Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810.sagte, es könne ja noch alles besser werden. Was soll werden? fragte er; es ist ja nichts da, was werden könnte! Das ist mein Elend, daß nichts, nichts von allem dem wirklich ist, worin ich lebte, und ich nur wie eine dunkle Wolke an Luisens Himmel hinziehe. Es muß wohl so sein, wie er sagt, denn recht von Herzen ging es ihm, mir ward fast wie ihm dabei zu Muth. Der Doktor war indeß, mit einem Licht in der Hand, vor die tausendmal gesehenen und besprochnen Schildereien getreten. Julius Bild, als Knabe gemalt, sprang in voller Beleuchtung hervor. Das Kind sah sinnend und sehr ernst aus großen etwas tief liegenden Augen hervor. Schlichtes Haar, nur an den Spitzen gekräuselt, theilte sich auf der Stirn, so daß diese, fast frei werdend, eine Falte über den Augenbrauen sehen ließ, die dem Gesichtchen etwas Ungewöhnliches, überaus Hohes, gab. Nur um den Mund schwebte ein kindliches Lächeln, das man fast schmerzlich nennen konnte, so wehmüthig fühlte man sich davon ergriffen. Ganz erstaunt getroffen, sagte der Doktor halbleise zu Marianen, die mit ihrer Arbeit zunächst dem Bilde saß; nicht wahr? zum sprechen. Luise hielt sich nicht länger. Ja, ja, es spricht! rief sie. Du liebes, frommes Kind, öffne nur den verschloßnen Mund, und nenne mein Leid und das Deine! sagte, es könne ja noch alles besser werden. Was soll werden? fragte er; es ist ja nichts da, was werden könnte! Das ist mein Elend, daß nichts, nichts von allem dem wirklich ist, worin ich lebte, und ich nur wie eine dunkle Wolke an Luisens Himmel hinziehe. Es muß wohl so sein, wie er sagt, denn recht von Herzen ging es ihm, mir ward fast wie ihm dabei zu Muth. Der Doktor war indeß, mit einem Licht in der Hand, vor die tausendmal gesehenen und besprochnen Schildereien getreten. Julius Bild, als Knabe gemalt, sprang in voller Beleuchtung hervor. Das Kind sah sinnend und sehr ernst aus großen etwas tief liegenden Augen hervor. Schlichtes Haar, nur an den Spitzen gekräuselt, theilte sich auf der Stirn, so daß diese, fast frei werdend, eine Falte über den Augenbrauen sehen ließ, die dem Gesichtchen etwas Ungewöhnliches, überaus Hohes, gab. Nur um den Mund schwebte ein kindliches Lächeln, das man fast schmerzlich nennen konnte, so wehmüthig fühlte man sich davon ergriffen. Ganz erstaunt getroffen, sagte der Doktor halbleise zu Marianen, die mit ihrer Arbeit zunächst dem Bilde saß; nicht wahr? zum sprechen. Luise hielt sich nicht länger. Ja, ja, es spricht! rief sie. Du liebes, frommes Kind, öffne nur den verschloßnen Mund, und nenne mein Leid und das Deine! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0025" n="23"/> sagte, es könne ja noch alles besser werden. Was soll werden? fragte er; es ist ja nichts da, was werden könnte! Das ist mein Elend, daß nichts, nichts von allem dem wirklich ist, worin ich lebte, und ich nur wie eine dunkle Wolke an Luisens Himmel hinziehe. Es muß wohl so sein, wie er sagt, denn recht von Herzen ging es ihm, mir ward fast wie ihm dabei zu Muth.</p> <p>Der Doktor war indeß, mit einem Licht in der Hand, vor die tausendmal gesehenen und besprochnen Schildereien getreten. Julius Bild, als Knabe gemalt, sprang in voller Beleuchtung hervor. Das Kind sah sinnend und sehr ernst aus großen etwas tief liegenden Augen hervor. Schlichtes Haar, nur an den Spitzen gekräuselt, theilte sich auf der Stirn, so daß diese, fast frei werdend, eine Falte über den Augenbrauen sehen ließ, die dem Gesichtchen etwas Ungewöhnliches, überaus Hohes, gab. Nur um den Mund schwebte ein kindliches Lächeln, das man fast schmerzlich nennen konnte, so wehmüthig fühlte man sich davon ergriffen. Ganz erstaunt getroffen, sagte der Doktor halbleise zu Marianen, die mit ihrer Arbeit zunächst dem Bilde saß; nicht wahr? zum sprechen. Luise hielt sich nicht länger. Ja, ja, es spricht! rief sie. Du liebes, frommes Kind, öffne nur den verschloßnen Mund, und nenne mein Leid und das Deine! </p> </div> </body> </text> </TEI> [23/0025]
sagte, es könne ja noch alles besser werden. Was soll werden? fragte er; es ist ja nichts da, was werden könnte! Das ist mein Elend, daß nichts, nichts von allem dem wirklich ist, worin ich lebte, und ich nur wie eine dunkle Wolke an Luisens Himmel hinziehe. Es muß wohl so sein, wie er sagt, denn recht von Herzen ging es ihm, mir ward fast wie ihm dabei zu Muth.
Der Doktor war indeß, mit einem Licht in der Hand, vor die tausendmal gesehenen und besprochnen Schildereien getreten. Julius Bild, als Knabe gemalt, sprang in voller Beleuchtung hervor. Das Kind sah sinnend und sehr ernst aus großen etwas tief liegenden Augen hervor. Schlichtes Haar, nur an den Spitzen gekräuselt, theilte sich auf der Stirn, so daß diese, fast frei werdend, eine Falte über den Augenbrauen sehen ließ, die dem Gesichtchen etwas Ungewöhnliches, überaus Hohes, gab. Nur um den Mund schwebte ein kindliches Lächeln, das man fast schmerzlich nennen konnte, so wehmüthig fühlte man sich davon ergriffen. Ganz erstaunt getroffen, sagte der Doktor halbleise zu Marianen, die mit ihrer Arbeit zunächst dem Bilde saß; nicht wahr? zum sprechen. Luise hielt sich nicht länger. Ja, ja, es spricht! rief sie. Du liebes, frommes Kind, öffne nur den verschloßnen Mund, und nenne mein Leid und das Deine!
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Zitationshilfe: | Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins02_1810/25>, abgerufen am 16.07.2024. |