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Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810.

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abgezogen: hat die Zeit nicht allmählig alle Spuren von Violas Glanz verwischt? Ich weiß es nicht, erwiederte Mathilde, seit dem Tode Deines Vaters, der der Gräfin bald folgte, bin ich nicht dort gewesen. Allein sowohl der Graf, als neuerlich der Baron Veltheim, Julius Vormund, sollen alles wohl erhalten haben. Sie schwieg hier, durch Luisens stetes Abspringen verletzt, und beide trennten sich bald darauf, beklommen, und im Gefühl eines innern Mißverstehens, geängstet.

Als Luise am folgenden Morgen die Augen aufschlug, stand Mariane, die Kammerfrau ihrer Mutter, mit bekümmerten Mienen vor ihrem Bette, und schien den Augenblick ihres Erwachens erwartet zu haben. Ach, liebes Fräulein, hub sie sogleich an, die gnädige Frau hat die ganze Nacht hindurch gelitten und ist jetzt kränker als zuvor; Sie werden am besten bestimmen können, ob man den Arzt holen soll? Luise war an das stete Uebelbefinden ihrer Mutter gewöhnt, und wußte, daß es nie gefährlich ward; allein jetzt traf diese Nachricht ihre vom Schlaf befangnen Sinne so unerwartet, daß sie lange wie betäubt vor sich hinsah, und nicht den Muth hatte, ihr dumpfes Gefühl zu befragen. Gleich, gleich, rief sie, halb träumend, Marianen zu, und schlich sich, von innrer Angst gelähmt, an Mathildens Thür. Hier war alles still; sie trat

abgezogen: hat die Zeit nicht allmählig alle Spuren von Violas Glanz verwischt? Ich weiß es nicht, erwiederte Mathilde, seit dem Tode Deines Vaters, der der Gräfin bald folgte, bin ich nicht dort gewesen. Allein sowohl der Graf, als neuerlich der Baron Veltheim, Julius Vormund, sollen alles wohl erhalten haben. Sie schwieg hier, durch Luisens stetes Abspringen verletzt, und beide trennten sich bald darauf, beklommen, und im Gefühl eines innern Mißverstehens, geängstet.

Als Luise am folgenden Morgen die Augen aufschlug, stand Mariane, die Kammerfrau ihrer Mutter, mit bekümmerten Mienen vor ihrem Bette, und schien den Augenblick ihres Erwachens erwartet zu haben. Ach, liebes Fräulein, hub sie sogleich an, die gnädige Frau hat die ganze Nacht hindurch gelitten und ist jetzt kränker als zuvor; Sie werden am besten bestimmen können, ob man den Arzt holen soll? Luise war an das stete Uebelbefinden ihrer Mutter gewöhnt, und wußte, daß es nie gefährlich ward; allein jetzt traf diese Nachricht ihre vom Schlaf befangnen Sinne so unerwartet, daß sie lange wie betäubt vor sich hinsah, und nicht den Muth hatte, ihr dumpfes Gefühl zu befragen. Gleich, gleich, rief sie, halb träumend, Marianen zu, und schlich sich, von innrer Angst gelähmt, an Mathildens Thür. Hier war alles still; sie trat

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[31/0039] abgezogen: hat die Zeit nicht allmählig alle Spuren von Violas Glanz verwischt? Ich weiß es nicht, erwiederte Mathilde, seit dem Tode Deines Vaters, der der Gräfin bald folgte, bin ich nicht dort gewesen. Allein sowohl der Graf, als neuerlich der Baron Veltheim, Julius Vormund, sollen alles wohl erhalten haben. Sie schwieg hier, durch Luisens stetes Abspringen verletzt, und beide trennten sich bald darauf, beklommen, und im Gefühl eines innern Mißverstehens, geängstet. Als Luise am folgenden Morgen die Augen aufschlug, stand Mariane, die Kammerfrau ihrer Mutter, mit bekümmerten Mienen vor ihrem Bette, und schien den Augenblick ihres Erwachens erwartet zu haben. Ach, liebes Fräulein, hub sie sogleich an, die gnädige Frau hat die ganze Nacht hindurch gelitten und ist jetzt kränker als zuvor; Sie werden am besten bestimmen können, ob man den Arzt holen soll? Luise war an das stete Uebelbefinden ihrer Mutter gewöhnt, und wußte, daß es nie gefährlich ward; allein jetzt traf diese Nachricht ihre vom Schlaf befangnen Sinne so unerwartet, daß sie lange wie betäubt vor sich hinsah, und nicht den Muth hatte, ihr dumpfes Gefühl zu befragen. Gleich, gleich, rief sie, halb träumend, Marianen zu, und schlich sich, von innrer Angst gelähmt, an Mathildens Thür. Hier war alles still; sie trat

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/39>, abgerufen am 21.11.2024.