1774. Julius.soll es eine dritte Gattung daselbst geben, die vielleicht aus einer Vermischung der Negern mit den minder schwarzen entstanden seyn kann.
Der schlanken Leibesgestalt nach, lassen sich die Mallicoleser auch mit den Einwohnern von Neu-Holland vergleichen, sonst aber sind sie gänzlich von denselben unterschieden. Es ist eine seltsame und meines Wissens ganz ei- genthümliche Gewohnheit dieses Volkes, sich den Unterleib mit einem Stricke so fest einzuschnüren, daß jemand, der nicht von Kindesbeinen an diese Mode gewohnt ist, sich die äußerste Ungemächlichkeit, ja vielleicht gar Nachtheil der Gesundheit da- durch zuziehen würde. Der Strick, den sie dazu gebrauchen, ist ohngefähr Fingers dick und macht oberhalb dem Nabel einen sehr tiefen Einschnitt, derge- stalt, daß der Unterleib gleichsam aus zweyen unterschiedenen, auf einander gesetzten Stücken zu bestehen scheint. Der obere Theil des Arms ist durch ein sehr enges Armband, in seiner Art eben so fest und vermuthlich auch aus eben der Absicht, eingeschnürt, als der Unterleib. Dergleichen Armbänder müssen sie, ohne Zweifel, schon in der Jugend anlegen, und so damit aufwachsen. Ihre Gesichtszüge sind zwar ungemein häßlich, doch ist viel Munterkeit, Leben und der Ausdruck einer schnellen Gelehrigkeit darinn vorhanden. Dem Unter- theile des Gesichts und namentlich den Lippen nach, sind sie von den africani- schen Negern ganz unterschieden; der Obertheil des Gesichts hingegen, besonders die Nase, ist eben so gestaltet, das Haar auch eben so wolligt und kraus. Die eingedrückte Stirn ist vielleicht nicht von Natur, sondern durch die Hand der Mütter so geformet, weil der Kopf eines neugebohrnen Kindes bekanntermaaßen alle beliebige Figuren annimmt. So giebt es z. B. auf dem festen Lande von Amerika einige Völkerschaften, welche die Köpfe ihrer Kinder der Gestalt der Sonne, des Mondes oder andrer Körper ähnlich zu machen suchen. In Malli- collo gehet indessen dies Eindrücken des Vorkopfes nicht so weit, daß die natürli- che Häßlichkeit der Gesichtsbildung dadurch noch auffallender würde. Das Clima ist auf dieser und den benachbarten Inseln sehr warm, mag aber nicht immer so gemäßigt seyn als zu Tahiti, weil Mallicollo von weit größerm Umfange ist. Doch hatten wie uns, während unseres kurzen Aufenthalts allhier, eben nicht über ausnehmende Hitze zu beschweren. Das Thermometer stand auf 76. und 78. Grad, welches im heißen Himmelsstrich noch sehr leidlich ist. In
Forſter’s Reiſe um die Welt
1774. Julius.ſoll es eine dritte Gattung daſelbſt geben, die vielleicht aus einer Vermiſchung der Negern mit den minder ſchwarzen entſtanden ſeyn kann.
Der ſchlanken Leibesgeſtalt nach, laſſen ſich die Mallicoleſer auch mit den Einwohnern von Neu-Holland vergleichen, ſonſt aber ſind ſie gaͤnzlich von denſelben unterſchieden. Es iſt eine ſeltſame und meines Wiſſens ganz ei- genthuͤmliche Gewohnheit dieſes Volkes, ſich den Unterleib mit einem Stricke ſo feſt einzuſchnuͤren, daß jemand, der nicht von Kindesbeinen an dieſe Mode gewohnt iſt, ſich die aͤußerſte Ungemaͤchlichkeit, ja vielleicht gar Nachtheil der Geſundheit da- durch zuziehen wuͤrde. Der Strick, den ſie dazu gebrauchen, iſt ohngefaͤhr Fingers dick und macht oberhalb dem Nabel einen ſehr tiefen Einſchnitt, derge- ſtalt, daß der Unterleib gleichſam aus zweyen unterſchiedenen, auf einander geſetzten Stuͤcken zu beſtehen ſcheint. Der obere Theil des Arms iſt durch ein ſehr enges Armband, in ſeiner Art eben ſo feſt und vermuthlich auch aus eben der Abſicht, eingeſchnuͤrt, als der Unterleib. Dergleichen Armbaͤnder muͤſſen ſie, ohne Zweifel, ſchon in der Jugend anlegen, und ſo damit aufwachſen. Ihre Geſichtszuͤge ſind zwar ungemein haͤßlich, doch iſt viel Munterkeit, Leben und der Ausdruck einer ſchnellen Gelehrigkeit darinn vorhanden. Dem Unter- theile des Geſichts und namentlich den Lippen nach, ſind ſie von den africani- ſchen Negern ganz unterſchieden; der Obertheil des Geſichts hingegen, beſonders die Naſe, iſt eben ſo geſtaltet, das Haar auch eben ſo wolligt und kraus. Die eingedruͤckte Stirn iſt vielleicht nicht von Natur, ſondern durch die Hand der Muͤtter ſo geformet, weil der Kopf eines neugebohrnen Kindes bekanntermaaßen alle beliebige Figuren annimmt. So giebt es z. B. auf dem feſten Lande von Amerika einige Voͤlkerſchaften, welche die Koͤpfe ihrer Kinder der Geſtalt der Sonne, des Mondes oder andrer Koͤrper aͤhnlich zu machen ſuchen. In Malli- collo gehet indeſſen dies Eindruͤcken des Vorkopfes nicht ſo weit, daß die natuͤrli- che Haͤßlichkeit der Geſichtsbildung dadurch noch auffallender wuͤrde. Das Clima iſt auf dieſer und den benachbarten Inſeln ſehr warm, mag aber nicht immer ſo gemaͤßigt ſeyn als zu Tahiti, weil Mallicollo von weit groͤßerm Umfange iſt. Doch hatten wie uns, waͤhrend unſeres kurzen Aufenthalts allhier, eben nicht uͤber ausnehmende Hitze zu beſchweren. Das Thermometer ſtand auf 76. und 78. Grad, welches im heißen Himmelsſtrich noch ſehr leidlich iſt. In
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Forſter’s Reiſe um die Welt
ſoll es eine dritte Gattung daſelbſt geben, die vielleicht aus einer Vermiſchung
der Negern mit den minder ſchwarzen entſtanden ſeyn kann.
1774.
Julius.
Der ſchlanken Leibesgeſtalt nach, laſſen ſich die Mallicoleſer auch mit
den Einwohnern von Neu-Holland vergleichen, ſonſt aber ſind ſie gaͤnzlich
von denſelben unterſchieden. Es iſt eine ſeltſame und meines Wiſſens ganz ei-
genthuͤmliche Gewohnheit dieſes Volkes, ſich den Unterleib mit einem Stricke ſo feſt
einzuſchnuͤren, daß jemand, der nicht von Kindesbeinen an dieſe Mode gewohnt iſt,
ſich die aͤußerſte Ungemaͤchlichkeit, ja vielleicht gar Nachtheil der Geſundheit da-
durch zuziehen wuͤrde. Der Strick, den ſie dazu gebrauchen, iſt ohngefaͤhr
Fingers dick und macht oberhalb dem Nabel einen ſehr tiefen Einſchnitt, derge-
ſtalt, daß der Unterleib gleichſam aus zweyen unterſchiedenen, auf einander
geſetzten Stuͤcken zu beſtehen ſcheint. Der obere Theil des Arms iſt durch ein
ſehr enges Armband, in ſeiner Art eben ſo feſt und vermuthlich auch aus eben
der Abſicht, eingeſchnuͤrt, als der Unterleib. Dergleichen Armbaͤnder muͤſſen
ſie, ohne Zweifel, ſchon in der Jugend anlegen, und ſo damit aufwachſen.
Ihre Geſichtszuͤge ſind zwar ungemein haͤßlich, doch iſt viel Munterkeit, Leben
und der Ausdruck einer ſchnellen Gelehrigkeit darinn vorhanden. Dem Unter-
theile des Geſichts und namentlich den Lippen nach, ſind ſie von den africani-
ſchen Negern ganz unterſchieden; der Obertheil des Geſichts hingegen, beſonders
die Naſe, iſt eben ſo geſtaltet, das Haar auch eben ſo wolligt und kraus. Die
eingedruͤckte Stirn iſt vielleicht nicht von Natur, ſondern durch die Hand der
Muͤtter ſo geformet, weil der Kopf eines neugebohrnen Kindes bekanntermaaßen
alle beliebige Figuren annimmt. So giebt es z. B. auf dem feſten Lande von
Amerika einige Voͤlkerſchaften, welche die Koͤpfe ihrer Kinder der Geſtalt der
Sonne, des Mondes oder andrer Koͤrper aͤhnlich zu machen ſuchen. In Malli-
collo gehet indeſſen dies Eindruͤcken des Vorkopfes nicht ſo weit, daß die natuͤrli-
che Haͤßlichkeit der Geſichtsbildung dadurch noch auffallender wuͤrde. Das Clima
iſt auf dieſer und den benachbarten Inſeln ſehr warm, mag aber nicht immer ſo
gemaͤßigt ſeyn als zu Tahiti, weil Mallicollo von weit groͤßerm Umfange
iſt. Doch hatten wie uns, waͤhrend unſeres kurzen Aufenthalts allhier, eben
nicht uͤber ausnehmende Hitze zu beſchweren. Das Thermometer ſtand auf 76.
und 78. Grad, welches im heißen Himmelsſtrich noch ſehr leidlich iſt. In
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/196>, abgerufen am 23.11.2024.
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