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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
die monarchische Regierungsform macht einen Zug der Aehnlichkeit zwischen den1774.
März.

Oster-Eyländern und den Einwohnern der Südsee-Inseln, die zwischen den
Wendezirkeln liegen, aus. Der ganze Unterschied, der sich zwischen ihnen be-
merken läßt, liegt lediglich in der mehrern oder mindern Fruchtbarkeit der In-
seln und dem größern oder geringern Maaß des Reichthums und der Wollust-Liebe
der Einwohner. Oster-Eyland, oder Waihu, wie es in der Landessprache genannt
wird, ist so außerordentlich unfruchtbar, daß nicht über zwanzig verschiedne
Gattungen von Pflanzen +) darauf wachsen, und diese müssen noch dazu größ-
tentheils auf bearbeiteten Feldern, welche bey weiten den geringsten Theil des
sonst wüstliegenden Landes ausmachen, ordentlich gebauet werden. Der Bo-
den ist durchgehends steinigt und von der Sonne verbrannt. Wasser ist so
selten, daß sich die Einwohner mit Brunnenwasser, das noch dazu etwas faul
ist, behelfen müssen; ja einige unsrer Leute haben so gar gesehen, daß sie,
um den Durst zu löschen, auch wohl zuweilen Seewasser getrunken. Alle diese Um-
stände zusammengenommen, müssen natürlicherweise auf die Beschaffenheit ihres
Cörpers einen besondern Einfluß haben. -- Sie sind mager und ihre Muskeln
hart und steif. Sie leben sehr schlecht und armselig, gehen fast alle na-
ckend, und haben keine Bedeckung als für den Kopf, weil derselbe von der Hitze
am meisten leidet; doch besteht die ganze Bedeckung nur in einer Feder-Mütze.
Der übrige unbedeckte Theil des Gefichts ist punctirt, oder mit Farben be-
schmiert. Ihre Begriffe von Anständigkeit müssen natürlicherweise sehr ver-
schieden von den Begriffen gekleideter Völker seyn. Der Reinlichkeit wegen
stutzen sie Bart und Haare, so wie solches auch zu Tongatabu geschieht; doch
schienen sie dem Aussatz weniger, als jene, unterworfen zu seyn. Man kann
sich vorstellen, daß der König eines solchen Volks eben keine sonderliche und
merkliche Vorzüge vor dem Unterthan genießt. Wenigstens bemerkten wir
nichts, das etwa dafür hätte angesehen werden können. Die Religion der Einwoh-
ner ist uns ganz unbekannt geblieben, weil dergleichen abstracte Ideen, während

+) Die Spanier erwähnen weißer Calebassen (pompions) unter den Pflanzen der Insel. Uns
kamen keine zu Gesicht. S. Dalrymples Letter to Dr. Hawkesworth.
Forster's Reise u. d. W. erster Th. L l l

in den Jahren 1772 bis 1775.
die monarchiſche Regierungsform macht einen Zug der Aehnlichkeit zwiſchen den1774.
Maͤrz.

Oſter-Eylaͤndern und den Einwohnern der Suͤdſee-Inſeln, die zwiſchen den
Wendezirkeln liegen, aus. Der ganze Unterſchied, der ſich zwiſchen ihnen be-
merken laͤßt, liegt lediglich in der mehrern oder mindern Fruchtbarkeit der In-
ſeln und dem groͤßern oder geringern Maaß des Reichthums und der Wolluſt-Liebe
der Einwohner. Oſter-Eyland, oder Waihu, wie es in der Landesſprache genannt
wird, iſt ſo außerordentlich unfruchtbar, daß nicht uͤber zwanzig verſchiedne
Gattungen von Pflanzen †) darauf wachſen, und dieſe muͤſſen noch dazu groͤß-
tentheils auf bearbeiteten Feldern, welche bey weiten den geringſten Theil des
ſonſt wuͤſtliegenden Landes ausmachen, ordentlich gebauet werden. Der Bo-
den iſt durchgehends ſteinigt und von der Sonne verbrannt. Waſſer iſt ſo
ſelten, daß ſich die Einwohner mit Brunnenwaſſer, das noch dazu etwas faul
iſt, behelfen muͤſſen; ja einige unſrer Leute haben ſo gar geſehen, daß ſie,
um den Durſt zu loͤſchen, auch wohl zuweilen Seewaſſer getrunken. Alle dieſe Um-
ſtaͤnde zuſammengenommen, muͤſſen natuͤrlicherweiſe auf die Beſchaffenheit ihres
Coͤrpers einen beſondern Einfluß haben. — Sie ſind mager und ihre Muskeln
hart und ſteif. Sie leben ſehr ſchlecht und armſelig, gehen faſt alle na-
ckend, und haben keine Bedeckung als fuͤr den Kopf, weil derſelbe von der Hitze
am meiſten leidet; doch beſteht die ganze Bedeckung nur in einer Feder-Muͤtze.
Der uͤbrige unbedeckte Theil des Gefichts iſt punctirt, oder mit Farben be-
ſchmiert. Ihre Begriffe von Anſtaͤndigkeit muͤſſen natuͤrlicherweiſe ſehr ver-
ſchieden von den Begriffen gekleideter Voͤlker ſeyn. Der Reinlichkeit wegen
ſtutzen ſie Bart und Haare, ſo wie ſolches auch zu Tongatabu geſchieht; doch
ſchienen ſie dem Ausſatz weniger, als jene, unterworfen zu ſeyn. Man kann
ſich vorſtellen, daß der Koͤnig eines ſolchen Volks eben keine ſonderliche und
merkliche Vorzuͤge vor dem Unterthan genießt. Wenigſtens bemerkten wir
nichts, das etwa dafuͤr haͤtte angeſehen werden koͤnnen. Die Religion der Einwoh-
ner iſt uns ganz unbekannt geblieben, weil dergleichen abſtracte Ideen, waͤhrend

†) Die Spanier erwaͤhnen weißer Calebaſſen (pompions) unter den Pflanzen der Inſel. Uns
kamen keine zu Geſicht. S. Dalrymples Letter to Dr. Hawkesworth.
Forſter’s Reiſe u. d. W. erſter Th. L l l
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[449/0508] in den Jahren 1772 bis 1775. die monarchiſche Regierungsform macht einen Zug der Aehnlichkeit zwiſchen den Oſter-Eylaͤndern und den Einwohnern der Suͤdſee-Inſeln, die zwiſchen den Wendezirkeln liegen, aus. Der ganze Unterſchied, der ſich zwiſchen ihnen be- merken laͤßt, liegt lediglich in der mehrern oder mindern Fruchtbarkeit der In- ſeln und dem groͤßern oder geringern Maaß des Reichthums und der Wolluſt-Liebe der Einwohner. Oſter-Eyland, oder Waihu, wie es in der Landesſprache genannt wird, iſt ſo außerordentlich unfruchtbar, daß nicht uͤber zwanzig verſchiedne Gattungen von Pflanzen †) darauf wachſen, und dieſe muͤſſen noch dazu groͤß- tentheils auf bearbeiteten Feldern, welche bey weiten den geringſten Theil des ſonſt wuͤſtliegenden Landes ausmachen, ordentlich gebauet werden. Der Bo- den iſt durchgehends ſteinigt und von der Sonne verbrannt. Waſſer iſt ſo ſelten, daß ſich die Einwohner mit Brunnenwaſſer, das noch dazu etwas faul iſt, behelfen muͤſſen; ja einige unſrer Leute haben ſo gar geſehen, daß ſie, um den Durſt zu loͤſchen, auch wohl zuweilen Seewaſſer getrunken. Alle dieſe Um- ſtaͤnde zuſammengenommen, muͤſſen natuͤrlicherweiſe auf die Beſchaffenheit ihres Coͤrpers einen beſondern Einfluß haben. — Sie ſind mager und ihre Muskeln hart und ſteif. Sie leben ſehr ſchlecht und armſelig, gehen faſt alle na- ckend, und haben keine Bedeckung als fuͤr den Kopf, weil derſelbe von der Hitze am meiſten leidet; doch beſteht die ganze Bedeckung nur in einer Feder-Muͤtze. Der uͤbrige unbedeckte Theil des Gefichts iſt punctirt, oder mit Farben be- ſchmiert. Ihre Begriffe von Anſtaͤndigkeit muͤſſen natuͤrlicherweiſe ſehr ver- ſchieden von den Begriffen gekleideter Voͤlker ſeyn. Der Reinlichkeit wegen ſtutzen ſie Bart und Haare, ſo wie ſolches auch zu Tongatabu geſchieht; doch ſchienen ſie dem Ausſatz weniger, als jene, unterworfen zu ſeyn. Man kann ſich vorſtellen, daß der Koͤnig eines ſolchen Volks eben keine ſonderliche und merkliche Vorzuͤge vor dem Unterthan genießt. Wenigſtens bemerkten wir nichts, das etwa dafuͤr haͤtte angeſehen werden koͤnnen. Die Religion der Einwoh- ner iſt uns ganz unbekannt geblieben, weil dergleichen abſtracte Ideen, waͤhrend 1774. Maͤrz. †) Die Spanier erwaͤhnen weißer Calebaſſen (pompions) unter den Pflanzen der Inſel. Uns kamen keine zu Geſicht. S. Dalrymples Letter to Dr. Hawkesworth. Forſter’s Reiſe u. d. W. erſter Th. L l l

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/508>, abgerufen am 23.11.2024.