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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826.

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werden, ist es ohngefähr dasselbe. Die
Jllusion, daß der Beruf, gegen alle ur-
sprüngliche Natur, ein ganz besonderer, für
die eigenthümliche Organisation eines Jndi-
viduums, und für dieses vorher bestimmt
sein solle, verliert alle Kraft mit dem Wech-
sel der Ansichten und Stimmungen jener ge-
rühmten Originale. Sie wird nicht älter,
als die Veranlassung, welche sie erzeugte.

Wäre hierin Wahrheit, so würde diese
etwas Bleibendes schaffen. Wir kennen
aber wenige, oder vielleicht gar kein vollstän-
diges Kunstwerk, das unmittelbar dem
weiblichen Genie entsprungen wäre. Jn der
bildenden Kunst zählt nur die Mahlerei
Schülerinnen, und diese zeichnen sich höch-
stens durch Coppieen aus. -- Musicalische
Eompositionen nennen keinen, oder mir un-
bekannten, Frauennamen.

Poesie, solche, die elegisch oder idyllisch
dem Herzen entströmt, gehört auch dem Her-
zen, und wird eben so natürlich empfunden
als gesprochen. Das Maaß innerhalb, wel-
chem sie sich gestaltet, ist der weichern und

werden, iſt es ohngefaͤhr daſſelbe. Die
Jlluſion, daß der Beruf, gegen alle ur-
ſpruͤngliche Natur, ein ganz beſonderer, fuͤr
die eigenthuͤmliche Organiſation eines Jndi-
viduums, und fuͤr dieſes vorher beſtimmt
ſein ſolle, verliert alle Kraft mit dem Wech-
ſel der Anſichten und Stimmungen jener ge-
ruͤhmten Originale. Sie wird nicht aͤlter,
als die Veranlaſſung, welche ſie erzeugte.

Waͤre hierin Wahrheit, ſo wuͤrde dieſe
etwas Bleibendes ſchaffen. Wir kennen
aber wenige, oder vielleicht gar kein vollſtaͤn-
diges Kunſtwerk, das unmittelbar dem
weiblichen Genie entſprungen waͤre. Jn der
bildenden Kunſt zaͤhlt nur die Mahlerei
Schuͤlerinnen, und dieſe zeichnen ſich hoͤch-
ſtens durch Coppieen aus. — Muſicaliſche
Eompoſitionen nennen keinen, oder mir un-
bekannten, Frauennamen.

Poeſie, ſolche, die elegiſch oder idylliſch
dem Herzen entſtroͤmt, gehoͤrt auch dem Her-
zen, und wird eben ſo natuͤrlich empfunden
als geſprochen. Das Maaß innerhalb, wel-
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[250/0254] werden, iſt es ohngefaͤhr daſſelbe. Die Jlluſion, daß der Beruf, gegen alle ur- ſpruͤngliche Natur, ein ganz beſonderer, fuͤr die eigenthuͤmliche Organiſation eines Jndi- viduums, und fuͤr dieſes vorher beſtimmt ſein ſolle, verliert alle Kraft mit dem Wech- ſel der Anſichten und Stimmungen jener ge- ruͤhmten Originale. Sie wird nicht aͤlter, als die Veranlaſſung, welche ſie erzeugte. Waͤre hierin Wahrheit, ſo wuͤrde dieſe etwas Bleibendes ſchaffen. Wir kennen aber wenige, oder vielleicht gar kein vollſtaͤn- diges Kunſtwerk, das unmittelbar dem weiblichen Genie entſprungen waͤre. Jn der bildenden Kunſt zaͤhlt nur die Mahlerei Schuͤlerinnen, und dieſe zeichnen ſich hoͤch- ſtens durch Coppieen aus. — Muſicaliſche Eompoſitionen nennen keinen, oder mir un- bekannten, Frauennamen. Poeſie, ſolche, die elegiſch oder idylliſch dem Herzen entſtroͤmt, gehoͤrt auch dem Her- zen, und wird eben ſo natuͤrlich empfunden als geſprochen. Das Maaß innerhalb, wel- chem ſie ſich geſtaltet, iſt der weichern und

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/254>, abgerufen am 22.11.2024.