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Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810.

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Schauern sie sich immer mehr befreundete. Das Dunkle, Fremdartige, war ihr näher getreten. Sie freuete sich selbst an den Bildern, die sie vormals schreckten. Deshalb war sie oft, in den weniger verzierten Zimmern nach der Waldseite, mit allem beschäftigt, was sie eine kurz verflossene Gegenwart vergessen machte. Wunderbar ergriff sie das Rauschen der hohen Tannen, jene dumpfe, hallende Töne einer verschollenen Natursprache, dem Menschen nur noch in wehmüthigen Ahndungen vernehmlich. Dazwischen murmelte der nahe Wasserfall aus dem geöffneten Mund der grauen Felsen, und darüber hin zogen Sterne herauf, in ihren bedeutsamen Bildern. Alles redete sie an, ernst, aber tief aus dem Herzen des Daseins hervor. Aber seltsamer und reicher gestaltete sich ihr die Nacht. Unaufhörlich träumte sie von den vormaligen Bewohnern des Schlosses. Ritter und Frauen, reich geschmückt oder in häuslicher Tracht, in Freude und Schmerz, bei festlichen Gelagen oder Kämpfen, immer traten sie, auf irgend eine Weise mit in ihr Leben verflochten, vor sie hin, und immer erschien sie selbst handelnd unter ihnen. Oft kehrten dieselben Gestalten wieder, unter ihnen besonders eine verschleierte Frau, die langsam durch die Zimmer des Schlosses schritt, und wenn sie vor das große Bild der Ahnfrau trat, die Schleier auseinder

Schauern sie sich immer mehr befreundete. Das Dunkle, Fremdartige, war ihr näher getreten. Sie freuete sich selbst an den Bildern, die sie vormals schreckten. Deshalb war sie oft, in den weniger verzierten Zimmern nach der Waldseite, mit allem beschäftigt, was sie eine kurz verflossene Gegenwart vergessen machte. Wunderbar ergriff sie das Rauschen der hohen Tannen, jene dumpfe, hallende Töne einer verschollenen Natursprache, dem Menschen nur noch in wehmüthigen Ahndungen vernehmlich. Dazwischen murmelte der nahe Wasserfall aus dem geöffneten Mund der grauen Felsen, und darüber hin zogen Sterne herauf, in ihren bedeutsamen Bildern. Alles redete sie an, ernst, aber tief aus dem Herzen des Daseins hervor. Aber seltsamer und reicher gestaltete sich ihr die Nacht. Unaufhörlich träumte sie von den vormaligen Bewohnern des Schlosses. Ritter und Frauen, reich geschmückt oder in häuslicher Tracht, in Freude und Schmerz, bei festlichen Gelagen oder Kämpfen, immer traten sie, auf irgend eine Weise mit in ihr Leben verflochten, vor sie hin, und immer erschien sie selbst handelnd unter ihnen. Oft kehrten dieselben Gestalten wieder, unter ihnen besonders eine verschleierte Frau, die langsam durch die Zimmer des Schlosses schritt, und wenn sie vor das große Bild der Ahnfrau trat, die Schleier auseinder

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Schauern sie sich immer mehr befreundete. Das Dunkle, Fremdartige, war ihr näher getreten. Sie freuete sich selbst an den Bildern, die sie vormals schreckten. Deshalb war sie oft, in den weniger verzierten Zimmern nach der Waldseite, mit allem beschäftigt, was sie eine kurz verflossene Gegenwart vergessen machte. Wunderbar ergriff sie das Rauschen der hohen Tannen, jene dumpfe, hallende Töne einer verschollenen Natursprache, dem Menschen nur noch in wehmüthigen Ahndungen vernehmlich. Dazwischen murmelte der nahe Wasserfall aus dem geöffneten Mund der grauen Felsen, und darüber hin zogen Sterne herauf, in ihren bedeutsamen Bildern. Alles redete sie an, ernst, aber tief aus dem Herzen des Daseins hervor. Aber seltsamer und reicher gestaltete sich ihr die Nacht. Unaufhörlich träumte sie von den vormaligen Bewohnern des Schlosses. Ritter und Frauen, reich geschmückt oder in häuslicher Tracht, in Freude und Schmerz, bei festlichen Gelagen oder Kämpfen, immer traten sie, auf irgend eine Weise mit in ihr Leben verflochten, vor sie hin, und immer erschien sie selbst handelnd unter ihnen. Oft kehrten dieselben Gestalten wieder, unter ihnen besonders eine verschleierte Frau, die langsam durch die Zimmer des Schlosses schritt, und wenn sie vor das große Bild der Ahnfrau trat, die Schleier auseinder
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[165/0167] Schauern sie sich immer mehr befreundete. Das Dunkle, Fremdartige, war ihr näher getreten. Sie freuete sich selbst an den Bildern, die sie vormals schreckten. Deshalb war sie oft, in den weniger verzierten Zimmern nach der Waldseite, mit allem beschäftigt, was sie eine kurz verflossene Gegenwart vergessen machte. Wunderbar ergriff sie das Rauschen der hohen Tannen, jene dumpfe, hallende Töne einer verschollenen Natursprache, dem Menschen nur noch in wehmüthigen Ahndungen vernehmlich. Dazwischen murmelte der nahe Wasserfall aus dem geöffneten Mund der grauen Felsen, und darüber hin zogen Sterne herauf, in ihren bedeutsamen Bildern. Alles redete sie an, ernst, aber tief aus dem Herzen des Daseins hervor. Aber seltsamer und reicher gestaltete sich ihr die Nacht. Unaufhörlich träumte sie von den vormaligen Bewohnern des Schlosses. Ritter und Frauen, reich geschmückt oder in häuslicher Tracht, in Freude und Schmerz, bei festlichen Gelagen oder Kämpfen, immer traten sie, auf irgend eine Weise mit in ihr Leben verflochten, vor sie hin, und immer erschien sie selbst handelnd unter ihnen. Oft kehrten dieselben Gestalten wieder, unter ihnen besonders eine verschleierte Frau, die langsam durch die Zimmer des Schlosses schritt, und wenn sie vor das große Bild der Ahnfrau trat, die Schleier auseinder

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins02_1810/167>, abgerufen am 02.05.2024.