Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810.Mann fragte ihn gleich darauf ganz ruhig, was zu seinem Befehle stände, und meinte nach erhaltner Auskunft, wenn es nichts als ein abgesprungenes und etwas beschädigtes Rad sei, so könne er wohl allein helfen, ohne deshalb noch weiter zu gehn. Er versah sich mit dem Nöthigsten und machte sich sogleich mit Julius auf den Weg. Wollen Sie nicht hinein treten? sagte die Frau zu Luisen, ansteckend ist die Krankheit nicht. Luise zögerte noch einen Augenblick und fragte, was es für ein Uebel sei. Das weiß der Himmel, antwortete die Frau; seit dreizehn Wochen leidet das Kind. Wir haben wohl einen Chirurgus befragt, aber das hat bei armen Leuten keine Art. Man kann auch nicht alles so haben, -- (sie waren während dem in ein niedriges, enges Stübchen an das Bett der Kleinen getreten) und heute, fuhr die Frau fort -- sie konnte nichts weiter sagen, bückte sich zu dem Kinde und drückte seine welke Händchen an ihre Lippen. -- Luise sah überall Spuren der allerhöchsten Dürftigkeit; sie glaubte fast, daß Mangel an kräftiger Nahrung das Kind, nach früher überstandner Krankheit, allein tödte, und dachte mit Wehmuth, daß so mancher unbeachtet hinstirbt, den oft eine Kleinigkeit retten könne. Ein kristallnes Büchschen öffnend, ließ sie einen Tropfen starken Balsams unter die Zunge der Kranken fallen, die Mann fragte ihn gleich darauf ganz ruhig, was zu seinem Befehle stände, und meinte nach erhaltner Auskunft, wenn es nichts als ein abgesprungenes und etwas beschädigtes Rad sei, so könne er wohl allein helfen, ohne deshalb noch weiter zu gehn. Er versah sich mit dem Nöthigsten und machte sich sogleich mit Julius auf den Weg. Wollen Sie nicht hinein treten? sagte die Frau zu Luisen, ansteckend ist die Krankheit nicht. Luise zögerte noch einen Augenblick und fragte, was es für ein Uebel sei. Das weiß der Himmel, antwortete die Frau; seit dreizehn Wochen leidet das Kind. Wir haben wohl einen Chirurgus befragt, aber das hat bei armen Leuten keine Art. Man kann auch nicht alles so haben, — (sie waren während dem in ein niedriges, enges Stübchen an das Bett der Kleinen getreten) und heute, fuhr die Frau fort — sie konnte nichts weiter sagen, bückte sich zu dem Kinde und drückte seine welke Händchen an ihre Lippen. — Luise sah überall Spuren der allerhöchsten Dürftigkeit; sie glaubte fast, daß Mangel an kräftiger Nahrung das Kind, nach früher überstandner Krankheit, allein tödte, und dachte mit Wehmuth, daß so mancher unbeachtet hinstirbt, den oft eine Kleinigkeit retten könne. Ein kristallnes Büchschen öffnend, ließ sie einen Tropfen starken Balsams unter die Zunge der Kranken fallen, die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0062" n="54"/> Mann fragte ihn gleich darauf ganz ruhig, was zu seinem Befehle stände, und meinte nach erhaltner Auskunft, wenn es nichts als ein abgesprungenes und etwas beschädigtes Rad sei, so könne er wohl allein helfen, ohne deshalb noch weiter zu gehn. Er versah sich mit dem Nöthigsten und machte sich sogleich mit Julius auf den Weg.</p> <p>Wollen Sie nicht hinein treten? sagte die Frau zu Luisen, ansteckend ist die Krankheit nicht. Luise zögerte noch einen Augenblick und fragte, was es für ein Uebel sei. Das weiß der Himmel, antwortete die Frau; seit dreizehn Wochen leidet das Kind. Wir haben wohl einen Chirurgus befragt, aber das hat bei armen Leuten keine Art. Man kann auch nicht alles so haben, — (sie waren während dem in ein niedriges, enges Stübchen an das Bett der Kleinen getreten) und heute, fuhr die Frau fort — sie konnte nichts weiter sagen, bückte sich zu dem Kinde und drückte seine welke Händchen an ihre Lippen. — Luise sah überall Spuren der allerhöchsten Dürftigkeit; sie glaubte fast, daß Mangel an kräftiger Nahrung das Kind, nach früher überstandner Krankheit, allein tödte, und dachte mit Wehmuth, daß so mancher unbeachtet hinstirbt, den oft eine Kleinigkeit retten könne. Ein kristallnes Büchschen öffnend, ließ sie einen Tropfen starken Balsams unter die Zunge der Kranken fallen, die </p> </div> </body> </text> </TEI> [54/0062]
Mann fragte ihn gleich darauf ganz ruhig, was zu seinem Befehle stände, und meinte nach erhaltner Auskunft, wenn es nichts als ein abgesprungenes und etwas beschädigtes Rad sei, so könne er wohl allein helfen, ohne deshalb noch weiter zu gehn. Er versah sich mit dem Nöthigsten und machte sich sogleich mit Julius auf den Weg.
Wollen Sie nicht hinein treten? sagte die Frau zu Luisen, ansteckend ist die Krankheit nicht. Luise zögerte noch einen Augenblick und fragte, was es für ein Uebel sei. Das weiß der Himmel, antwortete die Frau; seit dreizehn Wochen leidet das Kind. Wir haben wohl einen Chirurgus befragt, aber das hat bei armen Leuten keine Art. Man kann auch nicht alles so haben, — (sie waren während dem in ein niedriges, enges Stübchen an das Bett der Kleinen getreten) und heute, fuhr die Frau fort — sie konnte nichts weiter sagen, bückte sich zu dem Kinde und drückte seine welke Händchen an ihre Lippen. — Luise sah überall Spuren der allerhöchsten Dürftigkeit; sie glaubte fast, daß Mangel an kräftiger Nahrung das Kind, nach früher überstandner Krankheit, allein tödte, und dachte mit Wehmuth, daß so mancher unbeachtet hinstirbt, den oft eine Kleinigkeit retten könne. Ein kristallnes Büchschen öffnend, ließ sie einen Tropfen starken Balsams unter die Zunge der Kranken fallen, die
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Zitationshilfe: | Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/62>, abgerufen am 16.07.2024. |