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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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Forster's Reise um die Welt
1774.
May.
solchen Mühseligkeiten, eben solchen Nachtwachen und Gefahren, als er kaum
überstanden hatte, von neuem wieder entgegen zu gehen. Sollte es ihm
aber auch wirklich geglückt seyn, auf eine oder die andere Art zum ruhigen
Genuß des Lebens zu gelangen; so mußte er doch immer besorgen, mitten
in seinen Freuden, gewaltsamer weise zum Dienst geworben, und wider sei-
nen Willen zum Streit fürs Vaterland gezwungen zu werden, mithin, ent-
weder sein Leben in der Blüthe seiner Jahre zu verlieren, oder das trau-
rige Schicksal eines elenden Krüppels zu haben. Gesetzt aber, er hätte
das alles vermeiden können, so mußte er sich in England doch wenigstens
dahin bequemen, sein tägliches Brod im Schweiß seines Angesichts zu verdie-
nen, und die Würkung jenes allgemeinen Fluches zu empfinden, die Tahiti
nicht erreicht zu haben scheint, oder wenigstens fast gar nicht daselbst gefühlet
wird. Unser gemeines Volk ist nun einmal zu lauter Plackereyen und zu
beständigen Arbeiten bestimmt. Ehe man den geringsten Gebrauch vom Kor-
ne machen kann, muß erst gepflügt, geerndtet, gedroschen und gemahlen, ja
es muß hundertmal mehr davon gebauet werden, als der Ackersmann selbst
verbrauchen kann, theils um das Vieh zu erhalten, ohne dessen Hülfe kein
Feldbau bestehet, theils auch, um das Ackergeräth und viel andre Dinge da-
für anzuschaffen, die jeder Landwirth selbst verfertigen könnte, wenn die Weit-
läuftigkeit des Feldbaues ihm Zeit und Muße dazu übrig ließe. Der Kaufmann,
der Handwerksmann, der Künstler, müssen alle eben so arbeitsam seyn, um
dem Landmanne das Korn und Brod wieder abzuverdienen. Wie ist hingegen
beym Tahitier das alles so ganz anders! wie glücklich, wie ruhig lebt nicht
der! Zwey oder drey Brodfruchtbäume, die beynahe ohne alle Handanlegung
fortkommen, und fast eben so lange tragen, als der, welcher sie gepflanzt hat, le-
ben kann; drey solche Bäume sind hinreichend, ihm drey Viertheile des Jah-
res hindurch, Brod und Unterhalt zu geben! Was er davon nicht frisch
weg essen kann, wird gesäuert, und als ein gesundes, wohlschmeckendes Nah-
rungsmittel, für die übrigen Monathe aufbewahret. Selbst diejenigen Pflan-
zen, welche auf Tahiti die mehreste Cultur erfordern, nämlich der Papyr-
Maulbeerbaum
und die Arumwurzeln, kosten einem Tahitier nicht
mehr Arbeit, als uns unser Kohl- oder andrer Gartenbau. Die ganze

Forſter’s Reiſe um die Welt
1774.
May.
ſolchen Muͤhſeligkeiten, eben ſolchen Nachtwachen und Gefahren, als er kaum
uͤberſtanden hatte, von neuem wieder entgegen zu gehen. Sollte es ihm
aber auch wirklich gegluͤckt ſeyn, auf eine oder die andere Art zum ruhigen
Genuß des Lebens zu gelangen; ſo mußte er doch immer beſorgen, mitten
in ſeinen Freuden, gewaltſamer weiſe zum Dienſt geworben, und wider ſei-
nen Willen zum Streit fuͤrs Vaterland gezwungen zu werden, mithin, ent-
weder ſein Leben in der Bluͤthe ſeiner Jahre zu verlieren, oder das trau-
rige Schickſal eines elenden Kruͤppels zu haben. Geſetzt aber, er haͤtte
das alles vermeiden koͤnnen, ſo mußte er ſich in England doch wenigſtens
dahin bequemen, ſein taͤgliches Brod im Schweiß ſeines Angeſichts zu verdie-
nen, und die Wuͤrkung jenes allgemeinen Fluches zu empfinden, die Tahiti
nicht erreicht zu haben ſcheint, oder wenigſtens faſt gar nicht daſelbſt gefuͤhlet
wird. Unſer gemeines Volk iſt nun einmal zu lauter Plackereyen und zu
beſtaͤndigen Arbeiten beſtimmt. Ehe man den geringſten Gebrauch vom Kor-
ne machen kann, muß erſt gepfluͤgt, geerndtet, gedroſchen und gemahlen, ja
es muß hundertmal mehr davon gebauet werden, als der Ackersmann ſelbſt
verbrauchen kann, theils um das Vieh zu erhalten, ohne deſſen Huͤlfe kein
Feldbau beſtehet, theils auch, um das Ackergeraͤth und viel andre Dinge da-
fuͤr anzuſchaffen, die jeder Landwirth ſelbſt verfertigen koͤnnte, wenn die Weit-
laͤuftigkeit des Feldbaues ihm Zeit und Muße dazu uͤbrig ließe. Der Kaufmann,
der Handwerksmann, der Kuͤnſtler, muͤſſen alle eben ſo arbeitſam ſeyn, um
dem Landmanne das Korn und Brod wieder abzuverdienen. Wie iſt hingegen
beym Tahitier das alles ſo ganz anders! wie gluͤcklich, wie ruhig lebt nicht
der! Zwey oder drey Brodfruchtbaͤume, die beynahe ohne alle Handanlegung
fortkommen, und faſt eben ſo lange tragen, als der, welcher ſie gepflanzt hat, le-
ben kann; drey ſolche Baͤume ſind hinreichend, ihm drey Viertheile des Jah-
res hindurch, Brod und Unterhalt zu geben! Was er davon nicht friſch
weg eſſen kann, wird geſaͤuert, und als ein geſundes, wohlſchmeckendes Nah-
rungsmittel, fuͤr die uͤbrigen Monathe aufbewahret. Selbſt diejenigen Pflan-
zen, welche auf Tahiti die mehreſte Cultur erfordern, naͤmlich der Papyr-
Maulbeerbaum
und die Arumwurzeln, koſten einem Tahitier nicht
mehr Arbeit, als uns unſer Kohl- oder andrer Gartenbau. Die ganze

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[84/0096] Forſter’s Reiſe um die Welt ſolchen Muͤhſeligkeiten, eben ſolchen Nachtwachen und Gefahren, als er kaum uͤberſtanden hatte, von neuem wieder entgegen zu gehen. Sollte es ihm aber auch wirklich gegluͤckt ſeyn, auf eine oder die andere Art zum ruhigen Genuß des Lebens zu gelangen; ſo mußte er doch immer beſorgen, mitten in ſeinen Freuden, gewaltſamer weiſe zum Dienſt geworben, und wider ſei- nen Willen zum Streit fuͤrs Vaterland gezwungen zu werden, mithin, ent- weder ſein Leben in der Bluͤthe ſeiner Jahre zu verlieren, oder das trau- rige Schickſal eines elenden Kruͤppels zu haben. Geſetzt aber, er haͤtte das alles vermeiden koͤnnen, ſo mußte er ſich in England doch wenigſtens dahin bequemen, ſein taͤgliches Brod im Schweiß ſeines Angeſichts zu verdie- nen, und die Wuͤrkung jenes allgemeinen Fluches zu empfinden, die Tahiti nicht erreicht zu haben ſcheint, oder wenigſtens faſt gar nicht daſelbſt gefuͤhlet wird. Unſer gemeines Volk iſt nun einmal zu lauter Plackereyen und zu beſtaͤndigen Arbeiten beſtimmt. Ehe man den geringſten Gebrauch vom Kor- ne machen kann, muß erſt gepfluͤgt, geerndtet, gedroſchen und gemahlen, ja es muß hundertmal mehr davon gebauet werden, als der Ackersmann ſelbſt verbrauchen kann, theils um das Vieh zu erhalten, ohne deſſen Huͤlfe kein Feldbau beſtehet, theils auch, um das Ackergeraͤth und viel andre Dinge da- fuͤr anzuſchaffen, die jeder Landwirth ſelbſt verfertigen koͤnnte, wenn die Weit- laͤuftigkeit des Feldbaues ihm Zeit und Muße dazu uͤbrig ließe. Der Kaufmann, der Handwerksmann, der Kuͤnſtler, muͤſſen alle eben ſo arbeitſam ſeyn, um dem Landmanne das Korn und Brod wieder abzuverdienen. Wie iſt hingegen beym Tahitier das alles ſo ganz anders! wie gluͤcklich, wie ruhig lebt nicht der! Zwey oder drey Brodfruchtbaͤume, die beynahe ohne alle Handanlegung fortkommen, und faſt eben ſo lange tragen, als der, welcher ſie gepflanzt hat, le- ben kann; drey ſolche Baͤume ſind hinreichend, ihm drey Viertheile des Jah- res hindurch, Brod und Unterhalt zu geben! Was er davon nicht friſch weg eſſen kann, wird geſaͤuert, und als ein geſundes, wohlſchmeckendes Nah- rungsmittel, fuͤr die uͤbrigen Monathe aufbewahret. Selbſt diejenigen Pflan- zen, welche auf Tahiti die mehreſte Cultur erfordern, naͤmlich der Papyr- Maulbeerbaum und die Arumwurzeln, koſten einem Tahitier nicht mehr Arbeit, als uns unſer Kohl- oder andrer Gartenbau. Die ganze 1774. May.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/96>, abgerufen am 03.10.2024.