Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

Luise ward im Hereintreten seltsam von einer Gestalt ergriffen, die ihr das helle Kaminfeuer in unsichrem, flackernden Lichte zeigte. Es war ein alter, sehr bleicher Bergmann, der, der Flamme gegenüber, eine Cither im Arm, mit geschloßnen Augen, fast regungslos da saß. Zu seinen Füßen spielte die kleine Marie, die, in die Händchen klopfend, wiederholt rief: mehr, mehr singen! worauf der Alte die Saiten rührte, und, die erstorbnen Lippen öffnend, folgende Worte sang:

Im Tannenschatten ganz allein
Den Berg hinan auf öden Wegen,
Wenn Sterne seh'n zum Wald herein,
Zu Hauf' in Wolken zeucht der Regen,
Da mag ich doch zum liebsten sein.

Ich klopf' an' Berg, ich sag' ein Wort
Davor sich's regt in seinem Herzen.
Mein Bub' erwacht am dunklen Ort
Und ruft nach mir, und will mich herzen,
Nur will die Steinwand noch nicht fort.

Mußt fort zuletzt, du Stein, so hart;
Mein Spruch kann härtre Ding' erweichen.
Horch! wie der Bub' schon drinnen scharrt.
Er wird den seltnen Schatz mir reichen,
Der ihm im Berg' zu Theile ward.

Luise ward im Hereintreten seltsam von einer Gestalt ergriffen, die ihr das helle Kaminfeuer in unsichrem, flackernden Lichte zeigte. Es war ein alter, sehr bleicher Bergmann, der, der Flamme gegenüber, eine Cither im Arm, mit geschloßnen Augen, fast regungslos da saß. Zu seinen Füßen spielte die kleine Marie, die, in die Händchen klopfend, wiederholt rief: mehr, mehr singen! worauf der Alte die Saiten rührte, und, die erstorbnen Lippen öffnend, folgende Worte sang:

Im Tannenschatten ganz allein
Den Berg hinan auf öden Wegen,
Wenn Sterne seh’n zum Wald herein,
Zu Hauf’ in Wolken zeucht der Regen,
Da mag ich doch zum liebsten sein.

Ich klopf’ an’ Berg, ich sag’ ein Wort
Davor sich’s regt in seinem Herzen.
Mein Bub’ erwacht am dunklen Ort
Und ruft nach mir, und will mich herzen,
Nur will die Steinwand noch nicht fort.

Mußt fort zuletzt, du Stein, so hart;
Mein Spruch kann härtre Ding’ erweichen.
Horch! wie der Bub’ schon drinnen scharrt.
Er wird den seltnen Schatz mir reichen,
Der ihm im Berg’ zu Theile ward.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0044" n="42"/>
        <p> Luise ward im Hereintreten seltsam von einer Gestalt ergriffen, die ihr das helle Kaminfeuer in unsichrem, flackernden Lichte zeigte. Es war ein alter, sehr bleicher Bergmann, der, der Flamme gegenüber, eine Cither im Arm, mit geschloßnen Augen, fast regungslos da saß. Zu seinen Füßen spielte die kleine Marie, die, in die Händchen klopfend, wiederholt rief: mehr, mehr singen! worauf der Alte die Saiten rührte, und, die erstorbnen Lippen öffnend, folgende Worte sang:</p><lb/>
        <lg>
          <l>Im Tannenschatten ganz allein</l><lb/>
          <l>Den Berg hinan auf öden Wegen,</l><lb/>
          <l>Wenn Sterne seh&#x2019;n zum Wald herein,</l><lb/>
          <l>Zu Hauf&#x2019; in Wolken zeucht der Regen,</l><lb/>
          <l>Da mag ich doch zum liebsten sein.</l><lb/>
        </lg>
        <lg><lb/>
          <l>Ich klopf&#x2019; an&#x2019; Berg, ich sag&#x2019; ein Wort</l><lb/>
          <l>Davor sich&#x2019;s regt in seinem Herzen.</l><lb/>
          <l>Mein Bub&#x2019; erwacht am dunklen Ort</l><lb/>
          <l>Und ruft nach mir, und will mich herzen,</l><lb/>
          <l>Nur will die Steinwand noch nicht fort.</l><lb/>
        </lg>
        <lg><lb/>
          <l>Mußt fort zuletzt, du Stein, so hart;</l><lb/>
          <l>Mein Spruch kann härtre Ding&#x2019; erweichen.</l><lb/>
          <l>Horch! wie der Bub&#x2019; schon drinnen scharrt.</l><lb/>
          <l>Er wird den seltnen Schatz mir reichen,</l><lb/>
          <l>Der ihm im Berg&#x2019; zu Theile ward.</l><lb/>
        </lg>
        <lg><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0044] Luise ward im Hereintreten seltsam von einer Gestalt ergriffen, die ihr das helle Kaminfeuer in unsichrem, flackernden Lichte zeigte. Es war ein alter, sehr bleicher Bergmann, der, der Flamme gegenüber, eine Cither im Arm, mit geschloßnen Augen, fast regungslos da saß. Zu seinen Füßen spielte die kleine Marie, die, in die Händchen klopfend, wiederholt rief: mehr, mehr singen! worauf der Alte die Saiten rührte, und, die erstorbnen Lippen öffnend, folgende Worte sang: Im Tannenschatten ganz allein Den Berg hinan auf öden Wegen, Wenn Sterne seh’n zum Wald herein, Zu Hauf’ in Wolken zeucht der Regen, Da mag ich doch zum liebsten sein. Ich klopf’ an’ Berg, ich sag’ ein Wort Davor sich’s regt in seinem Herzen. Mein Bub’ erwacht am dunklen Ort Und ruft nach mir, und will mich herzen, Nur will die Steinwand noch nicht fort. Mußt fort zuletzt, du Stein, so hart; Mein Spruch kann härtre Ding’ erweichen. Horch! wie der Bub’ schon drinnen scharrt. Er wird den seltnen Schatz mir reichen, Der ihm im Berg’ zu Theile ward.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI von TextGrid (2013-03-15T15:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus TextGrid entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-03-15T15:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-03-15T15:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Wird ein Wort durch einen Seitenumbruch getrennt, so wird es vollständig auf der vorhergehenden Seite übernommen.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins02_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins02_1810/44
Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins02_1810/44>, abgerufen am 05.12.2024.