Zeit oftmals

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Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/178>, abgerufen am 04.05.2024.