1772. Novem- ber.Militär-Sachen ab; doch hat der Unter Gouverneur noch ein Collegium, nem- lich den Justitz-Rath, unter sich, der aus den Mitgliedern der andern Departe- ments besteht, und die Criminal-Sachen untersucht. Um gar zu großen Einfluß oder Partheylichkeit so viel möglich zu vermeiden, dürfen in keinem Rath zwey [Verwandte] zugleich Sitz haben.
Die Einkünfte des Gouverneurs sind sehr ansehnlich, denn außer einem Fixo an Gehalt, freyer Wohnung, Ammeublement und allem was zum Haus- halt und zur Tafel gehört, hat er zehen Reichsthaler von jedem Faß (Legger) Wein, welches die Compagnie von den Landleuten kauft und nach Batavia führt. Für ein solches Faß zahlt die Compagnie vierzig Thaler; davon aber bekommt der Landmann nur vier und zwanzig, das übrige fällt den beyden Gouverneurs, und zwar zwey Drittheile dem ersten zu, deren jährlicher Ertrag sich zuweilen auf 4000 Thaler belaufen soll. Der Unter-Gouverneur hat alles zu besorgen, was der Compagnie-Handlungsgeschäfte allhier angeht, auch muß er alle Befehle un- terschreiben, welche an die unter ihm stehenden Departements ergehen. Er und der Fiscal haben den Rang von Ober-Kaufmann. Der Fiscal verwal- tet die Policey und läßt die Straf-Gesetze in Execution bringen. Sein Einkom- men besteht in Geldstrafen und in Auflagen auf gewisse Handlungs-Artikel; wenn er aber in Beytreibung derselben etwas zu scharf ist, so zieht er sich allge- meinen Haß zu. Die gesunde Politik der Holländer hat es gleichfalls für nö- thig befunden, den Fiscal zum Oberaufseher der andern Compagnie-Bedienten zu machen, damit diese dem Nutzen ihrer Herren nicht entgegen handeln, noch die Gesetze des Vaterlands aus den Augen setzen. Zu dem Ende ist er in Rechts- sachen gemeiniglich wohl erfahren und hängt lediglich von Holland ab. Der Ma- jor, (welche Stelle jetzt ein Herr von Prehn bekleidet, der uns überaus viel Höflichkeit erwieß,) hat den Rang eines Kaufmanns -- ein Umstand, der uns sonderbar scheint, weil wir in allen europäischen Staaten daran gewohnt sind, daß das Militär einen selbstständigen Rang giebt, und der denen noch befrem- dender vorkommen muß, die den besondern Contrast kennen, welcher in diesem Stück zwischen Holland und Rußland obwaltet, wo nemlich alle Staatsbedienten ohne Unterschied, sogar die Professoren auf den Universitäten, einen Militär-Rang haben. Die Zahl der hiesigen regulären Truppen besteht ohngefähr aus 700
Forſter’s Reiſe um die Welt
1772. Novem- ber.Militaͤr-Sachen ab; doch hat der Unter Gouverneur noch ein Collegium, nem- lich den Juſtitz-Rath, unter ſich, der aus den Mitgliedern der andern Departe- ments beſteht, und die Criminal-Sachen unterſucht. Um gar zu großen Einfluß oder Partheylichkeit ſo viel moͤglich zu vermeiden, duͤrfen in keinem Rath zwey [Verwandte] zugleich Sitz haben.
Die Einkuͤnfte des Gouverneurs ſind ſehr anſehnlich, denn außer einem Fixo an Gehalt, freyer Wohnung, Ammeublement und allem was zum Haus- halt und zur Tafel gehoͤrt, hat er zehen Reichsthaler von jedem Faß (Legger) Wein, welches die Compagnie von den Landleuten kauft und nach Batavia fuͤhrt. Fuͤr ein ſolches Faß zahlt die Compagnie vierzig Thaler; davon aber bekommt der Landmann nur vier und zwanzig, das uͤbrige faͤllt den beyden Gouverneurs, und zwar zwey Drittheile dem erſten zu, deren jaͤhrlicher Ertrag ſich zuweilen auf 4000 Thaler belaufen ſoll. Der Unter-Gouverneur hat alles zu beſorgen, was der Compagnie-Handlungsgeſchaͤfte allhier angeht, auch muß er alle Befehle un- terſchreiben, welche an die unter ihm ſtehenden Departements ergehen. Er und der Fiſcal haben den Rang von Ober-Kaufmann. Der Fiſcal verwal- tet die Policey und laͤßt die Straf-Geſetze in Execution bringen. Sein Einkom- men beſteht in Geldſtrafen und in Auflagen auf gewiſſe Handlungs-Artikel; wenn er aber in Beytreibung derſelben etwas zu ſcharf iſt, ſo zieht er ſich allge- meinen Haß zu. Die geſunde Politik der Hollaͤnder hat es gleichfalls fuͤr noͤ- thig befunden, den Fiſcal zum Oberaufſeher der andern Compagnie-Bedienten zu machen, damit dieſe dem Nutzen ihrer Herren nicht entgegen handeln, noch die Geſetze des Vaterlands aus den Augen ſetzen. Zu dem Ende iſt er in Rechts- ſachen gemeiniglich wohl erfahren und haͤngt lediglich von Holland ab. Der Ma- jor, (welche Stelle jetzt ein Herr von Prehn bekleidet, der uns uͤberaus viel Hoͤflichkeit erwieß,) hat den Rang eines Kaufmanns — ein Umſtand, der uns ſonderbar ſcheint, weil wir in allen europaͤiſchen Staaten daran gewohnt ſind, daß das Militaͤr einen ſelbſtſtaͤndigen Rang giebt, und der denen noch befrem- dender vorkommen muß, die den beſondern Contraſt kennen, welcher in dieſem Stuͤck zwiſchen Holland und Rußland obwaltet, wo nemlich alle Staatsbedienten ohne Unterſchied, ſogar die Profeſſoren auf den Univerſitaͤten, einen Militaͤr-Rang haben. Die Zahl der hieſigen regulaͤren Truppen beſteht ohngefaͤhr aus 700
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Forſter’s Reiſe um die Welt
Militaͤr-Sachen ab; doch hat der Unter Gouverneur noch ein Collegium, nem-
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ments beſteht, und die Criminal-Sachen unterſucht. Um gar zu großen Einfluß
oder Partheylichkeit ſo viel moͤglich zu vermeiden, duͤrfen in keinem Rath zwey
Verwandte zugleich Sitz haben.
1772.
Novem-
ber.
Die Einkuͤnfte des Gouverneurs ſind ſehr anſehnlich, denn außer einem
Fixo an Gehalt, freyer Wohnung, Ammeublement und allem was zum Haus-
halt und zur Tafel gehoͤrt, hat er zehen Reichsthaler von jedem Faß (Legger)
Wein, welches die Compagnie von den Landleuten kauft und nach Batavia fuͤhrt.
Fuͤr ein ſolches Faß zahlt die Compagnie vierzig Thaler; davon aber bekommt
der Landmann nur vier und zwanzig, das uͤbrige faͤllt den beyden Gouverneurs,
und zwar zwey Drittheile dem erſten zu, deren jaͤhrlicher Ertrag ſich zuweilen auf
4000 Thaler belaufen ſoll. Der Unter-Gouverneur hat alles zu beſorgen, was
der Compagnie-Handlungsgeſchaͤfte allhier angeht, auch muß er alle Befehle un-
terſchreiben, welche an die unter ihm ſtehenden Departements ergehen. Er
und der Fiſcal haben den Rang von Ober-Kaufmann. Der Fiſcal verwal-
tet die Policey und laͤßt die Straf-Geſetze in Execution bringen. Sein Einkom-
men beſteht in Geldſtrafen und in Auflagen auf gewiſſe Handlungs-Artikel;
wenn er aber in Beytreibung derſelben etwas zu ſcharf iſt, ſo zieht er ſich allge-
meinen Haß zu. Die geſunde Politik der Hollaͤnder hat es gleichfalls fuͤr noͤ-
thig befunden, den Fiſcal zum Oberaufſeher der andern Compagnie-Bedienten
zu machen, damit dieſe dem Nutzen ihrer Herren nicht entgegen handeln, noch
die Geſetze des Vaterlands aus den Augen ſetzen. Zu dem Ende iſt er in Rechts-
ſachen gemeiniglich wohl erfahren und haͤngt lediglich von Holland ab. Der Ma-
jor, (welche Stelle jetzt ein Herr von Prehn bekleidet, der uns uͤberaus viel
Hoͤflichkeit erwieß,) hat den Rang eines Kaufmanns — ein Umſtand, der uns
ſonderbar ſcheint, weil wir in allen europaͤiſchen Staaten daran gewohnt ſind,
daß das Militaͤr einen ſelbſtſtaͤndigen Rang giebt, und der denen noch befrem-
dender vorkommen muß, die den beſondern Contraſt kennen, welcher in dieſem Stuͤck
zwiſchen Holland und Rußland obwaltet, wo nemlich alle Staatsbedienten ohne
Unterſchied, ſogar die Profeſſoren auf den Univerſitaͤten, einen Militaͤr-Rang
haben. Die Zahl der hieſigen regulaͤren Truppen beſteht ohngefaͤhr aus 700
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/99>, abgerufen am 27.11.2024.
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