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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

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allzulebendig das Glück, daß ihr im Herzen ge-
liebter Freund sie aus der furchtbaren Einsam-
keit erlöse, und das helle Leben in der befreunde-
ten Burg so anmuthige Arme nach ihr aus-
strecke. Sie folgte fast ohne Widerspruch, aber
so ermattet, daß der Ritter froh war, sie bis
zu seinem Rosse geleitet zu haben, welches er
nun eilig losknüpfte, um die schöne Wandrerin
hinaufzuheben, und es alsdann am Zügel sich
durch die ungewissen Schatten der Thalgegend
vorsichtig nachzuleiten.

Aber das Pferd war ganz verwildert durch
Kühleborns tolle Erscheinung. Selbst der Rit-
ter würde Mühe gebraucht haben, auf des bäu-
menden, wildschnaubenden, Thieres Rücken zu
springen; die zitternde Bertalda hinaufzuheben,
war eine volle Unmöglichkeit. Man beschloß
also, zu Fuße heimzukehren. Das Roß am Zü-
gel nachzerrend, unterstützte der Ritter mit der
andern Hand das schwankende Mägdlein. Ber-
talda machte sich so stark, als möglich, um den
furchtbaren Thalgrund schnell zu durchwandeln,

allzulebendig das Gluͤck, daß ihr im Herzen ge-
liebter Freund ſie aus der furchtbaren Einſam-
keit erloͤſe, und das helle Leben in der befreunde-
ten Burg ſo anmuthige Arme nach ihr aus-
ſtrecke. Sie folgte faſt ohne Widerſpruch, aber
ſo ermattet, daß der Ritter froh war, ſie bis
zu ſeinem Roſſe geleitet zu haben, welches er
nun eilig losknuͤpfte, um die ſchoͤne Wandrerin
hinaufzuheben, und es alsdann am Zuͤgel ſich
durch die ungewiſſen Schatten der Thalgegend
vorſichtig nachzuleiten.

Aber das Pferd war ganz verwildert durch
Kuͤhleborns tolle Erſcheinung. Selbſt der Rit-
ter wuͤrde Muͤhe gebraucht haben, auf des baͤu-
menden, wildſchnaubenden, Thieres Ruͤcken zu
ſpringen; die zitternde Bertalda hinaufzuheben,
war eine volle Unmoͤglichkeit. Man beſchloß
alſo, zu Fuße heimzukehren. Das Roß am Zuͤ-
gel nachzerrend, unterſtuͤtzte der Ritter mit der
andern Hand das ſchwankende Maͤgdlein. Ber-
talda machte ſich ſo ſtark, als moͤglich, um den
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[143/0157] allzulebendig das Gluͤck, daß ihr im Herzen ge- liebter Freund ſie aus der furchtbaren Einſam- keit erloͤſe, und das helle Leben in der befreunde- ten Burg ſo anmuthige Arme nach ihr aus- ſtrecke. Sie folgte faſt ohne Widerſpruch, aber ſo ermattet, daß der Ritter froh war, ſie bis zu ſeinem Roſſe geleitet zu haben, welches er nun eilig losknuͤpfte, um die ſchoͤne Wandrerin hinaufzuheben, und es alsdann am Zuͤgel ſich durch die ungewiſſen Schatten der Thalgegend vorſichtig nachzuleiten. Aber das Pferd war ganz verwildert durch Kuͤhleborns tolle Erſcheinung. Selbſt der Rit- ter wuͤrde Muͤhe gebraucht haben, auf des baͤu- menden, wildſchnaubenden, Thieres Ruͤcken zu ſpringen; die zitternde Bertalda hinaufzuheben, war eine volle Unmoͤglichkeit. Man beſchloß alſo, zu Fuße heimzukehren. Das Roß am Zuͤ- gel nachzerrend, unterſtuͤtzte der Ritter mit der andern Hand das ſchwankende Maͤgdlein. Ber- talda machte ſich ſo ſtark, als moͤglich, um den furchtbaren Thalgrund ſchnell zu durchwandeln,

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Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/157>, abgerufen am 28.11.2024.