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Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810.

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leicht aufschieben ließen. Hier lag, neben Weihgefäßen und einem Rosenkranz, ein kleines Büchelchen, mit silbernen Nesteln zugehakt. Luise öffnete es zuerst. Unter Gebeten und Sprüchen, fiel ihr auf der innern Seite des Deckels eine feine Handschrift auf, die so lautete:

"Hier hab ich Gott all mein Herze gesagt und Trost erfunden in mancher Stund. Doch ist des Leides kein End', denn der Herr mag nicht wehren das Böse, bis es selbst versöhnt die eignen Schulden. Aber eine Zeit wird kommen, davon ist gesagt, daß ein frommes Auge mit heißen Thränen Aller Schuld abwaschen und Buße an Leib und Seele üben werde. Dann soll die Lust und die Ehre aus diesen Mauern ausziehn, und der Name Falkenstein verhallen, und Friede sein und Ruhe in den Gräbern. Denn der Herr zählet die Seufzer und Thränen, und giebt den Seinen was ihnen werden muß. - Gertrud von Falkenstein."

Das ist der Name der Ahnfrau, sagte der Mönch, der unter dem steinernem Bilde in Kloster eingegraben ist. Luise heftete ihre Augen noch immer auf die vor ihr liegenden Worte. Niemand sagte weiter etwas. Jeder war mit eigenen Gedanken beschäftigt, bei dem Anblick des Cruzifixes und seiner Ausschmückungen, die fast gewaltsam

leicht aufschieben ließen. Hier lag, neben Weihgefäßen und einem Rosenkranz, ein kleines Büchelchen, mit silbernen Nesteln zugehakt. Luise öffnete es zuerst. Unter Gebeten und Sprüchen, fiel ihr auf der innern Seite des Deckels eine feine Handschrift auf, die so lautete:

»Hier hab ich Gott all mein Herze gesagt und Trost erfunden in mancher Stund. Doch ist des Leides kein End’, denn der Herr mag nicht wehren das Böse, bis es selbst versöhnt die eignen Schulden. Aber eine Zeit wird kommen, davon ist gesagt, daß ein frommes Auge mit heißen Thränen Aller Schuld abwaschen und Buße an Leib und Seele üben werde. Dann soll die Lust und die Ehre aus diesen Mauern ausziehn, und der Name Falkenstein verhallen, und Friede sein und Ruhe in den Gräbern. Denn der Herr zählet die Seufzer und Thränen, und giebt den Seinen was ihnen werden muß. – Gertrud von Falkenstein

Das ist der Name der Ahnfrau, sagte der Mönch, der unter dem steinernem Bilde in Kloster eingegraben ist. Luise heftete ihre Augen noch immer auf die vor ihr liegenden Worte. Niemand sagte weiter etwas. Jeder war mit eigenen Gedanken beschäftigt, bei dem Anblick des Cruzifixes und seiner Ausschmückungen, die fast gewaltsam

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[176/0178] leicht aufschieben ließen. Hier lag, neben Weihgefäßen und einem Rosenkranz, ein kleines Büchelchen, mit silbernen Nesteln zugehakt. Luise öffnete es zuerst. Unter Gebeten und Sprüchen, fiel ihr auf der innern Seite des Deckels eine feine Handschrift auf, die so lautete: »Hier hab ich Gott all mein Herze gesagt und Trost erfunden in mancher Stund. Doch ist des Leides kein End’, denn der Herr mag nicht wehren das Böse, bis es selbst versöhnt die eignen Schulden. Aber eine Zeit wird kommen, davon ist gesagt, daß ein frommes Auge mit heißen Thränen Aller Schuld abwaschen und Buße an Leib und Seele üben werde. Dann soll die Lust und die Ehre aus diesen Mauern ausziehn, und der Name Falkenstein verhallen, und Friede sein und Ruhe in den Gräbern. Denn der Herr zählet die Seufzer und Thränen, und giebt den Seinen was ihnen werden muß. – Gertrud von Falkenstein.« Das ist der Name der Ahnfrau, sagte der Mönch, der unter dem steinernem Bilde in Kloster eingegraben ist. Luise heftete ihre Augen noch immer auf die vor ihr liegenden Worte. Niemand sagte weiter etwas. Jeder war mit eigenen Gedanken beschäftigt, bei dem Anblick des Cruzifixes und seiner Ausschmückungen, die fast gewaltsam

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins02_1810/178>, abgerufen am 02.05.2024.