Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.in den Jahren 1772 bis 1775. ständige Bewegungskraft durch den Augenschein außer Zweifel, und bewieß zu-1772.October. gleich, daß die äußere Bewegung des Wassers das Leuchten zwar nicht hervorbringe, aber doch befördere; denn wenn das Wasser ganz still war, so verminderte sich das Funkeln nach und nach, aber bey der geringsten Bewegung kam es wieder und nahm in eben dem Maaße zu als jene verstärkt wurde. Als ich das Wasser mit der Hand umrührte, blieb eins von den hellen Cörperchen daran hängen; und ich machte mir diesen Umstand zu Nutze um es mit dem ge- wöhnlichen Glase des verbesserten Ramsdenschen Microscops zu untersuchen. Hier zeigte es sich in einer kugelförmigen Gestalt, etwas bräunlich und durch- sichtig als Gallert; mit dem stärksten Glase aber entdeckten wir an diesem Atom die Mündung einer kleinen Oefnung, und in selbigem vier bis fünf Darm-Säcke die unter sich selbst und mit jener Oefnung zusammenhiengen. Nachdem ich auf diese Art verschiedene betrachtet hatte, die alle von gleicher Bildung waren, so versuch- te ichs, einige in einem Tropfen Wasser zu fangen, um sie vermittelst eines hohlen Glases, in ihrem Element unters Microscop zu bringen, da sich denn ihre Natur und Organe besser hätten bestimmen lassen: aber sie wurden durch die geringste Berührung gemeiniglich sehr beschädigt, und sobald sie todt waren, sahe man nichts mehr an ihnen als eine unzusammenhängende Masse von Fasern. Nach ohngefähr zwo Stunden hörte das Meer gänzlich auf zu leuchten, und ob wir gleich noch vor Verlauf dieser Zeit einen zweyten Eymer hatten schöpfen lassen, so wa- ren doch alle wiederholte Versuche, eins dieser Atomen lebendig unters Glas zu bringen, stets vergebens. Wir säumten daher nicht länger, von dem erst unter- suchten Kügelchen eine Zeichnung zu machen und unsre Beobachtung nieder zu schreiben, aus der sich mit Wahrscheinlichkeit vermuthen läßt, daß diese kleinen Thiere vielleicht die Bruth einer Medusen-Art sind; doch können sie auch wohl ein eignes Geschlecht ausmachen. *) *) Ein Freund hat im Julius und August ein ähnliches Schauspiel bey warmen südwestlichen Wind und Wetter in der Nord See gesehen. Medusen, Blubbers und Molluscä hatten sich Tages zuvor sehr häuffig gezeigt; und alle Umstände waren mit obigen übereinstim- mend. Die Gestalt dieser leuchtenden Thierchen scheint durchaus mit den Infusions- thierchen der May-Blumen übereinzukommen. Aber, leuchten leztere? Quis scruta- tus est? F 2
in den Jahren 1772 bis 1775. ſtaͤndige Bewegungskraft durch den Augenſchein außer Zweifel, und bewieß zu-1772.October. gleich, daß die aͤußere Bewegung des Waſſers das Leuchten zwar nicht hervorbringe, aber doch befoͤrdere; denn wenn das Waſſer ganz ſtill war, ſo verminderte ſich das Funkeln nach und nach, aber bey der geringſten Bewegung kam es wieder und nahm in eben dem Maaße zu als jene verſtaͤrkt wurde. Als ich das Waſſer mit der Hand umruͤhrte, blieb eins von den hellen Coͤrperchen daran haͤngen; und ich machte mir dieſen Umſtand zu Nutze um es mit dem ge- woͤhnlichen Glaſe des verbeſſerten Ramsdenſchen Microſcops zu unterſuchen. Hier zeigte es ſich in einer kugelfoͤrmigen Geſtalt, etwas braͤunlich und durch- ſichtig als Gallert; mit dem ſtaͤrkſten Glaſe aber entdeckten wir an dieſem Atom die Muͤndung einer kleinen Oefnung, und in ſelbigem vier bis fuͤnf Darm-Saͤcke die unter ſich ſelbſt und mit jener Oefnung zuſammenhiengen. Nachdem ich auf dieſe Art verſchiedene betrachtet hatte, die alle von gleicher Bildung waren, ſo verſuch- te ichs, einige in einem Tropfen Waſſer zu fangen, um ſie vermittelſt eines hohlen Glaſes, in ihrem Element unters Microſcop zu bringen, da ſich denn ihre Natur und Organe beſſer haͤtten beſtimmen laſſen: aber ſie wurden durch die geringſte Beruͤhrung gemeiniglich ſehr beſchaͤdigt, und ſobald ſie todt waren, ſahe man nichts mehr an ihnen als eine unzuſammenhaͤngende Maſſe von Faſern. Nach ohngefaͤhr zwo Stunden hoͤrte das Meer gaͤnzlich auf zu leuchten, und ob wir gleich noch vor Verlauf dieſer Zeit einen zweyten Eymer hatten ſchoͤpfen laſſen, ſo wa- ren doch alle wiederholte Verſuche, eins dieſer Atomen lebendig unters Glas zu bringen, ſtets vergebens. Wir ſaͤumten daher nicht laͤnger, von dem erſt unter- ſuchten Kuͤgelchen eine Zeichnung zu machen und unſre Beobachtung nieder zu ſchreiben, aus der ſich mit Wahrſcheinlichkeit vermuthen laͤßt, daß dieſe kleinen Thiere vielleicht die Bruth einer Meduſen-Art ſind; doch koͤnnen ſie auch wohl ein eignes Geſchlecht ausmachen. *) *) Ein Freund hat im Julius und Auguſt ein aͤhnliches Schauſpiel bey warmen ſuͤdweſtlichen Wind und Wetter in der Nord See geſehen. Meduſen, Blubbers und Molluſcaͤ hatten ſich Tages zuvor ſehr haͤuffig gezeigt; und alle Umſtaͤnde waren mit obigen uͤbereinſtim- mend. Die Geſtalt dieſer leuchtenden Thierchen ſcheint durchaus mit den Infuſions- thierchen der May-Blumen uͤbereinzukommen. Aber, leuchten leztere? Quis ſcruta- tus eſt? F 2
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in den Jahren 1772 bis 1775.
ſtaͤndige Bewegungskraft durch den Augenſchein außer Zweifel, und bewieß zu-
gleich, daß die aͤußere Bewegung des Waſſers das Leuchten zwar nicht
hervorbringe, aber doch befoͤrdere; denn wenn das Waſſer ganz ſtill war, ſo
verminderte ſich das Funkeln nach und nach, aber bey der geringſten Bewegung
kam es wieder und nahm in eben dem Maaße zu als jene verſtaͤrkt wurde. Als
ich das Waſſer mit der Hand umruͤhrte, blieb eins von den hellen Coͤrperchen
daran haͤngen; und ich machte mir dieſen Umſtand zu Nutze um es mit dem ge-
woͤhnlichen Glaſe des verbeſſerten Ramsdenſchen Microſcops zu unterſuchen.
Hier zeigte es ſich in einer kugelfoͤrmigen Geſtalt, etwas braͤunlich und durch-
ſichtig als Gallert; mit dem ſtaͤrkſten Glaſe aber entdeckten wir an dieſem Atom
die Muͤndung einer kleinen Oefnung, und in ſelbigem vier bis fuͤnf Darm-Saͤcke
die unter ſich ſelbſt und mit jener Oefnung zuſammenhiengen. Nachdem ich auf dieſe
Art verſchiedene betrachtet hatte, die alle von gleicher Bildung waren, ſo verſuch-
te ichs, einige in einem Tropfen Waſſer zu fangen, um ſie vermittelſt eines hohlen
Glaſes, in ihrem Element unters Microſcop zu bringen, da ſich denn ihre Natur
und Organe beſſer haͤtten beſtimmen laſſen: aber ſie wurden durch die geringſte
Beruͤhrung gemeiniglich ſehr beſchaͤdigt, und ſobald ſie todt waren, ſahe man
nichts mehr an ihnen als eine unzuſammenhaͤngende Maſſe von Faſern. Nach
ohngefaͤhr zwo Stunden hoͤrte das Meer gaͤnzlich auf zu leuchten, und ob wir gleich
noch vor Verlauf dieſer Zeit einen zweyten Eymer hatten ſchoͤpfen laſſen, ſo wa-
ren doch alle wiederholte Verſuche, eins dieſer Atomen lebendig unters Glas zu
bringen, ſtets vergebens. Wir ſaͤumten daher nicht laͤnger, von dem erſt unter-
ſuchten Kuͤgelchen eine Zeichnung zu machen und unſre Beobachtung nieder zu
ſchreiben, aus der ſich mit Wahrſcheinlichkeit vermuthen laͤßt, daß dieſe kleinen
Thiere vielleicht die Bruth einer Meduſen-Art ſind; doch koͤnnen ſie auch wohl
ein eignes Geſchlecht ausmachen. *)
1772.
October.
*) Ein Freund hat im Julius und Auguſt ein aͤhnliches Schauſpiel bey warmen ſuͤdweſtlichen
Wind und Wetter in der Nord See geſehen. Meduſen, Blubbers und Molluſcaͤ hatten
ſich Tages zuvor ſehr haͤuffig gezeigt; und alle Umſtaͤnde waren mit obigen uͤbereinſtim-
mend. Die Geſtalt dieſer leuchtenden Thierchen ſcheint durchaus mit den Infuſions-
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tus eſt?
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