Fouqué, Caroline de la Motte-: Magie der Natur. In: Kleine Romanenbibliothek von und für Damen. Berlin, 1812.zu lassen, sie beschwor sie, in ihre Dienste treten zu dürfen, und beide schlossen ihren kleinen Kontrakt heimlich mit einander ab. Alexis saß auf der Thürschwelle, sang einige von Giannina aufgefangene Strophen, hielt ihre Mandoline zwischen den gekreuzten Beinen geklemmt, und stimmte und klimperte daran, bis endlich eine Saite unangenehm schrillend zerriß! Ha! schrie Antonie, was war das! sie war todtenbleich und zitterte heftig. Mein Gott! sagte die Baronin ungeduldig, was soll es sein! eine gesprungene Saite ist es, nichts mehr und nichts weniger! Mein armes Mädchen, setzte sie begütigend hinzu, wie magst Du denn gleich so erschrecken! Antonie faßte sich, die Baronin setzte sich zu ihr, und alle redeten nun freundlich über die Gewalt eines plötzlich hineinfallenden Tones, der selten der festeste Nervenbau ganz widerstehe. Auch ich, sagte die Baronin, erschrak, und mein kleiner Unwille galt meiner wie Deiner Schwäche. Und bei Lichte gesehn, fuhr sie fort, ist auch daran nicht so Großes zu tadeln. Wir wollen nun einmal von allem den Grund kennen; überrascht uns die Wirkung ehe wir die Ursach ahnden, so schneidet das in unsern Ordnungssinn, und wir schreien, wie bei anderm Schmerz! Darum ist uns Gott so oft ein fürchterlicher zu lassen, sie beschwor sie, in ihre Dienste treten zu dürfen, und beide schlossen ihren kleinen Kontrakt heimlich mit einander ab. Alexis saß auf der Thürschwelle, sang einige von Giannina aufgefangene Strophen, hielt ihre Mandoline zwischen den gekreuzten Beinen geklemmt, und stimmte und klimperte daran, bis endlich eine Saite unangenehm schrillend zerriß! Ha! schrie Antonie, was war das! sie war todtenbleich und zitterte heftig. Mein Gott! sagte die Baronin ungeduldig, was soll es sein! eine gesprungene Saite ist es, nichts mehr und nichts weniger! Mein armes Mädchen, setzte sie begütigend hinzu, wie magst Du denn gleich so erschrecken! Antonie faßte sich, die Baronin setzte sich zu ihr, und alle redeten nun freundlich über die Gewalt eines plötzlich hineinfallenden Tones, der selten der festeste Nervenbau ganz widerstehe. Auch ich, sagte die Baronin, erschrak, und mein kleiner Unwille galt meiner wie Deiner Schwäche. Und bei Lichte gesehn, fuhr sie fort, ist auch daran nicht so Großes zu tadeln. Wir wollen nun einmal von allem den Grund kennen; überrascht uns die Wirkung ehe wir die Ursach ahnden, so schneidet das in unsern Ordnungssinn, und wir schreien, wie bei anderm Schmerz! Darum ist uns Gott so oft ein fürchterlicher <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0105" n="98"/> zu lassen, sie beschwor sie, in ihre Dienste treten zu dürfen, und beide schlossen ihren kleinen Kontrakt heimlich mit einander ab. Alexis saß auf der Thürschwelle, sang einige von Giannina aufgefangene Strophen, hielt ihre Mandoline zwischen den gekreuzten Beinen geklemmt, und stimmte und klimperte daran, bis endlich eine Saite unangenehm schrillend zerriß! Ha! schrie Antonie, was war das! sie war todtenbleich und zitterte heftig. Mein Gott! sagte die Baronin ungeduldig, was soll es sein! eine gesprungene Saite ist es, nichts mehr und nichts weniger! Mein armes Mädchen, setzte sie begütigend hinzu, wie magst Du denn gleich so erschrecken! Antonie faßte sich, die Baronin setzte sich zu ihr, und alle redeten nun freundlich über die Gewalt eines plötzlich hineinfallenden Tones, der selten der festeste Nervenbau ganz widerstehe. Auch ich, sagte die Baronin, erschrak, und mein kleiner Unwille galt meiner wie Deiner Schwäche. Und bei Lichte gesehn, fuhr sie fort, ist auch daran nicht so Großes zu tadeln. Wir wollen nun einmal von allem den Grund kennen; überrascht uns die Wirkung ehe wir die Ursach ahnden, so schneidet das in unsern Ordnungssinn, und wir schreien, wie bei anderm Schmerz! Darum ist uns Gott so oft ein fürchterlicher </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [98/0105]
zu lassen, sie beschwor sie, in ihre Dienste treten zu dürfen, und beide schlossen ihren kleinen Kontrakt heimlich mit einander ab. Alexis saß auf der Thürschwelle, sang einige von Giannina aufgefangene Strophen, hielt ihre Mandoline zwischen den gekreuzten Beinen geklemmt, und stimmte und klimperte daran, bis endlich eine Saite unangenehm schrillend zerriß! Ha! schrie Antonie, was war das! sie war todtenbleich und zitterte heftig. Mein Gott! sagte die Baronin ungeduldig, was soll es sein! eine gesprungene Saite ist es, nichts mehr und nichts weniger! Mein armes Mädchen, setzte sie begütigend hinzu, wie magst Du denn gleich so erschrecken! Antonie faßte sich, die Baronin setzte sich zu ihr, und alle redeten nun freundlich über die Gewalt eines plötzlich hineinfallenden Tones, der selten der festeste Nervenbau ganz widerstehe. Auch ich, sagte die Baronin, erschrak, und mein kleiner Unwille galt meiner wie Deiner Schwäche. Und bei Lichte gesehn, fuhr sie fort, ist auch daran nicht so Großes zu tadeln. Wir wollen nun einmal von allem den Grund kennen; überrascht uns die Wirkung ehe wir die Ursach ahnden, so schneidet das in unsern Ordnungssinn, und wir schreien, wie bei anderm Schmerz! Darum ist uns Gott so oft ein fürchterlicher
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Zitationshilfe: | Fouqué, Caroline de la Motte-: Magie der Natur. In: Kleine Romanenbibliothek von und für Damen. Berlin, 1812, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_magie_1812/105>, abgerufen am 28.07.2024. |