zu Tage. Der Wunsch, etwas Aehnliches zu erfahren, ist geweckt. Mit dem Erwa- chen verbreitet sich zugleich ein neuer Tag über die eigne Persönlichkeit. Alle, sebst die kleinsten Beziehungen, begränzen sich schär- fer, treten bestimmter, bedeutender hervor, jedes Wort hat noch einen geheimen, ver- steckten Sinn; was sonst nichts als her- gebrachte Formen bezeichnete, umfaßt nun eine Welt von Empfindungen. Alle huldi- gen im Geheim, wo sie nicht laut zu werden wagen.
Einmal die natürliche Richtung verlo- ren, verliert sich der Sinn in ein Labyrinth falscher Voraussetzungen. Der Wahn geht zu der zähesten Ueberzeugung über. -- Die Vorstellung des geschmeichelten Jch, stehet fest, sie wird eine fixe Jdee, die, gleich jeder Ueberspannung der Art, unheilbar bleibt.
Wüßten junge Personen, wie unglaublich lächerlich sie jedem Unbefangnen, durch den übermüthigen, halb schnöden, halb tragischem Ernst erscheinen, mit dem sie das Flüchtigste von allem, was das Leben giebt, das Wohl-
zu Tage. Der Wunſch, etwas Aehnliches zu erfahren, iſt geweckt. Mit dem Erwa- chen verbreitet ſich zugleich ein neuer Tag uͤber die eigne Perſoͤnlichkeit. Alle, ſebſt die kleinſten Beziehungen, begraͤnzen ſich ſchaͤr- fer, treten beſtimmter, bedeutender hervor, jedes Wort hat noch einen geheimen, ver- ſteckten Sinn; was ſonſt nichts als her- gebrachte Formen bezeichnete, umfaßt nun eine Welt von Empfindungen. Alle huldi- gen im Geheim, wo ſie nicht laut zu werden wagen.
Einmal die natuͤrliche Richtung verlo- ren, verliert ſich der Sinn in ein Labyrinth falſcher Vorausſetzungen. Der Wahn geht zu der zaͤheſten Ueberzeugung uͤber. — Die Vorſtellung des geſchmeichelten Jch, ſtehet feſt, ſie wird eine fixe Jdee, die, gleich jeder Ueberſpannung der Art, unheilbar bleibt.
Wuͤßten junge Perſonen, wie unglaublich laͤcherlich ſie jedem Unbefangnen, durch den uͤbermuͤthigen, halb ſchnoͤden, halb tragiſchem Ernſt erſcheinen, mit dem ſie das Fluͤchtigſte von allem, was das Leben giebt, das Wohl-
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zu Tage. Der Wunſch, etwas Aehnliches
zu erfahren, iſt geweckt. Mit dem Erwa-
chen verbreitet ſich zugleich ein neuer Tag
uͤber die eigne Perſoͤnlichkeit. Alle, ſebſt die
kleinſten Beziehungen, begraͤnzen ſich ſchaͤr-
fer, treten beſtimmter, bedeutender hervor,
jedes Wort hat noch einen geheimen, ver-
ſteckten Sinn; was ſonſt nichts als her-
gebrachte Formen bezeichnete, umfaßt nun
eine Welt von Empfindungen. Alle huldi-
gen im Geheim, wo ſie nicht laut zu werden
wagen.
Einmal die natuͤrliche Richtung verlo-
ren, verliert ſich der Sinn in ein Labyrinth
falſcher Vorausſetzungen. Der Wahn geht
zu der zaͤheſten Ueberzeugung uͤber. — Die
Vorſtellung des geſchmeichelten Jch, ſtehet
feſt, ſie wird eine fixe Jdee, die, gleich jeder
Ueberſpannung der Art, unheilbar bleibt.
Wuͤßten junge Perſonen, wie unglaublich
laͤcherlich ſie jedem Unbefangnen, durch den
uͤbermuͤthigen, halb ſchnoͤden, halb tragiſchem
Ernſt erſcheinen, mit dem ſie das Fluͤchtigſte
von allem, was das Leben giebt, das Wohl-
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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/160>, abgerufen am 27.07.2024.
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