Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.in den Jahren 1772 bis 1775. ebenfalls verliefen, und vermuthlich nach Hause zurück kehrten. Zween derselben1774.Septem- ber. nahmen ihren Weg längst dem Strande hin, mußten aber die äußerste Mühe an- wenden, um sich zwischen den dicht verwachsnen Manglebäumen durchzuarbei- ten. Da wir sahen, daß es den armen Schelmen ungemein sauer ward; so ruderten wir zu ihnen hin und nahmen sie ins Boot. Diese Erleichterung ließen sie sich ganz wohl gefallen; als wir ohngefähr zwo Meilen zurückgelegt haben mogten, zeigten sie uns eine Einfahrt zwischen den Mangle-Bäumen, welches die Mündung eines Flußes zu seyn schien. Das Wasser war daselbst tief genug, um mit dem Boote fortzukommen, wir liefen also hinein, ruderten den schlän- gelnden Krümmungen eine Weile nach und fanden endlich, daß dieser Weg zu einem Wohnplatz der Indianer führte. Etliche derselben standen auf der einen Seite des Ufers, und waren Zeugen, wie ich eine Ente schoß, davon eben ein großer Schwarm über uns weg flog: ich schenkte sie einem von den bey- den Indianern, die wir an Bord hatten, weil er besonders große Lust dazu äus- serte. Sie schienen sich zwar über die Wirkung des Feuer-Gewehrs allerseits zu wundern, jedoch im geringsten nicht dafür zu erschrecken. Dies bestätigte sich auch, als wir wenig Augenblicke nachher Gelegenheit fanden von neuem nach Vögeln zu schießen, und es war uns überaus angenehm, daß wir ihnen auf eine so schickliche und unschuldige Art zeigen konnten, was für Gewalt uns das Schießgewehr über sie gebe. Endlich landeten wir an einer Stelle, wo der Fluß kaum zwölf Fuß breit seyn mochte. Das Ufer reichte ohngefähr nur zwey Fuß über das Wasser, indem die Fluth jetzt beynahe aufs höchste stand. Hier wohnten ein paar Familien, die mit Weib und Kindern, ganz vertraulich, zu uns kamen, ohne Argwohn oder Unwillen über einen so fremden Besuch blicken zu lassen. Die Weiber waren größtentheils Kastanienbraun auch wohl noch dunkler, so wie Mahoganyholz, dabey selten von mehr denn mittler Statur, aber durchgehends stark und zum theil plump gebaut. Was sie vollends verunstaltete, war ihre Tracht, die nicht häßlicher seyn konnte. Man stelle sich einen kurzen Rock vor, der aus unzähligen Fäden oder vielmehr achtzölligen, an einen langen Strick be- festigten, Schnüren bestand. Dieser Strick ward etliche mahl um die Hüften ge- wickelt, so, daß die kurzen Schnüre schichtenweis über einander zu liegen ka- men, folglich, von der Mitte des Leibes an, gleichsam ein dichtes Strohdach Forster's Reise u. die W. zweyter Th. Q q
in den Jahren 1772 bis 1775. ebenfalls verliefen, und vermuthlich nach Hauſe zuruͤck kehrten. Zween derſelben1774.Septem- ber. nahmen ihren Weg laͤngſt dem Strande hin, mußten aber die aͤußerſte Muͤhe an- wenden, um ſich zwiſchen den dicht verwachsnen Manglebaͤumen durchzuarbei- ten. Da wir ſahen, daß es den armen Schelmen ungemein ſauer ward; ſo ruderten wir zu ihnen hin und nahmen ſie ins Boot. Dieſe Erleichterung ließen ſie ſich ganz wohl gefallen; als wir ohngefaͤhr zwo Meilen zuruͤckgelegt haben mogten, zeigten ſie uns eine Einfahrt zwiſchen den Mangle-Baͤumen, welches die Muͤndung eines Flußes zu ſeyn ſchien. Das Waſſer war daſelbſt tief genug, um mit dem Boote fortzukommen, wir liefen alſo hinein, ruderten den ſchlaͤn- gelnden Kruͤmmungen eine Weile nach und fanden endlich, daß dieſer Weg zu einem Wohnplatz der Indianer fuͤhrte. Etliche derſelben ſtanden auf der einen Seite des Ufers, und waren Zeugen, wie ich eine Ente ſchoß, davon eben ein großer Schwarm uͤber uns weg flog: ich ſchenkte ſie einem von den bey- den Indianern, die wir an Bord hatten, weil er beſonders große Luſt dazu aͤuſ- ſerte. Sie ſchienen ſich zwar uͤber die Wirkung des Feuer-Gewehrs allerſeits zu wundern, jedoch im geringſten nicht dafuͤr zu erſchrecken. Dies beſtaͤtigte ſich auch, als wir wenig Augenblicke nachher Gelegenheit fanden von neuem nach Voͤgeln zu ſchießen, und es war uns uͤberaus angenehm, daß wir ihnen auf eine ſo ſchickliche und unſchuldige Art zeigen konnten, was fuͤr Gewalt uns das Schießgewehr uͤber ſie gebe. Endlich landeten wir an einer Stelle, wo der Fluß kaum zwoͤlf Fuß breit ſeyn mochte. Das Ufer reichte ohngefaͤhr nur zwey Fuß uͤber das Waſſer, indem die Fluth jetzt beynahe aufs hoͤchſte ſtand. Hier wohnten ein paar Familien, die mit Weib und Kindern, ganz vertraulich, zu uns kamen, ohne Argwohn oder Unwillen uͤber einen ſo fremden Beſuch blicken zu laſſen. Die Weiber waren groͤßtentheils Kaſtanienbraun auch wohl noch dunkler, ſo wie Mahoganyholz, dabey ſelten von mehr denn mittler Statur, aber durchgehends ſtark und zum theil plump gebaut. Was ſie vollends verunſtaltete, war ihre Tracht, die nicht haͤßlicher ſeyn konnte. Man ſtelle ſich einen kurzen Rock vor, der aus unzaͤhligen Faͤden oder vielmehr achtzoͤlligen, an einen langen Strick be- feſtigten, Schnuͤren beſtand. Dieſer Strick ward etliche mahl um die Huͤften ge- wickelt, ſo, daß die kurzen Schnuͤre ſchichtenweis uͤber einander zu liegen ka- men, folglich, von der Mitte des Leibes an, gleichſam ein dichtes Strohdach Forſter’s Reiſe u. die W. zweyter Th. Q q
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0321" n="305"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi></fw><lb/> ebenfalls verliefen, und vermuthlich nach Hauſe zuruͤck kehrten. Zween derſelben<note place="right">1774.<lb/> Septem-<lb/> ber.</note><lb/> nahmen ihren Weg laͤngſt dem Strande hin, mußten aber die aͤußerſte Muͤhe an-<lb/> wenden, um ſich zwiſchen den dicht verwachsnen Manglebaͤumen durchzuarbei-<lb/> ten. Da wir ſahen, daß es den armen Schelmen ungemein ſauer ward; ſo<lb/> ruderten wir zu ihnen hin und nahmen ſie ins Boot. Dieſe Erleichterung ließen<lb/> ſie ſich ganz wohl gefallen; als wir ohngefaͤhr zwo Meilen zuruͤckgelegt haben<lb/> mogten, zeigten ſie uns eine Einfahrt zwiſchen den Mangle-Baͤumen, welches<lb/> die Muͤndung eines Flußes zu ſeyn ſchien. Das Waſſer war daſelbſt tief genug,<lb/> um mit dem Boote fortzukommen, wir liefen alſo hinein, ruderten den ſchlaͤn-<lb/> gelnden Kruͤmmungen eine Weile nach und fanden endlich, daß dieſer Weg<lb/> zu einem Wohnplatz der Indianer fuͤhrte. Etliche derſelben ſtanden auf der<lb/> einen Seite des Ufers, und waren Zeugen, wie ich eine Ente ſchoß, davon<lb/> eben ein großer Schwarm uͤber uns weg flog: ich ſchenkte ſie einem von den bey-<lb/> den Indianern, die wir an Bord hatten, weil er beſonders große Luſt dazu aͤuſ-<lb/> ſerte. Sie ſchienen ſich zwar uͤber die Wirkung des Feuer-Gewehrs allerſeits<lb/> zu wundern, jedoch im geringſten nicht dafuͤr zu erſchrecken. Dies beſtaͤtigte<lb/> ſich auch, als wir wenig Augenblicke nachher Gelegenheit fanden von neuem<lb/> nach Voͤgeln zu ſchießen, und es war uns uͤberaus angenehm, daß wir ihnen<lb/> auf eine ſo ſchickliche und unſchuldige Art zeigen konnten, was fuͤr Gewalt uns<lb/> das Schießgewehr uͤber ſie gebe. Endlich landeten wir an einer Stelle, wo der<lb/> Fluß kaum zwoͤlf Fuß breit ſeyn mochte. Das Ufer reichte ohngefaͤhr nur zwey<lb/> Fuß uͤber das Waſſer, indem die Fluth jetzt beynahe aufs hoͤchſte ſtand. Hier<lb/> wohnten ein paar Familien, die mit Weib und Kindern, ganz vertraulich, zu uns<lb/> kamen, ohne Argwohn oder Unwillen uͤber einen ſo fremden Beſuch blicken zu laſſen.<lb/> Die Weiber waren groͤßtentheils Kaſtanienbraun auch wohl noch dunkler, ſo wie<lb/> Mahoganyholz, dabey ſelten von mehr denn mittler Statur, aber durchgehends<lb/> ſtark und zum theil plump gebaut. Was ſie vollends verunſtaltete, war ihre<lb/> Tracht, die nicht haͤßlicher ſeyn konnte. Man ſtelle ſich einen kurzen Rock vor,<lb/> der aus unzaͤhligen Faͤden oder vielmehr achtzoͤlligen, an einen langen Strick be-<lb/> feſtigten, Schnuͤren beſtand. Dieſer Strick ward etliche mahl um die Huͤften ge-<lb/> wickelt, ſo, daß die kurzen Schnuͤre ſchichtenweis uͤber einander zu liegen ka-<lb/> men, folglich, von der Mitte des Leibes an, gleichſam ein dichtes Strohdach<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe u. die W. zweyter Th.</hi> Q q</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [305/0321]
in den Jahren 1772 bis 1775.
ebenfalls verliefen, und vermuthlich nach Hauſe zuruͤck kehrten. Zween derſelben
nahmen ihren Weg laͤngſt dem Strande hin, mußten aber die aͤußerſte Muͤhe an-
wenden, um ſich zwiſchen den dicht verwachsnen Manglebaͤumen durchzuarbei-
ten. Da wir ſahen, daß es den armen Schelmen ungemein ſauer ward; ſo
ruderten wir zu ihnen hin und nahmen ſie ins Boot. Dieſe Erleichterung ließen
ſie ſich ganz wohl gefallen; als wir ohngefaͤhr zwo Meilen zuruͤckgelegt haben
mogten, zeigten ſie uns eine Einfahrt zwiſchen den Mangle-Baͤumen, welches
die Muͤndung eines Flußes zu ſeyn ſchien. Das Waſſer war daſelbſt tief genug,
um mit dem Boote fortzukommen, wir liefen alſo hinein, ruderten den ſchlaͤn-
gelnden Kruͤmmungen eine Weile nach und fanden endlich, daß dieſer Weg
zu einem Wohnplatz der Indianer fuͤhrte. Etliche derſelben ſtanden auf der
einen Seite des Ufers, und waren Zeugen, wie ich eine Ente ſchoß, davon
eben ein großer Schwarm uͤber uns weg flog: ich ſchenkte ſie einem von den bey-
den Indianern, die wir an Bord hatten, weil er beſonders große Luſt dazu aͤuſ-
ſerte. Sie ſchienen ſich zwar uͤber die Wirkung des Feuer-Gewehrs allerſeits
zu wundern, jedoch im geringſten nicht dafuͤr zu erſchrecken. Dies beſtaͤtigte
ſich auch, als wir wenig Augenblicke nachher Gelegenheit fanden von neuem
nach Voͤgeln zu ſchießen, und es war uns uͤberaus angenehm, daß wir ihnen
auf eine ſo ſchickliche und unſchuldige Art zeigen konnten, was fuͤr Gewalt uns
das Schießgewehr uͤber ſie gebe. Endlich landeten wir an einer Stelle, wo der
Fluß kaum zwoͤlf Fuß breit ſeyn mochte. Das Ufer reichte ohngefaͤhr nur zwey
Fuß uͤber das Waſſer, indem die Fluth jetzt beynahe aufs hoͤchſte ſtand. Hier
wohnten ein paar Familien, die mit Weib und Kindern, ganz vertraulich, zu uns
kamen, ohne Argwohn oder Unwillen uͤber einen ſo fremden Beſuch blicken zu laſſen.
Die Weiber waren groͤßtentheils Kaſtanienbraun auch wohl noch dunkler, ſo wie
Mahoganyholz, dabey ſelten von mehr denn mittler Statur, aber durchgehends
ſtark und zum theil plump gebaut. Was ſie vollends verunſtaltete, war ihre
Tracht, die nicht haͤßlicher ſeyn konnte. Man ſtelle ſich einen kurzen Rock vor,
der aus unzaͤhligen Faͤden oder vielmehr achtzoͤlligen, an einen langen Strick be-
feſtigten, Schnuͤren beſtand. Dieſer Strick ward etliche mahl um die Huͤften ge-
wickelt, ſo, daß die kurzen Schnuͤre ſchichtenweis uͤber einander zu liegen ka-
men, folglich, von der Mitte des Leibes an, gleichſam ein dichtes Strohdach
1774.
Septem-
ber.
Forſter’s Reiſe u. die W. zweyter Th. Q q
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |