Sechstes Hauptstück. Nachrichten von unserm Aufenthalt zu Tanna, und Ab- reise von den neuen Hebridischen-Inseln.
Sobald das Schiff vor Anker lag, sahen wir mit vielem Vergnügen die1774. August. Einwohner aus allen Gegenden der Bay in ihren Canots herankommen, und in einiger Entfernung rund ums Schiff herum rudern. Sie waren durchge- hends mit Speeren, Keulen, Bogen und Pfeilen bewaffnet, schienen aber un- schlüssig, ob sie uns für Freunde oder für Feinde halten sollten? Endlich wagte sich doch hie und da einer heran, und reichte uns eine Yam-Wurzel, oder eine Cocosnuß aufs Verdeck, wofür er dann ein Gegengeschenk bekam. In kurzer Zeit belief sich die Anzahl der Canots auf siebzehn; davon einige mit zwey und zwanzig, andre mit zehn, sieben, fünf, und die kleinsten nur mit zwey Mann be- setzt waren; so daß sich in allem mehr als zweyhundert Indianer um uns her befan- den. Mit unter ließen sie einzelne Worte von sich hören, als ob sie uns um et- was befragten. Wenn wir aber in Tahitischer, oder Mallicolesischer Sprache antworteten; so widerhohlten sie diese Worte, ohne das Geringste davon zu ver- stehen. Nach und nach verlohr sich der erste Eindruck, den unsre Gegenwart auf sie gemacht zu haben schien, und sie kamen endlich ganz unbesorgt dicht ans Schiff heran. Vom Hintertheil desselben hatten wir in einem kleinen Hand-Netze ein Stück Pökelfleisch in die See herabgelassen, welches unsre gewöhnliche Art war es auszuwässern. An dieses Netz machte sich ein alter Kerl von den Einwoh- nern, und würde es los geknüpft haben, wenn wir ihm nicht ernstlich zugerufen hätten, da er denn augenblicklich davon abstand. Dafür drohte uns aber ein andrer mit seinem Speer, und ein dritter legte einen Pfeil auf seinem Bogen zurecht, und zielte damit nach unterschiednen Personen auf dem Verdecke. Capitain Cook hielt dafür, daß es jetzt die rechte Zeit seyn würde, eine Kanone abzufeuern, um den Insulanern einen Begriff von unsrer Uebermacht beyzubringen, und al- len Feindseligkeiten auf einmal vorzubeugen. Er winkte ihnen deshalb zu, daß sie, ihrer eigenen Sicherheit wegen, auf die Seite rudern sollten. Ich besorgte, daß die Wilden diesen gebieterisch scheinenden Wink übel auslegen, oder
in den Jahren 1772 bis 1775.
Sechſtes Hauptſtuͤck. Nachrichten von unſerm Aufenthalt zu Tanna, und Ab- reiſe von den neuen Hebridiſchen-Inſeln.
Sobald das Schiff vor Anker lag, ſahen wir mit vielem Vergnuͤgen die1774. Auguſt. Einwohner aus allen Gegenden der Bay in ihren Canots herankommen, und in einiger Entfernung rund ums Schiff herum rudern. Sie waren durchge- hends mit Speeren, Keulen, Bogen und Pfeilen bewaffnet, ſchienen aber un- ſchluͤſſig, ob ſie uns fuͤr Freunde oder fuͤr Feinde halten ſollten? Endlich wagte ſich doch hie und da einer heran, und reichte uns eine Yam-Wurzel, oder eine Cocosnuß aufs Verdeck, wofuͤr er dann ein Gegengeſchenk bekam. In kurzer Zeit belief ſich die Anzahl der Canots auf ſiebzehn; davon einige mit zwey und zwanzig, andre mit zehn, ſieben, fuͤnf, und die kleinſten nur mit zwey Mann be- ſetzt waren; ſo daß ſich in allem mehr als zweyhundert Indianer um uns her befan- den. Mit unter ließen ſie einzelne Worte von ſich hoͤren, als ob ſie uns um et- was befragten. Wenn wir aber in Tahitiſcher, oder Mallicoleſiſcher Sprache antworteten; ſo widerhohlten ſie dieſe Worte, ohne das Geringſte davon zu ver- ſtehen. Nach und nach verlohr ſich der erſte Eindruck, den unſre Gegenwart auf ſie gemacht zu haben ſchien, und ſie kamen endlich ganz unbeſorgt dicht ans Schiff heran. Vom Hintertheil deſſelben hatten wir in einem kleinen Hand-Netze ein Stuͤck Poͤkelfleiſch in die See herabgelaſſen, welches unſre gewoͤhnliche Art war es auszuwaͤſſern. An dieſes Netz machte ſich ein alter Kerl von den Einwoh- nern, und wuͤrde es los geknuͤpft haben, wenn wir ihm nicht ernſtlich zugerufen haͤtten, da er denn augenblicklich davon abſtand. Dafuͤr drohte uns aber ein andrer mit ſeinem Speer, und ein dritter legte einen Pfeil auf ſeinem Bogen zurecht, und zielte damit nach unterſchiednen Perſonen auf dem Verdecke. Capitain Cook hielt dafuͤr, daß es jetzt die rechte Zeit ſeyn wuͤrde, eine Kanone abzufeuern, um den Inſulanern einen Begriff von unſrer Uebermacht beyzubringen, und al- len Feindſeligkeiten auf einmal vorzubeugen. Er winkte ihnen deshalb zu, daß ſie, ihrer eigenen Sicherheit wegen, auf die Seite rudern ſollten. Ich beſorgte, daß die Wilden dieſen gebieteriſch ſcheinenden Wink uͤbel auslegen, oder
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in den Jahren 1772 bis 1775.
Sechſtes Hauptſtuͤck.
Nachrichten von unſerm Aufenthalt zu Tanna, und Ab-
reiſe von den neuen Hebridiſchen-Inſeln.
Sobald das Schiff vor Anker lag, ſahen wir mit vielem Vergnuͤgen die
Einwohner aus allen Gegenden der Bay in ihren Canots herankommen, und
in einiger Entfernung rund ums Schiff herum rudern. Sie waren durchge-
hends mit Speeren, Keulen, Bogen und Pfeilen bewaffnet, ſchienen aber un-
ſchluͤſſig, ob ſie uns fuͤr Freunde oder fuͤr Feinde halten ſollten? Endlich wagte
ſich doch hie und da einer heran, und reichte uns eine Yam-Wurzel,
oder eine Cocosnuß aufs Verdeck, wofuͤr er dann ein Gegengeſchenk bekam. In
kurzer Zeit belief ſich die Anzahl der Canots auf ſiebzehn; davon einige mit zwey und
zwanzig, andre mit zehn, ſieben, fuͤnf, und die kleinſten nur mit zwey Mann be-
ſetzt waren; ſo daß ſich in allem mehr als zweyhundert Indianer um uns her befan-
den. Mit unter ließen ſie einzelne Worte von ſich hoͤren, als ob ſie uns um et-
was befragten. Wenn wir aber in Tahitiſcher, oder Mallicoleſiſcher Sprache
antworteten; ſo widerhohlten ſie dieſe Worte, ohne das Geringſte davon zu ver-
ſtehen. Nach und nach verlohr ſich der erſte Eindruck, den unſre Gegenwart auf
ſie gemacht zu haben ſchien, und ſie kamen endlich ganz unbeſorgt dicht ans Schiff
heran. Vom Hintertheil deſſelben hatten wir in einem kleinen Hand-Netze ein
Stuͤck Poͤkelfleiſch in die See herabgelaſſen, welches unſre gewoͤhnliche Art war
es auszuwaͤſſern. An dieſes Netz machte ſich ein alter Kerl von den Einwoh-
nern, und wuͤrde es los geknuͤpft haben, wenn wir ihm nicht ernſtlich zugerufen
haͤtten, da er denn augenblicklich davon abſtand. Dafuͤr drohte uns aber ein
andrer mit ſeinem Speer, und ein dritter legte einen Pfeil auf ſeinem Bogen
zurecht, und zielte damit nach unterſchiednen Perſonen auf dem Verdecke. Capitain
Cook hielt dafuͤr, daß es jetzt die rechte Zeit ſeyn wuͤrde, eine Kanone abzufeuern, um
den Inſulanern einen Begriff von unſrer Uebermacht beyzubringen, und al-
len Feindſeligkeiten auf einmal vorzubeugen. Er winkte ihnen deshalb zu, daß
ſie, ihrer eigenen Sicherheit wegen, auf die Seite rudern ſollten. Ich beſorgte,
daß die Wilden dieſen gebieteriſch ſcheinenden Wink uͤbel auslegen, oder
1774.
Auguſt.
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/221>, abgerufen am 24.11.2024.
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