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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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Forster's Reise um die Welt
1774.
Decem-
ber.
richtig. Herr von Bougainville hat sie auf seiner Reise um die Welt, auch
angetroffen. Sie gehen in diesen unbewohnten Gegenden an Land, um ihre
Jungen zu werfen, fressen aber, so lange sie außer dem Wasser sind, nichts, wenn
gleich ihr Aufenthalt am Strande oft etliche Wochen lang dauert; statt aller
Nahrung verschlucken sie alsdann eine Anzahl Steine, um den Magen wenig-
stens anzufüllen, werden aber natürlicher weise ganz abgezehrt. Bey einigen
fand man den Mangen gänzlich leer, bey andern hingegen mit zehn bis zwölf run-
den schweren Steinen angefüllt, deren jeder ein paar Fäuste gros war *).

Nachdem die See-Löwen den Strand gänzlich geräumt hatten, stiegen
wir auf die obere Ebene des Eilandes, die, gleich einem Felde voller
Maulwurfshügel mit kleinen Höckern wie besäet war. Auf jeder von diesen
Erhöhungen sproßte eine Grasart (dactylis glomerata) in einem großen
dicken Busche auf. Die Vertiefungen oder Zwischenräume zwischen den Hü-
geln waren voller Koth, so daß wir immer von einem Höcker zum andern
springen mußten. Es hielt sich hier eine andere Gattung von See-Hunden
auf, die ohne Zweifel dadurch, daß sie naß aus der See herauf gekommen,
den Boden so kothig gemacht hatten. Eigentlich waren es See-Bären, der-
gleichen wir schon in Dusky-Bay, obgleich weder so häufig noch so groß an-
getroffen hatten. Was Steller von ihnen sagt, stimmt mit der Wahrheit
genau überein. Sie sind etwas kleiner als See-Löwen; die Männchen sek-
ten über acht oder neun Fuß lang und verhältnißweise dick. Das Haar ist
dunkelbraun mit sehr feinem Grau gesprengt, und durchaus weit länger als
beym See-Löwen, doch macht es keine Mähne aus. Sonst ist der ganze
Umriß des Körpers, so wie die Gestalt der Flossen, bey beyden Thierarten, völ-
lig einerlei. Sie bezeigten sich weit grimmiger als die See-Löwen, vornehm-
lich vertheidigten die Bärinnen ihre Jungen, und ließen sich eher neben densel-
ben todt schlagen, als daß sie davon gelaufen wären. Auf eben diesem Eilan-
de gab es auch eine große Anzahl Geyer (vultur aura) die bey den Matrosen

*) Beauchesne Gouin, der französische Seefahrer hat bereits eben diese Bemerkung gemacht,
und fügt hinzu, "die Steine hatten den Anschein, als ob sie schon zum Theil verdauet
"wären. --" Ich zweifle indessen, ob der geneigte Leser dies werde verdauen können?
Des Brosses Navig. aux Terres Aust. Vol. II. p. 114.

Forſter’s Reiſe um die Welt
1774.
Decem-
ber.
richtig. Herr von Bougainville hat ſie auf ſeiner Reiſe um die Welt, auch
angetroffen. Sie gehen in dieſen unbewohnten Gegenden an Land, um ihre
Jungen zu werfen, freſſen aber, ſo lange ſie außer dem Waſſer ſind, nichts, wenn
gleich ihr Aufenthalt am Strande oft etliche Wochen lang dauert; ſtatt aller
Nahrung verſchlucken ſie alsdann eine Anzahl Steine, um den Magen wenig-
ſtens anzufuͤllen, werden aber natuͤrlicher weiſe ganz abgezehrt. Bey einigen
fand man den Mangen gaͤnzlich leer, bey andern hingegen mit zehn bis zwoͤlf run-
den ſchweren Steinen angefuͤllt, deren jeder ein paar Faͤuſte gros war *).

Nachdem die See-Loͤwen den Strand gaͤnzlich geraͤumt hatten, ſtiegen
wir auf die obere Ebene des Eilandes, die, gleich einem Felde voller
Maulwurfshuͤgel mit kleinen Hoͤckern wie beſaͤet war. Auf jeder von dieſen
Erhoͤhungen ſproßte eine Grasart (dactylis glomerata) in einem großen
dicken Buſche auf. Die Vertiefungen oder Zwiſchenraͤume zwiſchen den Huͤ-
geln waren voller Koth, ſo daß wir immer von einem Hoͤcker zum andern
ſpringen mußten. Es hielt ſich hier eine andere Gattung von See-Hunden
auf, die ohne Zweifel dadurch, daß ſie naß aus der See herauf gekommen,
den Boden ſo kothig gemacht hatten. Eigentlich waren es See-Baͤren, der-
gleichen wir ſchon in Dusky-Bay, obgleich weder ſo haͤufig noch ſo groß an-
getroffen hatten. Was Steller von ihnen ſagt, ſtimmt mit der Wahrheit
genau uͤberein. Sie ſind etwas kleiner als See-Loͤwen; die Maͤnnchen ſek-
ten uͤber acht oder neun Fuß lang und verhaͤltnißweiſe dick. Das Haar iſt
dunkelbraun mit ſehr feinem Grau geſprengt, und durchaus weit laͤnger als
beym See-Loͤwen, doch macht es keine Maͤhne aus. Sonſt iſt der ganze
Umriß des Koͤrpers, ſo wie die Geſtalt der Floſſen, bey beyden Thierarten, voͤl-
lig einerlei. Sie bezeigten ſich weit grimmiger als die See-Loͤwen, vornehm-
lich vertheidigten die Baͤrinnen ihre Jungen, und ließen ſich eher neben denſel-
ben todt ſchlagen, als daß ſie davon gelaufen waͤren. Auf eben dieſem Eilan-
de gab es auch eine große Anzahl Geyer (vultur aura) die bey den Matroſen

*) Beauchesne Gouin, der franzoͤſiſche Seefahrer hat bereits eben dieſe Bemerkung gemacht,
und fuͤgt hinzu, „die Steine hatten den Anſchein, als ob ſie ſchon zum Theil verdauet
„waͤren. —“ Ich zweifle indeſſen, ob der geneigte Leſer dies werde verdauen koͤnnen?
Des Broſſes Navig. aux Terres Auſt. Vol. II. p. 114.
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[404/0422] Forſter’s Reiſe um die Welt richtig. Herr von Bougainville hat ſie auf ſeiner Reiſe um die Welt, auch angetroffen. Sie gehen in dieſen unbewohnten Gegenden an Land, um ihre Jungen zu werfen, freſſen aber, ſo lange ſie außer dem Waſſer ſind, nichts, wenn gleich ihr Aufenthalt am Strande oft etliche Wochen lang dauert; ſtatt aller Nahrung verſchlucken ſie alsdann eine Anzahl Steine, um den Magen wenig- ſtens anzufuͤllen, werden aber natuͤrlicher weiſe ganz abgezehrt. Bey einigen fand man den Mangen gaͤnzlich leer, bey andern hingegen mit zehn bis zwoͤlf run- den ſchweren Steinen angefuͤllt, deren jeder ein paar Faͤuſte gros war *). 1774. Decem- ber. Nachdem die See-Loͤwen den Strand gaͤnzlich geraͤumt hatten, ſtiegen wir auf die obere Ebene des Eilandes, die, gleich einem Felde voller Maulwurfshuͤgel mit kleinen Hoͤckern wie beſaͤet war. Auf jeder von dieſen Erhoͤhungen ſproßte eine Grasart (dactylis glomerata) in einem großen dicken Buſche auf. Die Vertiefungen oder Zwiſchenraͤume zwiſchen den Huͤ- geln waren voller Koth, ſo daß wir immer von einem Hoͤcker zum andern ſpringen mußten. Es hielt ſich hier eine andere Gattung von See-Hunden auf, die ohne Zweifel dadurch, daß ſie naß aus der See herauf gekommen, den Boden ſo kothig gemacht hatten. Eigentlich waren es See-Baͤren, der- gleichen wir ſchon in Dusky-Bay, obgleich weder ſo haͤufig noch ſo groß an- getroffen hatten. Was Steller von ihnen ſagt, ſtimmt mit der Wahrheit genau uͤberein. Sie ſind etwas kleiner als See-Loͤwen; die Maͤnnchen ſek- ten uͤber acht oder neun Fuß lang und verhaͤltnißweiſe dick. Das Haar iſt dunkelbraun mit ſehr feinem Grau geſprengt, und durchaus weit laͤnger als beym See-Loͤwen, doch macht es keine Maͤhne aus. Sonſt iſt der ganze Umriß des Koͤrpers, ſo wie die Geſtalt der Floſſen, bey beyden Thierarten, voͤl- lig einerlei. Sie bezeigten ſich weit grimmiger als die See-Loͤwen, vornehm- lich vertheidigten die Baͤrinnen ihre Jungen, und ließen ſich eher neben denſel- ben todt ſchlagen, als daß ſie davon gelaufen waͤren. Auf eben dieſem Eilan- de gab es auch eine große Anzahl Geyer (vultur aura) die bey den Matroſen *) Beauchesne Gouin, der franzoͤſiſche Seefahrer hat bereits eben dieſe Bemerkung gemacht, und fuͤgt hinzu, „die Steine hatten den Anſchein, als ob ſie ſchon zum Theil verdauet „waͤren. —“ Ich zweifle indeſſen, ob der geneigte Leſer dies werde verdauen koͤnnen? Des Broſſes Navig. aux Terres Auſt. Vol. II. p. 114.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/422>, abgerufen am 20.05.2024.