Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.Forster's Reise um die Welt 1774. August. Ohnerachtet im vorhergehenden angemerkt worden, daß die Tanneser Wir beschenkten unsre indianischen Freunde, so gut wir konnten, giengen *) Dem deutschen Leser, der Engelland blos aus englischen Romanen kennt und beurtheilt,
muß ich hier mit einer kleinen Anmerkung zu Hülfe kommen. Mich dünkt, ich höre ihn fragen, ob es, in dem Lande das sich so viel auf seine Gastfreyheit zu gute thut, wohl einer solchen Distinction bedürfe, als in obiger Stelle vorkommt? -- Man gehe in das erste beste Londner Wirthshaus, und leite das Gespräch auf Gastfreyheit; ich wette, je- der ungereiste Engeländer, und das ist der große Haufe, wird sagen: give me Old Eng- land for hospitality, there you may have every thing for Your money -- "Gott ehr' mir mein gastfreyes Vaterland, da kann man für sein baares Geld haben, was man will." Forſter’s Reiſe um die Welt 1774. Auguſt. Ohnerachtet im vorhergehenden angemerkt worden, daß die Tanneſer Wir beſchenkten unſre indianiſchen Freunde, ſo gut wir konnten, giengen *) Dem deutſchen Leſer, der Engelland blos aus engliſchen Romanen kennt und beurtheilt,
muß ich hier mit einer kleinen Anmerkung zu Huͤlfe kommen. Mich duͤnkt, ich hoͤre ihn fragen, ob es, in dem Lande das ſich ſo viel auf ſeine Gaſtfreyheit zu gute thut, wohl einer ſolchen Diſtinction beduͤrfe, als in obiger Stelle vorkommt? — Man gehe in das erſte beſte Londner Wirthshaus, und leite das Geſpraͤch auf Gaſtfreyheit; ich wette, je- der ungereiſte Engelaͤnder, und das iſt der große Haufe, wird ſagen: give me Old Eng- land for hospitality, there you may have every thing for Your money — „Gott ehr’ mir mein gaſtfreyes Vaterland, da kann man fuͤr ſein baares Geld haben, was man will.„ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0268" n="254"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi> </fw><lb/> <note place="left">1774.<lb/> Auguſt.</note> <p>Ohnerachtet im vorhergehenden angemerkt worden, daß die <hi rendition="#fr">Tanneſer</hi><lb/> von mißtrauiſcher und rachſuͤchtiger Gemuͤthsart ſind; ſo kann ich ihnen doch bey<lb/> alledem einen gewiſſen Grad von Gutherzigkeit und menſchenfreundlichem We-<lb/> ſen keineswegs abſprechen. Jene ſcheint ihnen nicht ſowohl von Natur eigen, ſondern<lb/> vielmehr eine Folge ihrer unablaͤßigen Kriege zu ſeyn, um deren willen ſie faſt<lb/> in ſteter Lebensgefahr ſeyn moͤgen. In dieſer Vermuthung beſtaͤrkt mich ihr<lb/> Betragen gegen uns. Sie giengen naͤmlich nicht laͤnger ſo vorſichtig und zu-<lb/> ruͤckhaltend mit uns um, als bis ſie uͤberzeugt waren, daß wir in keiner feind-<lb/> ſeligen Abſicht zu ihnen kamen. Zwar ließen ſie ſich nicht ſo leicht und viel<lb/> als die <hi rendition="#fr">Tahitier</hi>, mit uns in Handel ein; allein das ruͤhrte daher, weil ſie nicht<lb/> ſo wohlhabend waren als dieſe, uͤberdem beſteht ja auch die Gaſtfreyheit nicht<lb/> darinn, daß man das uͤberfluͤßige gegen etwas noͤthiges vertauſcht?<note place="foot" n="*)">Dem deutſchen Leſer, der <placeName>Engelland</placeName> blos aus engliſchen Romanen kennt und beurtheilt,<lb/> muß ich hier mit einer kleinen Anmerkung zu Huͤlfe kommen. Mich duͤnkt, ich hoͤre ihn<lb/> fragen, ob es, in dem Lande das ſich ſo viel auf ſeine Gaſtfreyheit zu gute thut, wohl<lb/> einer ſolchen Diſtinction beduͤrfe, als in obiger Stelle vorkommt? — Man gehe in das<lb/> erſte beſte Londner Wirthshaus, und leite das Geſpraͤch auf Gaſtfreyheit; ich wette, je-<lb/> der ungereiſte Engelaͤnder, und das iſt der große Haufe, wird ſagen: <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">give me Old <placeName>Eng-<lb/> land</placeName> for</hi> hospitality, <hi rendition="#i">there you may have every thing for Your money</hi></hi> — „Gott ehr’<lb/> mir mein gaſtfreyes Vaterland, da kann man fuͤr ſein baares Geld haben, was man will.„</note>.</p><lb/> <p>Wir beſchenkten unſre indianiſchen Freunde, ſo gut wir konnten, giengen<lb/> hierauf nach den Strand zuruͤck, und hielten uns daſelbſt noch eine Zeitlang<lb/> bey den anweſenden Indianern auf. Unter denſelben befand ſich eine groͤßere<lb/> Anzahl Frauensperſonen, als wir hier je beyſammen geſehn hatten; die mehreſten<lb/> mußten verheyrathet ſeyn, denn ſie trugen, in Matten-Saͤcken, Kinder auf dem<lb/> Ruͤcken. Einige fuͤhrten auch in Koͤrben aus Ruthen geflochten, eine<lb/> Bruth junger Huͤner, oder aber Yambo’s und Feigen bey ſich, und boten uns<lb/> beydes zum Verkauf an. Eine von dieſen Frauen hatte auch einen ganzen<lb/> Korb voll gruͤner Orangen, da doch wir, auf allen unſern Spatziergaͤn-<lb/> gen, nicht einen einzigen Orangebaum zu Geſicht bekommen. Indeſſen war es<lb/> uns angenehm, auf dieſe Art wenigſtens gelegentlich zu erfahren, daß ſo wohl<lb/> hier als zu <hi rendition="#fr"><placeName>Mallicollo</placeName></hi> Orangen wachſen, denn daraus laͤßt ſich abnehmen, daß<lb/> dergleichen auch auf den uͤbrigen dazwiſchen liegenden Eilanden vorhanden ſeyn<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [254/0268]
Forſter’s Reiſe um die Welt
Ohnerachtet im vorhergehenden angemerkt worden, daß die Tanneſer
von mißtrauiſcher und rachſuͤchtiger Gemuͤthsart ſind; ſo kann ich ihnen doch bey
alledem einen gewiſſen Grad von Gutherzigkeit und menſchenfreundlichem We-
ſen keineswegs abſprechen. Jene ſcheint ihnen nicht ſowohl von Natur eigen, ſondern
vielmehr eine Folge ihrer unablaͤßigen Kriege zu ſeyn, um deren willen ſie faſt
in ſteter Lebensgefahr ſeyn moͤgen. In dieſer Vermuthung beſtaͤrkt mich ihr
Betragen gegen uns. Sie giengen naͤmlich nicht laͤnger ſo vorſichtig und zu-
ruͤckhaltend mit uns um, als bis ſie uͤberzeugt waren, daß wir in keiner feind-
ſeligen Abſicht zu ihnen kamen. Zwar ließen ſie ſich nicht ſo leicht und viel
als die Tahitier, mit uns in Handel ein; allein das ruͤhrte daher, weil ſie nicht
ſo wohlhabend waren als dieſe, uͤberdem beſteht ja auch die Gaſtfreyheit nicht
darinn, daß man das uͤberfluͤßige gegen etwas noͤthiges vertauſcht? *).
Wir beſchenkten unſre indianiſchen Freunde, ſo gut wir konnten, giengen
hierauf nach den Strand zuruͤck, und hielten uns daſelbſt noch eine Zeitlang
bey den anweſenden Indianern auf. Unter denſelben befand ſich eine groͤßere
Anzahl Frauensperſonen, als wir hier je beyſammen geſehn hatten; die mehreſten
mußten verheyrathet ſeyn, denn ſie trugen, in Matten-Saͤcken, Kinder auf dem
Ruͤcken. Einige fuͤhrten auch in Koͤrben aus Ruthen geflochten, eine
Bruth junger Huͤner, oder aber Yambo’s und Feigen bey ſich, und boten uns
beydes zum Verkauf an. Eine von dieſen Frauen hatte auch einen ganzen
Korb voll gruͤner Orangen, da doch wir, auf allen unſern Spatziergaͤn-
gen, nicht einen einzigen Orangebaum zu Geſicht bekommen. Indeſſen war es
uns angenehm, auf dieſe Art wenigſtens gelegentlich zu erfahren, daß ſo wohl
hier als zu Mallicollo Orangen wachſen, denn daraus laͤßt ſich abnehmen, daß
dergleichen auch auf den uͤbrigen dazwiſchen liegenden Eilanden vorhanden ſeyn
*) Dem deutſchen Leſer, der Engelland blos aus engliſchen Romanen kennt und beurtheilt,
muß ich hier mit einer kleinen Anmerkung zu Huͤlfe kommen. Mich duͤnkt, ich hoͤre ihn
fragen, ob es, in dem Lande das ſich ſo viel auf ſeine Gaſtfreyheit zu gute thut, wohl
einer ſolchen Diſtinction beduͤrfe, als in obiger Stelle vorkommt? — Man gehe in das
erſte beſte Londner Wirthshaus, und leite das Geſpraͤch auf Gaſtfreyheit; ich wette, je-
der ungereiſte Engelaͤnder, und das iſt der große Haufe, wird ſagen: give me Old Eng-
land for hospitality, there you may have every thing for Your money — „Gott ehr’
mir mein gaſtfreyes Vaterland, da kann man fuͤr ſein baares Geld haben, was man will.„
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