Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

Hab' zum Brautschmuck euch erhoben,
Webte ja kein Todtenhemd.


Ach, ihr blasset, bunte Seiden,
Von der kranken Hand berührt,
Die im Spiel die eignen Leiden
Mühsam so herauf geführt.

Thau'ge Perlen, senkt euch nieder
Auf das luftige Gewand;
Schlingt euch um die Blumen wieder
In ein helles Thränenband.

Luise war indeß hineingegangen, und öffnete, da die Stimme schwieg, die Thür der Wohnstube, in deren Grunde ein schönes, bleiches Mädchen an einem Stickrahmen saß, und, überrascht durch ihr Erscheinen, von der Arbeit aufsah. Luise erkannte auf den ersten Blick eine frühere Gespielin, des Predigers Nichte, die vor mehrern Jahren sein Haus verlassen hatte, und jetzt, Luisen unbewußt, darin zurückgekehrt war. Willkommen, liebes Minchen! rief sie, von allen lieben Erinnrungen der Kindheit durchbebt, wie finde ich Sie so unerwartet hier? Sie kennen mich also dennoch wieder? fragte jene wehmüthig lächelnd. Wie sollte ich nicht, fiel Luise schnell ein; mir ist in diesem Augenblick, als sei noch alles wie sonst! wenn ich so kam und Sie abholte, und wir die ersten Veilchen

Hab’ zum Brautschmuck euch erhoben,
Webte ja kein Todtenhemd.


Ach, ihr blasset, bunte Seiden,
Von der kranken Hand berührt,
Die im Spiel die eignen Leiden
Mühsam so herauf geführt.

Thau’ge Perlen, senkt euch nieder
Auf das luftige Gewand;
Schlingt euch um die Blumen wieder
In ein helles Thränenband.

Luise war indeß hineingegangen, und öffnete, da die Stimme schwieg, die Thür der Wohnstube, in deren Grunde ein schönes, bleiches Mädchen an einem Stickrahmen saß, und, überrascht durch ihr Erscheinen, von der Arbeit aufsah. Luise erkannte auf den ersten Blick eine frühere Gespielin, des Predigers Nichte, die vor mehrern Jahren sein Haus verlassen hatte, und jetzt, Luisen unbewußt, darin zurückgekehrt war. Willkommen, liebes Minchen! rief sie, von allen lieben Erinnrungen der Kindheit durchbebt, wie finde ich Sie so unerwartet hier? Sie kennen mich also dennoch wieder? fragte jene wehmüthig lächelnd. Wie sollte ich nicht, fiel Luise schnell ein; mir ist in diesem Augenblick, als sei noch alles wie sonst! wenn ich so kam und Sie abholte, und wir die ersten Veilchen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg>
          <pb facs="#f0069" n="67"/>
          <l>Hab&#x2019; zum Brautschmuck euch erhoben,</l><lb/>
          <l>Webte ja kein Todtenhemd.</l><lb/>
        </lg>
        <lg><lb/>
          <l>Ach, ihr blasset, bunte Seiden,</l><lb/>
          <l>Von der kranken Hand berührt,</l><lb/>
          <l>Die im Spiel die eignen Leiden</l><lb/>
          <l>Mühsam so herauf geführt.</l><lb/>
        </lg>
        <lg><lb/>
          <l>Thau&#x2019;ge Perlen, senkt euch nieder</l><lb/>
          <l>Auf das luftige Gewand;</l><lb/>
          <l>Schlingt euch um die Blumen wieder</l><lb/>
          <l>In ein helles Thränenband.</l><lb/>
        </lg><lb/>
        <p>Luise war indeß hineingegangen, und öffnete, da die Stimme schwieg, die Thür der Wohnstube, in deren Grunde ein schönes, bleiches Mädchen an einem Stickrahmen saß, und, überrascht durch ihr Erscheinen, von der Arbeit aufsah. Luise erkannte auf den ersten Blick eine frühere Gespielin, des Predigers Nichte, die vor mehrern Jahren sein Haus verlassen hatte, und jetzt, Luisen unbewußt, darin zurückgekehrt war. Willkommen, liebes Minchen! rief sie, von allen lieben Erinnrungen der Kindheit durchbebt, wie finde ich Sie so unerwartet hier? Sie kennen mich also dennoch wieder? fragte jene wehmüthig lächelnd. Wie sollte ich nicht, fiel Luise schnell ein; mir ist in diesem Augenblick, als sei noch alles wie sonst! wenn ich so kam und Sie abholte, und wir die ersten Veilchen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0069] Hab’ zum Brautschmuck euch erhoben, Webte ja kein Todtenhemd. Ach, ihr blasset, bunte Seiden, Von der kranken Hand berührt, Die im Spiel die eignen Leiden Mühsam so herauf geführt. Thau’ge Perlen, senkt euch nieder Auf das luftige Gewand; Schlingt euch um die Blumen wieder In ein helles Thränenband. Luise war indeß hineingegangen, und öffnete, da die Stimme schwieg, die Thür der Wohnstube, in deren Grunde ein schönes, bleiches Mädchen an einem Stickrahmen saß, und, überrascht durch ihr Erscheinen, von der Arbeit aufsah. Luise erkannte auf den ersten Blick eine frühere Gespielin, des Predigers Nichte, die vor mehrern Jahren sein Haus verlassen hatte, und jetzt, Luisen unbewußt, darin zurückgekehrt war. Willkommen, liebes Minchen! rief sie, von allen lieben Erinnrungen der Kindheit durchbebt, wie finde ich Sie so unerwartet hier? Sie kennen mich also dennoch wieder? fragte jene wehmüthig lächelnd. Wie sollte ich nicht, fiel Luise schnell ein; mir ist in diesem Augenblick, als sei noch alles wie sonst! wenn ich so kam und Sie abholte, und wir die ersten Veilchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI von TextGrid (2013-03-15T15:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus TextGrid entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-03-15T15:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-03-15T15:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Wird ein Wort durch einen Seitenumbruch getrennt, so wird es vollständig auf der vorhergehenden Seite übernommen.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins02_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins02_1810/69
Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins02_1810/69>, abgerufen am 03.05.2024.