Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

Forster's Reise um die Welt
1774.
Junius.
rück. Um dieses hatten sich, in der Zwischenzeit, eine Menge Canots, voller
Frauensleute versammlet, die zur nähern Bekanntschaft mit unsern Matrosen,
allerseits große Lust bezeigten. Da aber der Capitain auf das strengste verord-
net hatte, daß keiner, der mit venerischen Krankheiten behaftet oder erst vor
kurzem davon geheilt war, ans Land gehen, auch schlechterdings keine
Frauensperson auf das Schiff gelassen werden sollte: So mußten all-
diese Dirnen, nachdem sie, lange genug vergebens, hin und her gerudert waren,
ganz unverrichteter Sachen wieder abziehen. Unmittelbar nach dem Frühstück,
gieng der Capitain Cook, Dr. Sparrmann, mein Vater und ich, ans Land,
wo die Einwohner große Vorräthe von Pompelmußen und Yamwurzeln zu
Markte brachten. Pisangs und Cocos-Nüsse waren sparsamer vorhanden,
und Brodfrucht noch seltner, ohnerachtet wir viel dergleichen Bäume antrafen.
Die Mannspersonen giengen hier fast gänzlich nackend; ein schmaler Streifen
Zeug um die Hüften, machte mehreutheils ihre ganze Kleidung aus, nur etli-
che wenige trugen, so wie durchgehends die Frauenspersonen, eine Art von Wei-
berrock, nemlich ein Stück gefärbtes, steifes Zeug von Baumrinde, welches in
der Gegend der Hüften einigemal um den Leib herumgeschlagen war und von da
bis auf die Füße reichte.

Kaum merkten die Insulaner, daß uns mit Lebensmitteln gedient sey, so
drängten sich ganze Schaaren von Verkäufern herbey, und überschrieen einan-
der beym Ausbieten ihrer Waaren dermaaßen, daß wir uns dem Getümmel
des Marktplatzes entzogen, und weiter ins Land hinauf zukommen suchten, dessen
fruchtbares Ansehen ungemein viel erwarten ließ. Das Erdreich brachte von
selbst eine Menge wilder Kräuter hervor, und die häufig angelegten Baumpflan-
zungen machten die ganze Insel durchaus einem Garten ähnlich. Die Plan-
tagen waren hier nicht so wie zu Tongatabu, auf allen Seiten, sondern nur
allein nach der öffentlichen Straße hin, eingehegt, mithin die Aussicht ungleich
freyer. Die inneren Gegenden der Insel sind durch verschiedene, mit Hecken
und Gesträuch bepflanzte Hügel verschönert, sonst aber macht der Boden aller
Orten eine gerade Ebene aus. Der Weg gieng über Wiesengrund, und war
zum Theil auf beyden Seiten mit hohen Bäumen besetzt, die ziemlich weit aus-
einander standen, zum Theil mit blühenden, schattichten und wohlriechenden

Forſter’s Reiſe um die Welt
1774.
Junius.
ruͤck. Um dieſes hatten ſich, in der Zwiſchenzeit, eine Menge Canots, voller
Frauensleute verſammlet, die zur naͤhern Bekanntſchaft mit unſern Matroſen,
allerſeits große Luſt bezeigten. Da aber der Capitain auf das ſtrengſte verord-
net hatte, daß keiner, der mit veneriſchen Krankheiten behaftet oder erſt vor
kurzem davon geheilt war, ans Land gehen, auch ſchlechterdings keine
Frauensperſon auf das Schiff gelaſſen werden ſollte: So mußten all-
dieſe Dirnen, nachdem ſie, lange genug vergebens, hin und her gerudert waren,
ganz unverrichteter Sachen wieder abziehen. Unmittelbar nach dem Fruͤhſtuͤck,
gieng der Capitain Cook, Dr. Sparrmann, mein Vater und ich, ans Land,
wo die Einwohner große Vorraͤthe von Pompelmußen und Yamwurzeln zu
Markte brachten. Piſangs und Cocos-Nuͤſſe waren ſparſamer vorhanden,
und Brodfrucht noch ſeltner, ohnerachtet wir viel dergleichen Baͤume antrafen.
Die Mannsperſonen giengen hier faſt gaͤnzlich nackend; ein ſchmaler Streifen
Zeug um die Huͤften, machte mehreutheils ihre ganze Kleidung aus, nur etli-
che wenige trugen, ſo wie durchgehends die Frauensperſonen, eine Art von Wei-
berrock, nemlich ein Stuͤck gefaͤrbtes, ſteifes Zeug von Baumrinde, welches in
der Gegend der Huͤften einigemal um den Leib herumgeſchlagen war und von da
bis auf die Fuͤße reichte.

Kaum merkten die Inſulaner, daß uns mit Lebensmitteln gedient ſey, ſo
draͤngten ſich ganze Schaaren von Verkaͤufern herbey, und uͤberſchrieen einan-
der beym Ausbieten ihrer Waaren dermaaßen, daß wir uns dem Getuͤmmel
des Marktplatzes entzogen, und weiter ins Land hinauf zukommen ſuchten, deſſen
fruchtbares Anſehen ungemein viel erwarten ließ. Das Erdreich brachte von
ſelbſt eine Menge wilder Kraͤuter hervor, und die haͤufig angelegten Baumpflan-
zungen machten die ganze Inſel durchaus einem Garten aͤhnlich. Die Plan-
tagen waren hier nicht ſo wie zu Tongatabu, auf allen Seiten, ſondern nur
allein nach der oͤffentlichen Straße hin, eingehegt, mithin die Ausſicht ungleich
freyer. Die inneren Gegenden der Inſel ſind durch verſchiedene, mit Hecken
und Geſtraͤuch bepflanzte Huͤgel verſchoͤnert, ſonſt aber macht der Boden aller
Orten eine gerade Ebene aus. Der Weg gieng uͤber Wieſengrund, und war
zum Theil auf beyden Seiten mit hohen Baͤumen beſetzt, die ziemlich weit aus-
einander ſtanden, zum Theil mit bluͤhenden, ſchattichten und wohlriechenden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0150" n="138"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1774.<lb/>
Junius.</note>ru&#x0364;ck. Um die&#x017F;es hatten &#x017F;ich, in der Zwi&#x017F;chenzeit, eine Menge Canots, voller<lb/>
Frauensleute ver&#x017F;ammlet, die zur na&#x0364;hern Bekannt&#x017F;chaft mit un&#x017F;ern Matro&#x017F;en,<lb/>
aller&#x017F;eits große Lu&#x017F;t bezeigten. Da aber der Capitain auf das &#x017F;treng&#x017F;te verord-<lb/>
net hatte, daß keiner, der mit veneri&#x017F;chen Krankheiten behaftet oder er&#x017F;t vor<lb/>
kurzem davon geheilt war, ans Land gehen, auch &#x017F;chlechterdings keine<lb/>
Frauensper&#x017F;on auf das Schiff gela&#x017F;&#x017F;en werden &#x017F;ollte: So mußten all-<lb/>
die&#x017F;e Dirnen, nachdem &#x017F;ie, lange genug vergebens, hin und her gerudert waren,<lb/>
ganz unverrichteter Sachen wieder abziehen. Unmittelbar nach dem Fru&#x0364;h&#x017F;tu&#x0364;ck,<lb/>
gieng der Capitain <hi rendition="#fr"><persName>Cook</persName></hi>, Dr. <hi rendition="#fr"><persName>Sparrmann</persName></hi>, mein Vater und ich, ans Land,<lb/>
wo die Einwohner große Vorra&#x0364;the von <hi rendition="#fr">Pompelmußen</hi> und <hi rendition="#fr">Yamwurzeln</hi> zu<lb/>
Markte brachten. <hi rendition="#fr">Pi&#x017F;angs</hi> und <hi rendition="#fr">Cocos-Nu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e</hi> waren &#x017F;par&#x017F;amer vorhanden,<lb/>
und <hi rendition="#fr">Brodfrucht</hi> noch &#x017F;eltner, ohnerachtet wir viel dergleichen Ba&#x0364;ume antrafen.<lb/>
Die Mannsper&#x017F;onen giengen hier fa&#x017F;t ga&#x0364;nzlich nackend; ein &#x017F;chmaler Streifen<lb/>
Zeug um die Hu&#x0364;ften, machte mehreutheils ihre ganze Kleidung aus, nur etli-<lb/>
che wenige trugen, &#x017F;o wie durchgehends die Frauensper&#x017F;onen, eine Art von Wei-<lb/>
berrock, nemlich ein Stu&#x0364;ck gefa&#x0364;rbtes, &#x017F;teifes Zeug von Baumrinde, welches in<lb/>
der Gegend der Hu&#x0364;ften einigemal um den Leib herumge&#x017F;chlagen war und von da<lb/>
bis auf die Fu&#x0364;ße reichte.</p><lb/>
        <p>Kaum merkten die In&#x017F;ulaner, daß uns mit Lebensmitteln gedient &#x017F;ey, &#x017F;o<lb/>
dra&#x0364;ngten &#x017F;ich ganze Schaaren von Verka&#x0364;ufern herbey, und u&#x0364;ber&#x017F;chrieen einan-<lb/>
der beym Ausbieten ihrer Waaren dermaaßen, daß wir uns dem Getu&#x0364;mmel<lb/>
des Marktplatzes entzogen, und weiter ins Land hinauf zukommen &#x017F;uchten, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
fruchtbares An&#x017F;ehen ungemein viel erwarten ließ. Das Erdreich brachte von<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t eine Menge wilder Kra&#x0364;uter hervor, und die ha&#x0364;ufig angelegten Baumpflan-<lb/>
zungen machten die ganze In&#x017F;el durchaus einem Garten a&#x0364;hnlich. Die Plan-<lb/>
tagen waren hier nicht &#x017F;o wie zu <hi rendition="#fr"><placeName>Tongatabu</placeName></hi>, auf allen Seiten, &#x017F;ondern nur<lb/>
allein nach der o&#x0364;ffentlichen Straße hin, eingehegt, mithin die Aus&#x017F;icht ungleich<lb/>
freyer. Die inneren Gegenden der In&#x017F;el &#x017F;ind durch ver&#x017F;chiedene, mit Hecken<lb/>
und Ge&#x017F;tra&#x0364;uch bepflanzte Hu&#x0364;gel ver&#x017F;cho&#x0364;nert, &#x017F;on&#x017F;t aber macht der Boden aller<lb/>
Orten eine gerade Ebene aus. Der Weg gieng u&#x0364;ber Wie&#x017F;engrund, und war<lb/>
zum Theil auf beyden Seiten mit hohen Ba&#x0364;umen be&#x017F;etzt, die ziemlich weit aus-<lb/>
einander &#x017F;tanden, zum Theil mit blu&#x0364;henden, &#x017F;chattichten und wohlriechenden<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0150] Forſter’s Reiſe um die Welt ruͤck. Um dieſes hatten ſich, in der Zwiſchenzeit, eine Menge Canots, voller Frauensleute verſammlet, die zur naͤhern Bekanntſchaft mit unſern Matroſen, allerſeits große Luſt bezeigten. Da aber der Capitain auf das ſtrengſte verord- net hatte, daß keiner, der mit veneriſchen Krankheiten behaftet oder erſt vor kurzem davon geheilt war, ans Land gehen, auch ſchlechterdings keine Frauensperſon auf das Schiff gelaſſen werden ſollte: So mußten all- dieſe Dirnen, nachdem ſie, lange genug vergebens, hin und her gerudert waren, ganz unverrichteter Sachen wieder abziehen. Unmittelbar nach dem Fruͤhſtuͤck, gieng der Capitain Cook, Dr. Sparrmann, mein Vater und ich, ans Land, wo die Einwohner große Vorraͤthe von Pompelmußen und Yamwurzeln zu Markte brachten. Piſangs und Cocos-Nuͤſſe waren ſparſamer vorhanden, und Brodfrucht noch ſeltner, ohnerachtet wir viel dergleichen Baͤume antrafen. Die Mannsperſonen giengen hier faſt gaͤnzlich nackend; ein ſchmaler Streifen Zeug um die Huͤften, machte mehreutheils ihre ganze Kleidung aus, nur etli- che wenige trugen, ſo wie durchgehends die Frauensperſonen, eine Art von Wei- berrock, nemlich ein Stuͤck gefaͤrbtes, ſteifes Zeug von Baumrinde, welches in der Gegend der Huͤften einigemal um den Leib herumgeſchlagen war und von da bis auf die Fuͤße reichte. 1774. Junius. Kaum merkten die Inſulaner, daß uns mit Lebensmitteln gedient ſey, ſo draͤngten ſich ganze Schaaren von Verkaͤufern herbey, und uͤberſchrieen einan- der beym Ausbieten ihrer Waaren dermaaßen, daß wir uns dem Getuͤmmel des Marktplatzes entzogen, und weiter ins Land hinauf zukommen ſuchten, deſſen fruchtbares Anſehen ungemein viel erwarten ließ. Das Erdreich brachte von ſelbſt eine Menge wilder Kraͤuter hervor, und die haͤufig angelegten Baumpflan- zungen machten die ganze Inſel durchaus einem Garten aͤhnlich. Die Plan- tagen waren hier nicht ſo wie zu Tongatabu, auf allen Seiten, ſondern nur allein nach der oͤffentlichen Straße hin, eingehegt, mithin die Ausſicht ungleich freyer. Die inneren Gegenden der Inſel ſind durch verſchiedene, mit Hecken und Geſtraͤuch bepflanzte Huͤgel verſchoͤnert, ſonſt aber macht der Boden aller Orten eine gerade Ebene aus. Der Weg gieng uͤber Wieſengrund, und war zum Theil auf beyden Seiten mit hohen Baͤumen beſetzt, die ziemlich weit aus- einander ſtanden, zum Theil mit bluͤhenden, ſchattichten und wohlriechenden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/150
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/150>, abgerufen am 11.05.2024.