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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Forster's Reise um die Welt
1773.
März.
um nicht in der Finsterniß aufs Land zu stoßen, welches hier in der Nähe liegen
mußte. Am nächsten Morgen um 5 Uhr entdeckten wir es auch in der That.
Die Freude, welche sich darüber auf jedem Gesicht verbreitete, ist nicht auszu-
drücken. Seit einhundert und drey Tagen hatten wir kein Land gesehen; und
die strenge Witterung in den südlichen See-Gegenden, die Beschwerlichkeit,
in Stürmen und zwischen den gefährlichen Eismassen weder Tag noch Nacht
Ruhe zu haben, die öftere Veränderung des Clima, und die elende Kost hatten
uns allerseits ohne Ausnahme kraftlos und siech gemacht. Bey dem Anblick des
Landes erwartete nun jeder das schleunige Ende seines Ungemachs, und freute
sich im voraus auf die Menge von Hühnern und Früchten, die nach dem Zeug-
niß des Holländischen Entdeckers auf dieser Insel vorhanden seyn sollten. Je-
der war darüber fröhlich und guter Dinge.


E l'uno a l'altro il mostra e in tanto oblia
La noia, e'l mal de la passata via.

Tasso.

Indessen näherten wir uns der Küste nur langsam, zum großen Ver-
druß der ganzen Schiffgesellschaft, die um so begieriger nach dem Lande ward,
je mehrere Schwürigkeiten sich einfanden, die ihre verdrüßliche Lage ver-
längern konnten. Die Inseln schienen mäßig hoch und in verschiedne Anhö-
hen getheilt zu seyn, die sanft gegen das Meer herabliefen. Der Umfang
war nicht ansehnlich; ob sie aber fruchtbar seyn, und was für Erfrischungen
sie vielleicht liefern mögten? das konnten wir der allzugroßen Entfernung we-
gen noch nicht beurtheilen. Am folgenden Morgen war es Windstille. Wir
befanden uns damals fünf Seemeilen vom Lande, das von hier aus ein schwar-
zes trauriges Ansehn hatte, und fiengen zum Zeitvertreib Hayfische, wovon ei-
nige ums Schiff herschwammen, und an die mit gepöckelten Schweinfleisch ver-
sehene Angeln sehr begierig anbissen. Nachmittages erhob sich der Wind,
worauf wir der Küste zu steuerten, in Hoffnung, noch ehe es Nacht würde, vor
Anker zu kommen. Ohnerachtet wir jetzt dem Lande ungleich näher waren als
heute früh; so hatte es doch noch immer kein günstigeres Ansehen, indem nur

wenig

Forſter’s Reiſe um die Welt
1773.
Maͤrz.
um nicht in der Finſterniß aufs Land zu ſtoßen, welches hier in der Naͤhe liegen
mußte. Am naͤchſten Morgen um 5 Uhr entdeckten wir es auch in der That.
Die Freude, welche ſich daruͤber auf jedem Geſicht verbreitete, iſt nicht auszu-
druͤcken. Seit einhundert und drey Tagen hatten wir kein Land geſehen; und
die ſtrenge Witterung in den ſuͤdlichen See-Gegenden, die Beſchwerlichkeit,
in Stuͤrmen und zwiſchen den gefaͤhrlichen Eismaſſen weder Tag noch Nacht
Ruhe zu haben, die oͤftere Veraͤnderung des Clima, und die elende Koſt hatten
uns allerſeits ohne Ausnahme kraftlos und ſiech gemacht. Bey dem Anblick des
Landes erwartete nun jeder das ſchleunige Ende ſeines Ungemachs, und freute
ſich im voraus auf die Menge von Huͤhnern und Fruͤchten, die nach dem Zeug-
niß des Hollaͤndiſchen Entdeckers auf dieſer Inſel vorhanden ſeyn ſollten. Je-
der war daruͤber froͤhlich und guter Dinge.


E l’uno a l’altro il moſtra e in tanto oblia
La noia, e’l mal de la paſſata via.

Tasso.

Indeſſen naͤherten wir uns der Kuͤſte nur langſam, zum großen Ver-
druß der ganzen Schiffgeſellſchaft, die um ſo begieriger nach dem Lande ward,
je mehrere Schwuͤrigkeiten ſich einfanden, die ihre verdruͤßliche Lage ver-
laͤngern konnten. Die Inſeln ſchienen maͤßig hoch und in verſchiedne Anhoͤ-
hen getheilt zu ſeyn, die ſanft gegen das Meer herabliefen. Der Umfang
war nicht anſehnlich; ob ſie aber fruchtbar ſeyn, und was fuͤr Erfriſchungen
ſie vielleicht liefern moͤgten? das konnten wir der allzugroßen Entfernung we-
gen noch nicht beurtheilen. Am folgenden Morgen war es Windſtille. Wir
befanden uns damals fuͤnf Seemeilen vom Lande, das von hier aus ein ſchwar-
zes trauriges Anſehn hatte, und fiengen zum Zeitvertreib Hayfiſche, wovon ei-
nige ums Schiff herſchwammen, und an die mit gepoͤckelten Schweinfleiſch ver-
ſehene Angeln ſehr begierig anbiſſen. Nachmittages erhob ſich der Wind,
worauf wir der Kuͤſte zu ſteuerten, in Hoffnung, noch ehe es Nacht wuͤrde, vor
Anker zu kommen. Ohnerachtet wir jetzt dem Lande ungleich naͤher waren als
heute fruͤh; ſo hatte es doch noch immer kein guͤnſtigeres Anſehen, indem nur

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[416/0475] Forſter’s Reiſe um die Welt um nicht in der Finſterniß aufs Land zu ſtoßen, welches hier in der Naͤhe liegen mußte. Am naͤchſten Morgen um 5 Uhr entdeckten wir es auch in der That. Die Freude, welche ſich daruͤber auf jedem Geſicht verbreitete, iſt nicht auszu- druͤcken. Seit einhundert und drey Tagen hatten wir kein Land geſehen; und die ſtrenge Witterung in den ſuͤdlichen See-Gegenden, die Beſchwerlichkeit, in Stuͤrmen und zwiſchen den gefaͤhrlichen Eismaſſen weder Tag noch Nacht Ruhe zu haben, die oͤftere Veraͤnderung des Clima, und die elende Koſt hatten uns allerſeits ohne Ausnahme kraftlos und ſiech gemacht. Bey dem Anblick des Landes erwartete nun jeder das ſchleunige Ende ſeines Ungemachs, und freute ſich im voraus auf die Menge von Huͤhnern und Fruͤchten, die nach dem Zeug- niß des Hollaͤndiſchen Entdeckers auf dieſer Inſel vorhanden ſeyn ſollten. Je- der war daruͤber froͤhlich und guter Dinge. 1773. Maͤrz. E l’uno a l’altro il moſtra e in tanto oblia La noia, e’l mal de la paſſata via. Tasso. Indeſſen naͤherten wir uns der Kuͤſte nur langſam, zum großen Ver- druß der ganzen Schiffgeſellſchaft, die um ſo begieriger nach dem Lande ward, je mehrere Schwuͤrigkeiten ſich einfanden, die ihre verdruͤßliche Lage ver- laͤngern konnten. Die Inſeln ſchienen maͤßig hoch und in verſchiedne Anhoͤ- hen getheilt zu ſeyn, die ſanft gegen das Meer herabliefen. Der Umfang war nicht anſehnlich; ob ſie aber fruchtbar ſeyn, und was fuͤr Erfriſchungen ſie vielleicht liefern moͤgten? das konnten wir der allzugroßen Entfernung we- gen noch nicht beurtheilen. Am folgenden Morgen war es Windſtille. Wir befanden uns damals fuͤnf Seemeilen vom Lande, das von hier aus ein ſchwar- zes trauriges Anſehn hatte, und fiengen zum Zeitvertreib Hayfiſche, wovon ei- nige ums Schiff herſchwammen, und an die mit gepoͤckelten Schweinfleiſch ver- ſehene Angeln ſehr begierig anbiſſen. Nachmittages erhob ſich der Wind, worauf wir der Kuͤſte zu ſteuerten, in Hoffnung, noch ehe es Nacht wuͤrde, vor Anker zu kommen. Ohnerachtet wir jetzt dem Lande ungleich naͤher waren als heute fruͤh; ſo hatte es doch noch immer kein guͤnſtigeres Anſehen, indem nur wenig

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/475>, abgerufen am 02.06.2024.