sein will, hat sich eigentlich nie. Es genügt zumeist die persönliche Nähe, und daß das Geschöpf der Gewohnheit nirgend anders sei, als wo man es haben will. Mütter, die ganze Tage mit ihren Töchtern zusammen- sitzen, wissen darum doch nicht ein Wort von dem, was in derem Herzen vorgeht. -- Sie können es nicht wissen, denn sie ver- lernten längst, sich anders mit dem Unsicht- baren zu beschäftigen, als in soweit es die äußern Vorschriften der Religion heischen. Und wie werden ihnen erst die innern Stürme in der Brust des Sohnes entgehen! wie abentheu- erlich und ganz unbegreiflich, muß das kühne, über die abgestochene Gränze hinausschwei- fende Streben, der ungemessene Trieb nach Thaten, der heiße Durst, das Neue, Unge- wöhnliche zu schaffen, in den engen Kreis des täglich Wiederholten hineinfallen? Kön- nen in solchem Zeitpunkte, der unvermeidlich eintritt, Mutter und Kinder anders, als sich fremd werden?
Die Liebe, sagt man mit Recht, gleicht alle Abweichungen aus. Ja sie, hält zu-
ſein will, hat ſich eigentlich nie. Es genuͤgt zumeiſt die perſoͤnliche Naͤhe, und daß das Geſchoͤpf der Gewohnheit nirgend anders ſei, als wo man es haben will. Muͤtter, die ganze Tage mit ihren Toͤchtern zuſammen- ſitzen, wiſſen darum doch nicht ein Wort von dem, was in derem Herzen vorgeht. — Sie koͤnnen es nicht wiſſen, denn ſie ver- lernten laͤngſt, ſich anders mit dem Unſicht- baren zu beſchaͤftigen, als in ſoweit es die aͤußern Vorſchriften der Religion heiſchen. Und wie werden ihnen erſt die innern Stuͤrme in der Bruſt des Sohnes entgehen! wie abentheu- erlich und ganz unbegreiflich, muß das kuͤhne, uͤber die abgeſtochene Graͤnze hinausſchwei- fende Streben, der ungemeſſene Trieb nach Thaten, der heiße Durſt, das Neue, Unge- woͤhnliche zu ſchaffen, in den engen Kreis des taͤglich Wiederholten hineinfallen? Koͤn- nen in ſolchem Zeitpunkte, der unvermeidlich eintritt, Mutter und Kinder anders, als ſich fremd werden?
Die Liebe, ſagt man mit Recht, gleicht alle Abweichungen aus. Ja ſie, haͤlt zu-
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ſein will, hat ſich eigentlich nie. Es genuͤgt
zumeiſt die perſoͤnliche Naͤhe, und daß das
Geſchoͤpf der Gewohnheit nirgend anders ſei,
als wo man es haben will. Muͤtter, die
ganze Tage mit ihren Toͤchtern zuſammen-
ſitzen, wiſſen darum doch nicht ein Wort
von dem, was in derem Herzen vorgeht. —
Sie koͤnnen es nicht wiſſen, denn ſie ver-
lernten laͤngſt, ſich anders mit dem Unſicht-
baren zu beſchaͤftigen, als in ſoweit es die aͤußern
Vorſchriften der Religion heiſchen. Und wie
werden ihnen erſt die innern Stuͤrme in der
Bruſt des Sohnes entgehen! wie abentheu-
erlich und ganz unbegreiflich, muß das kuͤhne,
uͤber die abgeſtochene Graͤnze hinausſchwei-
fende Streben, der ungemeſſene Trieb nach
Thaten, der heiße Durſt, das Neue, Unge-
woͤhnliche zu ſchaffen, in den engen Kreis
des taͤglich Wiederholten hineinfallen? Koͤn-
nen in ſolchem Zeitpunkte, der unvermeidlich
eintritt, Mutter und Kinder anders, als ſich
fremd werden?
Die Liebe, ſagt man mit Recht, gleicht
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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/237>, abgerufen am 06.05.2024.
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