Erholung. Die aufgenommenen Anschau- ungen weichen indeß nicht sogleich wieder. Sie schweben, verändert und verschoben zwar, doch immer noch kenntlich vorüber, und greifen auf irgend eine Weise, in Ge- danken und Willen ein, Man möchte gern die Schatten ehemaliger Wirklichkeit fest- halten. Man hascht danach, und es ge- lingt auch sie zu ergreifen, insofern sich die Umrisse auf die Fläche übertragen lassen.
Ganz auf dieselbe Weise zeigt uns die Geschichte, mit dem sinkenden Lichte der Religion, die Einheit zwischen Glauben und Wirken gestört. Was als frische, lebendige Begeisterung in's Leben getreten war, lebte wirklich nur so lange, wie die Begeisterung vorhielt. Ein Scheinbild ehemaliger Liebe und Frömmigkeit täuschte mehr und mehr durch Beobachtungen religiöser Gebräuche. Diese wurden stehend. Gewohnheit ging in Gesetzeskraft über. Die Formen blieben allein in dem Maaße, wie die innere Nothwen- digkeit ihres Daseins schwand, nahmen sie tödtliche Farbe und Verzerrung an. Es
Erholung. Die aufgenommenen Anſchau- ungen weichen indeß nicht ſogleich wieder. Sie ſchweben, veraͤndert und verſchoben zwar, doch immer noch kenntlich voruͤber, und greifen auf irgend eine Weiſe, in Ge- danken und Willen ein, Man moͤchte gern die Schatten ehemaliger Wirklichkeit feſt- halten. Man haſcht danach, und es ge- lingt auch ſie zu ergreifen, inſofern ſich die Umriſſe auf die Flaͤche uͤbertragen laſſen.
Ganz auf dieſelbe Weiſe zeigt uns die Geſchichte, mit dem ſinkenden Lichte der Religion, die Einheit zwiſchen Glauben und Wirken geſtoͤrt. Was als friſche, lebendige Begeiſterung in’s Leben getreten war, lebte wirklich nur ſo lange, wie die Begeiſterung vorhielt. Ein Scheinbild ehemaliger Liebe und Froͤmmigkeit taͤuſchte mehr und mehr durch Beobachtungen religioͤſer Gebraͤuche. Dieſe wurden ſtehend. Gewohnheit ging in Geſetzeskraft uͤber. Die Formen blieben allein in dem Maaße, wie die innere Nothwen- digkeit ihres Daſeins ſchwand, nahmen ſie toͤdtliche Farbe und Verzerrung an. Es
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Erholung. Die aufgenommenen Anſchau-
ungen weichen indeß nicht ſogleich wieder.
Sie ſchweben, veraͤndert und verſchoben
zwar, doch immer noch kenntlich voruͤber,
und greifen auf irgend eine Weiſe, in Ge-
danken und Willen ein, Man moͤchte gern
die Schatten ehemaliger Wirklichkeit feſt-
halten. Man haſcht danach, und es ge-
lingt auch ſie zu ergreifen, inſofern ſich die
Umriſſe auf die Flaͤche uͤbertragen laſſen.
Ganz auf dieſelbe Weiſe zeigt uns die
Geſchichte, mit dem ſinkenden Lichte der
Religion, die Einheit zwiſchen Glauben und
Wirken geſtoͤrt. Was als friſche, lebendige
Begeiſterung in’s Leben getreten war, lebte
wirklich nur ſo lange, wie die Begeiſterung
vorhielt. Ein Scheinbild ehemaliger Liebe
und Froͤmmigkeit taͤuſchte mehr und mehr
durch Beobachtungen religioͤſer Gebraͤuche.
Dieſe wurden ſtehend. Gewohnheit ging in
Geſetzeskraft uͤber. Die Formen blieben allein
in dem Maaße, wie die innere Nothwen-
digkeit ihres Daſeins ſchwand, nahmen ſie
toͤdtliche Farbe und Verzerrung an. Es
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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/195>, abgerufen am 22.11.2024.
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