Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

Stand gesetzt, Horst ihre Hand zu geben. Sie besaßen nun beide, was sie wünschten, und schleppten ein nüchternes Dasein neben einander hin. Luise betrachtete mit Wehmuth all die mannichfachen Verirrungen, und wie so viel gute Menschen sich selbst täuschen. Sie redete einst mit Minchen darüber. Allein diese erwiederte: ich weiß nicht recht, was das eigentlich heißt, wenn man von der Liebe eines Menschen sagt, er täusche sich selbst. Was doch so recht innig und lebhaft das ganze Wesen erschüttert, das ist doch da, und wirklich, wo ist denn nun die Täuschung? Am wenigsten mag ich es leiden, wenn die Leute selbst nach kurzer Frist ein Gefühl so nennen, was ihnen doch für Augenblicke höher als ihr eignes Leben war. Ich glaube, erwiederte Luise, man kann jeden Mißgriff wohl mit Recht eine Täuschung nennen. Das Gefühl selbst ist kein trügerisches Spiel, aber seine Beziehung kann falsch sein, und man darf in den vielen vorüberrauschenden Neigungen nichts Ewiges sehen, als die unendliche Sehnsucht nach einer unwandelbaren Liebe. Aber, fiel Minchen ein, sollen die armen Betrognen erst Menschenalter durchleben, um zu wissen, welches die rechte Liebe sei? Das ist ein Geheimniß, sagte Luise, welches die Liebe jedem in sich selbst offenbart.

Während sie so redeten, trat der Mönch unerwartet zu ihnen in's Zimmer. Er war lange in Geschäften

Stand gesetzt, Horst ihre Hand zu geben. Sie besaßen nun beide, was sie wünschten, und schleppten ein nüchternes Dasein neben einander hin. Luise betrachtete mit Wehmuth all die mannichfachen Verirrungen, und wie so viel gute Menschen sich selbst täuschen. Sie redete einst mit Minchen darüber. Allein diese erwiederte: ich weiß nicht recht, was das eigentlich heißt, wenn man von der Liebe eines Menschen sagt, er täusche sich selbst. Was doch so recht innig und lebhaft das ganze Wesen erschüttert, das ist doch da, und wirklich, wo ist denn nun die Täuschung? Am wenigsten mag ich es leiden, wenn die Leute selbst nach kurzer Frist ein Gefühl so nennen, was ihnen doch für Augenblicke höher als ihr eignes Leben war. Ich glaube, erwiederte Luise, man kann jeden Mißgriff wohl mit Recht eine Täuschung nennen. Das Gefühl selbst ist kein trügerisches Spiel, aber seine Beziehung kann falsch sein, und man darf in den vielen vorüberrauschenden Neigungen nichts Ewiges sehen, als die unendliche Sehnsucht nach einer unwandelbaren Liebe. Aber, fiel Minchen ein, sollen die armen Betrognen erst Menschenalter durchleben, um zu wissen, welches die rechte Liebe sei? Das ist ein Geheimniß, sagte Luise, welches die Liebe jedem in sich selbst offenbart.

Während sie so redeten, trat der Mönch unerwartet zu ihnen in’s Zimmer. Er war lange in Geschäften

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0175" n="173"/>
Stand gesetzt, Horst ihre Hand zu geben. Sie besaßen nun beide, was sie wünschten, und schleppten ein nüchternes Dasein neben einander hin. Luise betrachtete mit Wehmuth all die mannichfachen Verirrungen, und wie so viel gute Menschen sich selbst täuschen. Sie redete einst mit Minchen darüber. Allein diese erwiederte: ich weiß nicht recht, was das eigentlich heißt, wenn man von der Liebe eines Menschen sagt, er täusche sich selbst. Was doch so recht innig und lebhaft das ganze Wesen erschüttert, das ist doch da, und wirklich, wo ist denn nun die Täuschung? Am wenigsten mag ich es leiden, wenn die Leute selbst nach kurzer Frist ein Gefühl so nennen, was ihnen doch für Augenblicke höher als ihr eignes Leben war. Ich glaube, erwiederte Luise, man kann jeden Mißgriff wohl mit Recht eine Täuschung nennen. Das Gefühl selbst ist kein trügerisches Spiel, aber seine Beziehung kann falsch sein, und man darf in den vielen vorüberrauschenden Neigungen nichts Ewiges sehen, als die unendliche Sehnsucht nach einer unwandelbaren Liebe. Aber, fiel Minchen ein, sollen die armen Betrognen erst Menschenalter durchleben, um zu wissen, welches die rechte Liebe sei? Das ist ein Geheimniß, sagte Luise, welches die Liebe jedem in sich selbst offenbart.</p>
        <p>Während sie so redeten, trat der Mönch unerwartet zu ihnen in&#x2019;s Zimmer. Er war lange in Geschäften
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0175] Stand gesetzt, Horst ihre Hand zu geben. Sie besaßen nun beide, was sie wünschten, und schleppten ein nüchternes Dasein neben einander hin. Luise betrachtete mit Wehmuth all die mannichfachen Verirrungen, und wie so viel gute Menschen sich selbst täuschen. Sie redete einst mit Minchen darüber. Allein diese erwiederte: ich weiß nicht recht, was das eigentlich heißt, wenn man von der Liebe eines Menschen sagt, er täusche sich selbst. Was doch so recht innig und lebhaft das ganze Wesen erschüttert, das ist doch da, und wirklich, wo ist denn nun die Täuschung? Am wenigsten mag ich es leiden, wenn die Leute selbst nach kurzer Frist ein Gefühl so nennen, was ihnen doch für Augenblicke höher als ihr eignes Leben war. Ich glaube, erwiederte Luise, man kann jeden Mißgriff wohl mit Recht eine Täuschung nennen. Das Gefühl selbst ist kein trügerisches Spiel, aber seine Beziehung kann falsch sein, und man darf in den vielen vorüberrauschenden Neigungen nichts Ewiges sehen, als die unendliche Sehnsucht nach einer unwandelbaren Liebe. Aber, fiel Minchen ein, sollen die armen Betrognen erst Menschenalter durchleben, um zu wissen, welches die rechte Liebe sei? Das ist ein Geheimniß, sagte Luise, welches die Liebe jedem in sich selbst offenbart. Während sie so redeten, trat der Mönch unerwartet zu ihnen in’s Zimmer. Er war lange in Geschäften

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI von TextGrid (2013-03-15T15:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus TextGrid entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-03-15T15:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-03-15T15:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Wird ein Wort durch einen Seitenumbruch getrennt, so wird es vollständig auf der vorhergehenden Seite übernommen.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins02_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins02_1810/175
Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins02_1810/175>, abgerufen am 02.05.2024.