Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.in den Jahren 1772 bis 1775. nachdem ihm Capitain Cook die Schweine überliefert hatte, lies sich's ein jeder1774.Septem- ber. von uns, nach dem geringen Maas seiner Sprachkenntniß, angelegen seyn, dem guten Hibai begreiflich zu machen, daß die Fortpflanzung dieser Thiere, ihm, mit der Zeit, beständige und reichliche Nahrung und Unterhalt verschaffen würde, daß sie also um deswillen sorgfältig verpflegt und am Leben erhalten zu werden verdienten. Er sowohl als seine Familie waren beym ersten An- blick dieser fremden Geschöpfe höchlich erstaunt, bezeigten aber auch so viel Furcht und Abscheu dafür, daß sie uns durch Zeichen baten, solche wie- der mit uns zu nehmen. Wir verdoppelten deshalb unsre Bemühungen sie eines bessern zu bereden, und bewogen sie auch endlich die Thiere bey sich zu behalten. Ihr Wiederwille konnte uns indessen nicht befrem- den, denn das Schwein ist allerdings nichts weniger als schön von Gestalt, und Leute die dergleichen nie gesehen, können wohl natürlicherweise keinen Ge- fallen daran finden. Der Mensch muß ursprünglich gewiß durch Noth zum Fleischessen gebracht worden seyn; denn, einer Creatur das Leben nehmen, ist etwas gewaltsames, und kann nicht anders als durch eine sehr dringende Ursach in kalte Gewohnheit übergehn. Haben aber die ersten Fleischesser die Wahl gehabt; Mittel ihre Erkenntniß zu erweitern auf eine Weise benommen worden, die sich nur von dem rohesten, uncivilisirtesten Volke erwarten ließe? Gleichwohl ist nichts gewisser, als daß ein Reisender im Orient, bey den Ruinen Egyptens und Palä- stinä, von dem heißhungrigen Eigennutz der Beduinen und andern Araber, nicht ärger geplagt und geplackt seyn kann, als wir's waren. Jede Entdeckung die wir zu machen suchten, wurde nicht anders als ein Schatz und als ein Fund angesehen, um dessen willen jedermann Ursach zu haben glaubte uns zu beneiden. Indessen ist aus diesem Betragen, für die Gelehrsamkeit wenigstens Ein Vortheil erwachsen. Können wir nemlich schon nur wenig geben, so haben wir doch das, was wir geben, alles mit eignen Augen gesehen, und wollen Bürge dafür seyn! Wären nicht auf dem Schiffe wenigstens einige Edlerdenkende gewesen, deren uneigennützige Liebe für die Wissenschaften der unsrigen manchmal entgegen kam; so hätten wir, wahr- scheinlicherweise, ganz unthätige und unnütze Opfer der Scheelsucht und der Bos- heit werden müßen, die oft selbst durch die ausdrücklichsten Befehle des Capitain Cook nicht in Schranken gehalten werden konnte! Sollte ich noch mit einem Wort den wahren Grund dieses Neids angeben; so würde ich sagen: wir waren Deutsche. T t 2
in den Jahren 1772 bis 1775. nachdem ihm Capitain Cook die Schweine uͤberliefert hatte, lies ſich’s ein jeder1774.Septem- ber. von uns, nach dem geringen Maas ſeiner Sprachkenntniß, angelegen ſeyn, dem guten Hibai begreiflich zu machen, daß die Fortpflanzung dieſer Thiere, ihm, mit der Zeit, beſtaͤndige und reichliche Nahrung und Unterhalt verſchaffen wuͤrde, daß ſie alſo um deswillen ſorgfaͤltig verpflegt und am Leben erhalten zu werden verdienten. Er ſowohl als ſeine Familie waren beym erſten An- blick dieſer fremden Geſchoͤpfe hoͤchlich erſtaunt, bezeigten aber auch ſo viel Furcht und Abſcheu dafuͤr, daß ſie uns durch Zeichen baten, ſolche wie- der mit uns zu nehmen. Wir verdoppelten deshalb unſre Bemuͤhungen ſie eines beſſern zu bereden, und bewogen ſie auch endlich die Thiere bey ſich zu behalten. Ihr Wiederwille konnte uns indeſſen nicht befrem- den, denn das Schwein iſt allerdings nichts weniger als ſchoͤn von Geſtalt, und Leute die dergleichen nie geſehen, koͤnnen wohl natuͤrlicherweiſe keinen Ge- fallen daran finden. Der Menſch muß urſpruͤnglich gewiß durch Noth zum Fleiſcheſſen gebracht worden ſeyn; denn, einer Creatur das Leben nehmen, iſt etwas gewaltſames, und kann nicht anders als durch eine ſehr dringende Urſach in kalte Gewohnheit uͤbergehn. Haben aber die erſten Fleiſcheſſer die Wahl gehabt; Mittel ihre Erkenntniß zu erweitern auf eine Weiſe benommen worden, die ſich nur von dem roheſten, unciviliſirteſten Volke erwarten ließe? Gleichwohl iſt nichts gewiſſer, als daß ein Reiſender im Orient, bey den Ruinen Egyptens und Palaͤ- ſtinaͤ, von dem heißhungrigen Eigennutz der Beduinen und andern Araber, nicht aͤrger geplagt und geplackt ſeyn kann, als wir’s waren. Jede Entdeckung die wir zu machen ſuchten, wurde nicht anders als ein Schatz und als ein Fund angeſehen, um deſſen willen jedermann Urſach zu haben glaubte uns zu beneiden. Indeſſen iſt aus dieſem Betragen, fuͤr die Gelehrſamkeit wenigſtens Ein Vortheil erwachſen. Koͤnnen wir nemlich ſchon nur wenig geben, ſo haben wir doch das, was wir geben, alles mit eignen Augen geſehen, und wollen Buͤrge dafuͤr ſeyn! Waͤren nicht auf dem Schiffe wenigſtens einige Edlerdenkende geweſen, deren uneigennuͤtzige Liebe fuͤr die Wiſſenſchaften der unſrigen manchmal entgegen kam; ſo haͤtten wir, wahr- ſcheinlicherweiſe, ganz unthaͤtige und unnuͤtze Opfer der Scheelſucht und der Bos- heit werden muͤßen, die oft ſelbſt durch die ausdruͤcklichſten Befehle des Capitain Cook nicht in Schranken gehalten werden konnte! Sollte ich noch mit einem Wort den wahren Grund dieſes Neids angeben; ſo wuͤrde ich ſagen: wir waren Deutſche. T t 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0347" n="331"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi></fw><lb/> nachdem ihm Capitain <hi rendition="#fr"><persName>Cook</persName></hi> die Schweine uͤberliefert hatte, lies ſich’s ein jeder<note place="right">1774.<lb/> Septem-<lb/> ber.</note><lb/> von uns, nach dem geringen Maas ſeiner Sprachkenntniß, angelegen ſeyn,<lb/> dem guten <hi rendition="#fr"><persName>Hibai</persName></hi> begreiflich zu machen, daß die Fortpflanzung dieſer Thiere,<lb/> ihm, mit der Zeit, beſtaͤndige und reichliche Nahrung und Unterhalt verſchaffen<lb/> wuͤrde, daß ſie alſo um deswillen ſorgfaͤltig verpflegt und am Leben erhalten zu<lb/> werden verdienten. Er ſowohl als ſeine Familie waren beym erſten An-<lb/> blick dieſer fremden Geſchoͤpfe hoͤchlich erſtaunt, bezeigten aber auch ſo viel<lb/> Furcht und Abſcheu dafuͤr, daß ſie uns durch Zeichen baten, ſolche wie-<lb/> der mit uns zu nehmen. Wir verdoppelten deshalb unſre Bemuͤhungen<lb/> ſie eines beſſern zu bereden, und bewogen ſie auch endlich die Thiere<lb/> bey ſich zu behalten. Ihr Wiederwille konnte uns indeſſen nicht befrem-<lb/> den, denn das Schwein iſt allerdings nichts weniger als ſchoͤn von Geſtalt,<lb/> und Leute die dergleichen nie geſehen, koͤnnen wohl natuͤrlicherweiſe keinen Ge-<lb/> fallen daran finden. Der Menſch muß urſpruͤnglich gewiß <hi rendition="#fr">durch Noth</hi> zum<lb/> Fleiſcheſſen gebracht worden ſeyn; denn, einer Creatur das Leben nehmen, iſt<lb/> etwas gewaltſames, und kann nicht anders als durch eine ſehr dringende Urſach in<lb/> kalte Gewohnheit uͤbergehn. Haben aber die erſten Fleiſcheſſer die Wahl gehabt;<lb/> <fw place="bottom" type="sig">T t 2</fw><lb/><note xml:id="note-0347" prev="#note-0346" place="foot" n="*)">Mittel ihre Erkenntniß zu erweitern auf eine Weiſe benommen worden, die ſich<lb/> nur von dem roheſten, unciviliſirteſten Volke erwarten ließe? Gleichwohl iſt nichts<lb/> gewiſſer, als daß ein Reiſender im Orient, bey den Ruinen <placeName>Egyptens</placeName> und <placeName>Palaͤ-<lb/> ſtinaͤ</placeName>, von dem heißhungrigen Eigennutz der Beduinen und andern Araber, nicht<lb/> aͤrger geplagt und geplackt ſeyn kann, als wir’s waren. Jede Entdeckung die wir zu<lb/> machen ſuchten, wurde nicht anders als ein Schatz und als ein Fund angeſehen, um<lb/> deſſen willen jedermann Urſach zu haben glaubte uns zu beneiden. Indeſſen iſt aus<lb/> dieſem Betragen, fuͤr die Gelehrſamkeit wenigſtens Ein Vortheil erwachſen. Koͤnnen<lb/> wir nemlich ſchon nur wenig geben, ſo haben wir doch das, was wir geben, alles<lb/> mit eignen Augen geſehen, und wollen Buͤrge dafuͤr ſeyn! Waͤren nicht auf dem<lb/> Schiffe wenigſtens einige Edlerdenkende geweſen, deren uneigennuͤtzige Liebe fuͤr<lb/> die Wiſſenſchaften der unſrigen manchmal entgegen kam; ſo haͤtten wir, wahr-<lb/> ſcheinlicherweiſe, ganz unthaͤtige und unnuͤtze Opfer der Scheelſucht und der Bos-<lb/> heit werden muͤßen, die oft ſelbſt durch die ausdruͤcklichſten Befehle des Capitain<lb/><hi rendition="#fr"><persName>Cook</persName></hi> nicht in Schranken gehalten werden konnte! Sollte ich noch mit einem<lb/> Wort den wahren Grund dieſes Neids angeben; ſo wuͤrde ich ſagen: wir waren<lb/> Deutſche.</note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [331/0347]
in den Jahren 1772 bis 1775.
nachdem ihm Capitain Cook die Schweine uͤberliefert hatte, lies ſich’s ein jeder
von uns, nach dem geringen Maas ſeiner Sprachkenntniß, angelegen ſeyn,
dem guten Hibai begreiflich zu machen, daß die Fortpflanzung dieſer Thiere,
ihm, mit der Zeit, beſtaͤndige und reichliche Nahrung und Unterhalt verſchaffen
wuͤrde, daß ſie alſo um deswillen ſorgfaͤltig verpflegt und am Leben erhalten zu
werden verdienten. Er ſowohl als ſeine Familie waren beym erſten An-
blick dieſer fremden Geſchoͤpfe hoͤchlich erſtaunt, bezeigten aber auch ſo viel
Furcht und Abſcheu dafuͤr, daß ſie uns durch Zeichen baten, ſolche wie-
der mit uns zu nehmen. Wir verdoppelten deshalb unſre Bemuͤhungen
ſie eines beſſern zu bereden, und bewogen ſie auch endlich die Thiere
bey ſich zu behalten. Ihr Wiederwille konnte uns indeſſen nicht befrem-
den, denn das Schwein iſt allerdings nichts weniger als ſchoͤn von Geſtalt,
und Leute die dergleichen nie geſehen, koͤnnen wohl natuͤrlicherweiſe keinen Ge-
fallen daran finden. Der Menſch muß urſpruͤnglich gewiß durch Noth zum
Fleiſcheſſen gebracht worden ſeyn; denn, einer Creatur das Leben nehmen, iſt
etwas gewaltſames, und kann nicht anders als durch eine ſehr dringende Urſach in
kalte Gewohnheit uͤbergehn. Haben aber die erſten Fleiſcheſſer die Wahl gehabt;
*)
1774.
Septem-
ber.
*) Mittel ihre Erkenntniß zu erweitern auf eine Weiſe benommen worden, die ſich
nur von dem roheſten, unciviliſirteſten Volke erwarten ließe? Gleichwohl iſt nichts
gewiſſer, als daß ein Reiſender im Orient, bey den Ruinen Egyptens und Palaͤ-
ſtinaͤ, von dem heißhungrigen Eigennutz der Beduinen und andern Araber, nicht
aͤrger geplagt und geplackt ſeyn kann, als wir’s waren. Jede Entdeckung die wir zu
machen ſuchten, wurde nicht anders als ein Schatz und als ein Fund angeſehen, um
deſſen willen jedermann Urſach zu haben glaubte uns zu beneiden. Indeſſen iſt aus
dieſem Betragen, fuͤr die Gelehrſamkeit wenigſtens Ein Vortheil erwachſen. Koͤnnen
wir nemlich ſchon nur wenig geben, ſo haben wir doch das, was wir geben, alles
mit eignen Augen geſehen, und wollen Buͤrge dafuͤr ſeyn! Waͤren nicht auf dem
Schiffe wenigſtens einige Edlerdenkende geweſen, deren uneigennuͤtzige Liebe fuͤr
die Wiſſenſchaften der unſrigen manchmal entgegen kam; ſo haͤtten wir, wahr-
ſcheinlicherweiſe, ganz unthaͤtige und unnuͤtze Opfer der Scheelſucht und der Bos-
heit werden muͤßen, die oft ſelbſt durch die ausdruͤcklichſten Befehle des Capitain
Cook nicht in Schranken gehalten werden konnte! Sollte ich noch mit einem
Wort den wahren Grund dieſes Neids angeben; ſo wuͤrde ich ſagen: wir waren
Deutſche.
T t 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |