1775. Februar.Küste, daß wir auf einer flachen Spitze, die sich weit in See erstreckt, große unförmliche Haufen von zerbrochnen Schiefer-Stücken, und jenseit derselben nichts als scharfe Felsenspitzen und Bergrücken entdeckten. Ueberhaupt hatte das ganze Land den ödesten, schreckenvollesten Anblick, den man sich nur denken kann. Nicht eine Spur von Grün, ja nicht einmahl die unförmlichen Amphi- bien, die wir auf Neu Georgien fanden, waren hier zu sehen. Kurz wir konnten nicht umhin, jene Beschreibung des Plinius auf sie anzuwenden, die dahin lautet:
Pars mundi damnata a rerum natura, et densa mersa caligine. Hist. Nat. lib. XV. c. 36.
Am folgenden Tag verstattete uns der Wind näher an die Lichtmeß-In- seln heran zu kommen, und ihre Lage auf 57°.10' südlicher Breite und 27°. 6' westlicher Länge zu bestimmen. Da nunmehro von dem gegen Süden be- findlichen Lande, dessen nördliche Spitze wir umseegelt hatten, nichts mehr zu sehen war, so steuerten wir wieder gen Osten. Capitain Cook nannte es anfäng- lich Schneeland, änderte aber diese Benennung in Sandwich-Land. Ich sollte fast glauben, daß die alten Seefahrer dies Land schon entdeckt, und unter den Nahmen Golfo de S. Sebastiano und Insel Cressalina verstanden haben. Es ist noch ungewiß, ob die verschiednen vorspringenden westlichen Spitzen, Thule, Cap Bristol, und Cap Montague, ein zusammenhangendes Land, oder abgesonderte Eilande ausmachen. Vielleicht bleibt dies auch, auf viele künf- tige Jahrhunderte unentschieden, indem eine Seefahrt nach dieser wüsten Welt- gegend nicht allein gefährlich, sondern auch dem menschlichen Geschlecht zu nichts vortheilhaft seyn würde. Es war der Gegenstand unserer gefährlichen Reise, die südliche Halbkugel bis zum sechszigsten Grad der Breite zu untersuchen, und zu entscheiden, ob dort im gemäßigten Erdstrich ein großes festes Land vorhan- den sey, oder nicht. Die verschiedenen Curs-Linien, welche wir zu diesem End- zweck gehalten, häben aber nicht nur deutlich erwiesen, daß in der südlichen ge- mäßigten Zone kein großes festes Land liegt, sondern da wir innerhalb des gefror- nen Erdgürtels bis zum 71ten Grade südlicher Breite vorgedrungen sind, so ist dadurch zugleich höchst wahrscheinlich gemacht worden, daß der jenseit des An- tarctischen Polar-Zirkels befindliche Raum bey weitem nicht mit Land ganz an-
Forſter’s Reiſe um die Welt
1775. Februar.Kuͤſte, daß wir auf einer flachen Spitze, die ſich weit in See erſtreckt, große unfoͤrmliche Haufen von zerbrochnen Schiefer-Stuͤcken, und jenſeit derſelben nichts als ſcharfe Felſenſpitzen und Bergruͤcken entdeckten. Ueberhaupt hatte das ganze Land den oͤdeſten, ſchreckenvolleſten Anblick, den man ſich nur denken kann. Nicht eine Spur von Gruͤn, ja nicht einmahl die unfoͤrmlichen Amphi- bien, die wir auf Neu Georgien fanden, waren hier zu ſehen. Kurz wir konnten nicht umhin, jene Beſchreibung des Plinius auf ſie anzuwenden, die dahin lautet:
Pars mundi damnata à rerum natura, et denſa merſa caligine. Hiſt. Nat. lib. XV. c. 36.
Am folgenden Tag verſtattete uns der Wind naͤher an die Lichtmeß-In- ſeln heran zu kommen, und ihre Lage auf 57°.10′ ſuͤdlicher Breite und 27°. 6′ weſtlicher Laͤnge zu beſtimmen. Da nunmehro von dem gegen Suͤden be- findlichen Lande, deſſen noͤrdliche Spitze wir umſeegelt hatten, nichts mehr zu ſehen war, ſo ſteuerten wir wieder gen Oſten. Capitain Cook nannte es anfaͤng- lich Schneeland, aͤnderte aber dieſe Benennung in Sandwich-Land. Ich ſollte faſt glauben, daß die alten Seefahrer dies Land ſchon entdeckt, und unter den Nahmen Golfo de S. Sebaſtiano und Inſel Creſſalina verſtanden haben. Es iſt noch ungewiß, ob die verſchiednen vorſpringenden weſtlichen Spitzen, Thule, Cap Briſtol, und Cap Montague, ein zuſammenhangendes Land, oder abgeſonderte Eilande ausmachen. Vielleicht bleibt dies auch, auf viele kuͤnf- tige Jahrhunderte unentſchieden, indem eine Seefahrt nach dieſer wuͤſten Welt- gegend nicht allein gefaͤhrlich, ſondern auch dem menſchlichen Geſchlecht zu nichts vortheilhaft ſeyn wuͤrde. Es war der Gegenſtand unſerer gefaͤhrlichen Reiſe, die ſuͤdliche Halbkugel bis zum ſechszigſten Grad der Breite zu unterſuchen, und zu entſcheiden, ob dort im gemaͤßigten Erdſtrich ein großes feſtes Land vorhan- den ſey, oder nicht. Die verſchiedenen Curs-Linien, welche wir zu dieſem End- zweck gehalten, haͤben aber nicht nur deutlich erwieſen, daß in der ſuͤdlichen ge- maͤßigten Zone kein großes feſtes Land liegt, ſondern da wir innerhalb des gefror- nen Erdguͤrtels bis zum 71ten Grade ſuͤdlicher Breite vorgedrungen ſind, ſo iſt dadurch zugleich hoͤchſt wahrſcheinlich gemacht worden, daß der jenſeit des An- tarctiſchen Polar-Zirkels befindliche Raum bey weitem nicht mit Land ganz an-
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Forſter’s Reiſe um die Welt
Kuͤſte, daß wir auf einer flachen Spitze, die ſich weit in See erſtreckt, große
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nichts als ſcharfe Felſenſpitzen und Bergruͤcken entdeckten. Ueberhaupt hatte
das ganze Land den oͤdeſten, ſchreckenvolleſten Anblick, den man ſich nur denken
kann. Nicht eine Spur von Gruͤn, ja nicht einmahl die unfoͤrmlichen Amphi-
bien, die wir auf Neu Georgien fanden, waren hier zu ſehen. Kurz wir konnten
nicht umhin, jene Beſchreibung des Plinius auf ſie anzuwenden, die dahin
lautet:
1775.
Februar.
Pars mundi damnata à rerum natura, et denſa merſa caligine.
Hiſt. Nat. lib. XV. c. 36.
Am folgenden Tag verſtattete uns der Wind naͤher an die Lichtmeß-In-
ſeln heran zu kommen, und ihre Lage auf 57°.10′ ſuͤdlicher Breite und 27°.
6′ weſtlicher Laͤnge zu beſtimmen. Da nunmehro von dem gegen Suͤden be-
findlichen Lande, deſſen noͤrdliche Spitze wir umſeegelt hatten, nichts mehr zu
ſehen war, ſo ſteuerten wir wieder gen Oſten. Capitain Cook nannte es anfaͤng-
lich Schneeland, aͤnderte aber dieſe Benennung in Sandwich-Land. Ich
ſollte faſt glauben, daß die alten Seefahrer dies Land ſchon entdeckt, und unter
den Nahmen Golfo de S. Sebaſtiano und Inſel Creſſalina verſtanden haben.
Es iſt noch ungewiß, ob die verſchiednen vorſpringenden weſtlichen Spitzen,
Thule, Cap Briſtol, und Cap Montague, ein zuſammenhangendes Land, oder
abgeſonderte Eilande ausmachen. Vielleicht bleibt dies auch, auf viele kuͤnf-
tige Jahrhunderte unentſchieden, indem eine Seefahrt nach dieſer wuͤſten Welt-
gegend nicht allein gefaͤhrlich, ſondern auch dem menſchlichen Geſchlecht zu nichts
vortheilhaft ſeyn wuͤrde. Es war der Gegenſtand unſerer gefaͤhrlichen Reiſe,
die ſuͤdliche Halbkugel bis zum ſechszigſten Grad der Breite zu unterſuchen, und
zu entſcheiden, ob dort im gemaͤßigten Erdſtrich ein großes feſtes Land vorhan-
den ſey, oder nicht. Die verſchiedenen Curs-Linien, welche wir zu dieſem End-
zweck gehalten, haͤben aber nicht nur deutlich erwieſen, daß in der ſuͤdlichen ge-
maͤßigten Zone kein großes feſtes Land liegt, ſondern da wir innerhalb des gefror-
nen Erdguͤrtels bis zum 71ten Grade ſuͤdlicher Breite vorgedrungen ſind, ſo iſt
dadurch zugleich hoͤchſt wahrſcheinlich gemacht worden, daß der jenſeit des An-
tarctiſchen Polar-Zirkels befindliche Raum bey weitem nicht mit Land ganz an-
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/438>, abgerufen am 19.02.2025.
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