Nachdem wir die ganze Nacht hindurch fortgesegelt waren, lag am fol-1774. May. genden Morgen die Insel Huaheine vor uns, und des Nachmittags kamen wir, in dem nördlichen Arme des Havens Warre, ohngefähr 50 Schritt weit vom Ufer vor Anker. Dieser geringen Entfernung vom Lande hatten wir manchen Besuch zu verdanken. Die Insulaner brachten zum Theil Schweine zum Ver- kauf, forderten aber Beile dafür, die nun schon so selten bey uns waren, daß wir sie für wichtigere Gelegenheiten aufsparen mußten. Ori, der Befehlshaber der Insel, kam vor Untergang der Sonnen in einem kleinen Canot ebenfalls zu uns, und brachte dem Capitain ein Schwein und einen Krieges-Brustschild, wofür ihm die- ser ein schickliches Gegengeschenk machte. Er überreichte auch noch einige Pfefferwurzeln, ohne jedoch die Ceremonien zu beobachten, die zur Zeit unsrer vormaligen Anwesenheit dabey statt gefunden hatten. *) Abends ward es gänz- lich windstill, und da das Schiff überaus nahe am Ufer lag; so konnten wir an dem häuslichen Abendzeitvertreib der Einwohner vom Bord her Antheil nehmen. Wir sahen mit Vergnügen zu, wie sie in den nächsten Hütten, um ihre Lich- ter, die aus öhligten, auf einen dünnen Stock gespießten Nüssen bestehen, ver- traulich her saßen und mit einander plauderten. Einer der ersten, der am folgen- den Tage an Bord kam, war Porea, der junge Bursche von Tahiti, welcher vor einigen Monathen mit uns gereiset und wieder Vermuthen zu Raietea geblie- ben war **). Er gestand uns, daß es blos zufälligerweise und ganz wieder seine Absicht geschehen sey. Ein hübsches Mädchen, mit welchem er sich in ein Liebes- verständniß eingelassen, habe ihn, gerade um die Zeit als er dem Capitain Cook das Pulverhorn so eilfertig abgeliefert, an einen gewissen Ort hin bestellt. Als er sich aber daselbst eingefunden, habe ihn, statt seiner Geliebten, der Vater dieser Schöne mit einigen handfesten Kerls erwartet, ihn derb abgeprügelt, seiner euro- päischen Kleider beraubt, und bis nach unsrer Abreise gefangen behalten. So bald er hierauf wieder in Freyheit gesetzt worden, sey er mit der ersten Gelegenheit hieher nach Huaheine gegangen. Die Gastfreyheit seiner hiesigen Freunde, mußte ihm ganz gut behagen, denn er war dick und fett davon geworden. Aus der kläglichen Ge- schichte des armen Porea, läßt sich meines Erachtens so viel abnehmen, daß die Töch- ter hier zu Lande, bey ihren Liebeshändeln, nicht immer nach eignem Wohlgefallen zu
*) S. im ersten Theil dieses Werks Seite 284.
**) Siehe ebendaselbst, Seite 309.
Forster's Reise u. d. W. zweyter Th. M
in den Jahren 1772 bis 1775.
Nachdem wir die ganze Nacht hindurch fortgeſegelt waren, lag am fol-1774. May. genden Morgen die Inſel Huaheine vor uns, und des Nachmittags kamen wir, in dem noͤrdlichen Arme des Havens Warre, ohngefaͤhr 50 Schritt weit vom Ufer vor Anker. Dieſer geringen Entfernung vom Lande hatten wir manchen Beſuch zu verdanken. Die Inſulaner brachten zum Theil Schweine zum Ver- kauf, forderten aber Beile dafuͤr, die nun ſchon ſo ſelten bey uns waren, daß wir ſie fuͤr wichtigere Gelegenheiten aufſparen mußten. Ori, der Befehlshaber der Inſel, kam vor Untergang der Sonnen in einem kleinen Canot ebenfalls zu uns, und brachte dem Capitain ein Schwein und einen Krieges-Bruſtſchild, wofuͤr ihm die- ſer ein ſchickliches Gegengeſchenk machte. Er uͤberreichte auch noch einige Pfefferwurzeln, ohne jedoch die Ceremonien zu beobachten, die zur Zeit unſrer vormaligen Anweſenheit dabey ſtatt gefunden hatten. *) Abends ward es gaͤnz- lich windſtill, und da das Schiff uͤberaus nahe am Ufer lag; ſo konnten wir an dem haͤuslichen Abendzeitvertreib der Einwohner vom Bord her Antheil nehmen. Wir ſahen mit Vergnuͤgen zu, wie ſie in den naͤchſten Huͤtten, um ihre Lich- ter, die aus oͤhligten, auf einen duͤnnen Stock geſpießten Nuͤſſen beſtehen, ver- traulich her ſaßen und mit einander plauderten. Einer der erſten, der am folgen- den Tage an Bord kam, war Porea, der junge Burſche von Tahiti, welcher vor einigen Monathen mit uns gereiſet und wieder Vermuthen zu Raietea geblie- ben war **). Er geſtand uns, daß es blos zufaͤlligerweiſe und ganz wieder ſeine Abſicht geſchehen ſey. Ein huͤbſches Maͤdchen, mit welchem er ſich in ein Liebes- verſtaͤndniß eingelaſſen, habe ihn, gerade um die Zeit als er dem Capitain Cook das Pulverhorn ſo eilfertig abgeliefert, an einen gewiſſen Ort hin beſtellt. Als er ſich aber daſelbſt eingefunden, habe ihn, ſtatt ſeiner Geliebten, der Vater dieſer Schoͤne mit einigen handfeſten Kerls erwartet, ihn derb abgepruͤgelt, ſeiner euro- paͤiſchen Kleider beraubt, und bis nach unſrer Abreiſe gefangen behalten. So bald er hierauf wieder in Freyheit geſetzt worden, ſey er mit der erſten Gelegenheit hieher nach Huaheine gegangen. Die Gaſtfreyheit ſeiner hieſigen Freunde, mußte ihm ganz gut behagen, denn er war dick und fett davon geworden. Aus der klaͤglichen Ge- ſchichte des armen Porea, laͤßt ſich meines Erachtens ſo viel abnehmen, daß die Toͤch- ter hier zu Lande, bey ihren Liebeshaͤndeln, nicht immer nach eignem Wohlgefallen zu
*) S. im erſten Theil dieſes Werks Seite 284.
**) Siehe ebendaſelbſt, Seite 309.
Forſter’s Reiſe u. d. W. zweyter Th. M
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0101"n="89"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi></fw><lb/><p>Nachdem wir die ganze Nacht hindurch fortgeſegelt waren, lag am fol-<noteplace="right">1774.<lb/>
May.</note><lb/>
genden Morgen die Inſel <hirendition="#fr"><placeName>Huaheine</placeName></hi> vor uns, und des Nachmittags kamen wir,<lb/>
in dem noͤrdlichen Arme des Havens <hirendition="#fr"><placeName>Warre</placeName>,</hi> ohngefaͤhr 50 Schritt weit vom<lb/>
Ufer vor Anker. Dieſer geringen Entfernung vom Lande hatten wir manchen<lb/>
Beſuch zu verdanken. Die Inſulaner brachten zum Theil Schweine zum Ver-<lb/>
kauf, forderten aber Beile dafuͤr, die nun ſchon ſo ſelten bey uns waren, daß wir<lb/>ſie fuͤr wichtigere Gelegenheiten aufſparen mußten. <hirendition="#fr"><persName>Ori</persName>,</hi> der Befehlshaber der<lb/>
Inſel, kam vor Untergang der Sonnen in einem kleinen Canot ebenfalls zu uns, und<lb/>
brachte dem Capitain ein Schwein und einen Krieges-Bruſtſchild, wofuͤr ihm die-<lb/>ſer ein ſchickliches Gegengeſchenk machte. Er uͤberreichte auch noch einige<lb/>
Pfefferwurzeln, ohne jedoch die Ceremonien zu beobachten, die zur Zeit unſrer<lb/>
vormaligen Anweſenheit dabey ſtatt gefunden hatten. <noteplace="foot"n="*)">S. im erſten Theil dieſes Werks Seite 284.</note> Abends ward es gaͤnz-<lb/>
lich windſtill, und da das Schiff uͤberaus nahe am Ufer lag; ſo konnten wir an<lb/>
dem haͤuslichen Abendzeitvertreib der Einwohner vom Bord her Antheil nehmen.<lb/>
Wir ſahen mit Vergnuͤgen zu, wie ſie in den naͤchſten Huͤtten, um ihre Lich-<lb/>
ter, die aus oͤhligten, auf einen duͤnnen Stock geſpießten Nuͤſſen beſtehen, ver-<lb/>
traulich her ſaßen und mit einander plauderten. Einer der erſten, der am folgen-<lb/>
den Tage an Bord kam, war <hirendition="#fr"><persName>Porea</persName>,</hi> der junge Burſche von <hirendition="#fr"><placeName>Tahiti</placeName>,</hi> welcher vor<lb/>
einigen Monathen mit uns gereiſet und wieder Vermuthen zu <hirendition="#fr"><placeName>Raietea</placeName></hi> geblie-<lb/>
ben war <noteplace="foot"n="**)">Siehe ebendaſelbſt, Seite 309.</note>. Er geſtand uns, daß es blos zufaͤlligerweiſe und ganz wieder ſeine<lb/>
Abſicht geſchehen ſey. Ein huͤbſches Maͤdchen, mit welchem er ſich in ein Liebes-<lb/>
verſtaͤndniß eingelaſſen, habe ihn, gerade um die Zeit als er dem Capitain <hirendition="#fr"><persName>Cook</persName></hi><lb/>
das Pulverhorn ſo eilfertig abgeliefert, an einen gewiſſen Ort hin beſtellt. Als<lb/>
er ſich aber daſelbſt eingefunden, habe ihn, ſtatt ſeiner Geliebten, der Vater dieſer<lb/>
Schoͤne mit einigen handfeſten Kerls erwartet, ihn derb abgepruͤgelt, ſeiner euro-<lb/>
paͤiſchen Kleider beraubt, und bis nach unſrer Abreiſe gefangen behalten. So bald<lb/>
er hierauf wieder in Freyheit geſetzt worden, ſey er mit der erſten Gelegenheit hieher<lb/>
nach <hirendition="#fr"><placeName>Huaheine</placeName></hi> gegangen. Die Gaſtfreyheit ſeiner hieſigen Freunde, mußte ihm<lb/>
ganz gut behagen, denn er war dick und fett davon geworden. Aus der klaͤglichen Ge-<lb/>ſchichte des armen <hirendition="#fr"><persName>Porea</persName>,</hi> laͤßt ſich meines Erachtens ſo viel abnehmen, daß die Toͤch-<lb/>
ter hier zu Lande, bey ihren Liebeshaͤndeln, nicht immer nach eignem Wohlgefallen zu<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe u. d. W. zweyter Th.</hi> M</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[89/0101]
in den Jahren 1772 bis 1775.
Nachdem wir die ganze Nacht hindurch fortgeſegelt waren, lag am fol-
genden Morgen die Inſel Huaheine vor uns, und des Nachmittags kamen wir,
in dem noͤrdlichen Arme des Havens Warre, ohngefaͤhr 50 Schritt weit vom
Ufer vor Anker. Dieſer geringen Entfernung vom Lande hatten wir manchen
Beſuch zu verdanken. Die Inſulaner brachten zum Theil Schweine zum Ver-
kauf, forderten aber Beile dafuͤr, die nun ſchon ſo ſelten bey uns waren, daß wir
ſie fuͤr wichtigere Gelegenheiten aufſparen mußten. Ori, der Befehlshaber der
Inſel, kam vor Untergang der Sonnen in einem kleinen Canot ebenfalls zu uns, und
brachte dem Capitain ein Schwein und einen Krieges-Bruſtſchild, wofuͤr ihm die-
ſer ein ſchickliches Gegengeſchenk machte. Er uͤberreichte auch noch einige
Pfefferwurzeln, ohne jedoch die Ceremonien zu beobachten, die zur Zeit unſrer
vormaligen Anweſenheit dabey ſtatt gefunden hatten. *) Abends ward es gaͤnz-
lich windſtill, und da das Schiff uͤberaus nahe am Ufer lag; ſo konnten wir an
dem haͤuslichen Abendzeitvertreib der Einwohner vom Bord her Antheil nehmen.
Wir ſahen mit Vergnuͤgen zu, wie ſie in den naͤchſten Huͤtten, um ihre Lich-
ter, die aus oͤhligten, auf einen duͤnnen Stock geſpießten Nuͤſſen beſtehen, ver-
traulich her ſaßen und mit einander plauderten. Einer der erſten, der am folgen-
den Tage an Bord kam, war Porea, der junge Burſche von Tahiti, welcher vor
einigen Monathen mit uns gereiſet und wieder Vermuthen zu Raietea geblie-
ben war **). Er geſtand uns, daß es blos zufaͤlligerweiſe und ganz wieder ſeine
Abſicht geſchehen ſey. Ein huͤbſches Maͤdchen, mit welchem er ſich in ein Liebes-
verſtaͤndniß eingelaſſen, habe ihn, gerade um die Zeit als er dem Capitain Cook
das Pulverhorn ſo eilfertig abgeliefert, an einen gewiſſen Ort hin beſtellt. Als
er ſich aber daſelbſt eingefunden, habe ihn, ſtatt ſeiner Geliebten, der Vater dieſer
Schoͤne mit einigen handfeſten Kerls erwartet, ihn derb abgepruͤgelt, ſeiner euro-
paͤiſchen Kleider beraubt, und bis nach unſrer Abreiſe gefangen behalten. So bald
er hierauf wieder in Freyheit geſetzt worden, ſey er mit der erſten Gelegenheit hieher
nach Huaheine gegangen. Die Gaſtfreyheit ſeiner hieſigen Freunde, mußte ihm
ganz gut behagen, denn er war dick und fett davon geworden. Aus der klaͤglichen Ge-
ſchichte des armen Porea, laͤßt ſich meines Erachtens ſo viel abnehmen, daß die Toͤch-
ter hier zu Lande, bey ihren Liebeshaͤndeln, nicht immer nach eignem Wohlgefallen zu
1774.
May.
*) S. im erſten Theil dieſes Werks Seite 284.
**) Siehe ebendaſelbſt, Seite 309.
Forſter’s Reiſe u. d. W. zweyter Th. M
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/101>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.