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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Forster's Reise um die Welt
1773.
October.
einer furchtbaren Spitze, versehen waren, (Fig. 2. u. 3.) Nächst diesen Waffen
führten sie auch Bogen und Pfeile von ganz besonderer Einrichtung, wie aus
beygefügter Abbildung, Fig. 4. zu sehen ist. Der Bogen war 6 Fus lang,
ohngefähr so dick als ein kleiner Finger und, wenn er nicht gespannt war, nur we-
nig gekrümmt. Längst der convexen oder äußern Seite lief für die Senne ein
vertiefter Falz, oder eine halbe Hohlröhre, welche zuweilen so tief ausgeschnit-
ten war, daß auch der ohngefähr 6 Fus lange Pfeil, der aus einem Rohrstabe
gemacht und mit hartem Holz zugespitzt war, darinn Platz hatte. Wenn nun der
Bogen gespannt werden solte; so mußte solches nicht, wie sonst gewöhnlich, durch
stärkere Biegung seiner Krümmung geschehn, sondern völlig umgekehrt, so daß
der Bogen erst gerade, und denn, nach der entgegenstehenden Seite hin, krumm
gebogen ward. Die Senne durfte dabey niemals straff angezogen werden,
denn durch bloße Aendrung der natürlichen Biegung des Bogens, bekam der
Pfeil Trieb genug, und das Wiedereinspringen des Bogens und der Senne
war nie so heftig, daß die Hand oder der Arm des Schützen davon hätte be-
schädigt werden können. Ehe unsre Seeleute mit diesem Gewehr umgehen
lernten, zerbrachen sie viele Bogen, indem sie solche nach der sonst gewöhnli-
chen Manier aufspannen wollten. Die ungeheure Menge von Waffen, welche
wir bey den Einwohnern fanden, stimmte aber gar nicht mit der friedfertigen
Gesinnung, die sie in ihrem ganzen Betragen gegen uns, und vornemlich auch
durch die Bereitwilligkeit äußerten uns solche zu verkaufen. Sie müssen folglich,
ihrer friedfertig scheinenden Gemüthsart ohnerachtet, oft Händel untereinander ha-
ben, oder auch mit den benachbarten Inseln Krieg führen; doch konnten wir hie-
von, bey aller Nachfrage, nichts befriedigendes erfahren. Alle obbenannten Ar-
tikel, nebst den verschiedenen Sorten ihres Zeuges, ihrer Matten und andre
Kleinigkeiten brachten sie zum Verkauf, und nahmen sehr gern kleine Nägel,
bisweilen auch wohl Corallen dagegen. In Betracht der letztern waren sie
jedoch mit den Tahitiern nicht von gleichem Geschmack; denn jene wählten im-
mer durchsichtige, hier aber galten die Dunklen am mehresten, welche rothe,
weiße oder blaue Streiffen hatten. Wir handelten mit ihnen bis zu Mittage,
da wir wieder an die Schiffe zurückkehrten, und einen kleinen Boot-Anker ver-
mißten, den die Einwohner fast in eben dem Augenblick als er ausgewor-

Forſter’s Reiſe um die Welt
1773.
October.
einer furchtbaren Spitze, verſehen waren, (Fig. 2. u. 3.) Naͤchſt dieſen Waffen
fuͤhrten ſie auch Bogen und Pfeile von ganz beſonderer Einrichtung, wie aus
beygefuͤgter Abbildung, Fig. 4. zu ſehen iſt. Der Bogen war 6 Fus lang,
ohngefaͤhr ſo dick als ein kleiner Finger und, wenn er nicht geſpannt war, nur we-
nig gekruͤmmt. Laͤngſt der convexen oder aͤußern Seite lief fuͤr die Senne ein
vertiefter Falz, oder eine halbe Hohlroͤhre, welche zuweilen ſo tief ausgeſchnit-
ten war, daß auch der ohngefaͤhr 6 Fus lange Pfeil, der aus einem Rohrſtabe
gemacht und mit hartem Holz zugeſpitzt war, darinn Platz hatte. Wenn nun der
Bogen geſpannt werden ſolte; ſo mußte ſolches nicht, wie ſonſt gewoͤhnlich, durch
ſtaͤrkere Biegung ſeiner Kruͤmmung geſchehn, ſondern voͤllig umgekehrt, ſo daß
der Bogen erſt gerade, und denn, nach der entgegenſtehenden Seite hin, krumm
gebogen ward. Die Senne durfte dabey niemals ſtraff angezogen werden,
denn durch bloße Aendrung der natuͤrlichen Biegung des Bogens, bekam der
Pfeil Trieb genug, und das Wiedereinſpringen des Bogens und der Senne
war nie ſo heftig, daß die Hand oder der Arm des Schuͤtzen davon haͤtte be-
ſchaͤdigt werden koͤnnen. Ehe unſre Seeleute mit dieſem Gewehr umgehen
lernten, zerbrachen ſie viele Bogen, indem ſie ſolche nach der ſonſt gewoͤhnli-
chen Manier aufſpannen wollten. Die ungeheure Menge von Waffen, welche
wir bey den Einwohnern fanden, ſtimmte aber gar nicht mit der friedfertigen
Geſinnung, die ſie in ihrem ganzen Betragen gegen uns, und vornemlich auch
durch die Bereitwilligkeit aͤußerten uns ſolche zu verkaufen. Sie muͤſſen folglich,
ihrer friedfertig ſcheinenden Gemuͤthsart ohnerachtet, oft Haͤndel untereinander ha-
ben, oder auch mit den benachbarten Inſeln Krieg fuͤhren; doch konnten wir hie-
von, bey aller Nachfrage, nichts befriedigendes erfahren. Alle obbenannten Ar-
tikel, nebſt den verſchiedenen Sorten ihres Zeuges, ihrer Matten und andre
Kleinigkeiten brachten ſie zum Verkauf, und nahmen ſehr gern kleine Naͤgel,
bisweilen auch wohl Corallen dagegen. In Betracht der letztern waren ſie
jedoch mit den Tahitiern nicht von gleichem Geſchmack; denn jene waͤhlten im-
mer durchſichtige, hier aber galten die Dunklen am mehreſten, welche rothe,
weiße oder blaue Streiffen hatten. Wir handelten mit ihnen bis zu Mittage,
da wir wieder an die Schiffe zuruͤckkehrten, und einen kleinen Boot-Anker ver-
mißten, den die Einwohner faſt in eben dem Augenblick als er ausgewor-

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[330/0387] Forſter’s Reiſe um die Welt einer furchtbaren Spitze, verſehen waren, (Fig. 2. u. 3.) Naͤchſt dieſen Waffen fuͤhrten ſie auch Bogen und Pfeile von ganz beſonderer Einrichtung, wie aus beygefuͤgter Abbildung, Fig. 4. zu ſehen iſt. Der Bogen war 6 Fus lang, ohngefaͤhr ſo dick als ein kleiner Finger und, wenn er nicht geſpannt war, nur we- nig gekruͤmmt. Laͤngſt der convexen oder aͤußern Seite lief fuͤr die Senne ein vertiefter Falz, oder eine halbe Hohlroͤhre, welche zuweilen ſo tief ausgeſchnit- ten war, daß auch der ohngefaͤhr 6 Fus lange Pfeil, der aus einem Rohrſtabe gemacht und mit hartem Holz zugeſpitzt war, darinn Platz hatte. Wenn nun der Bogen geſpannt werden ſolte; ſo mußte ſolches nicht, wie ſonſt gewoͤhnlich, durch ſtaͤrkere Biegung ſeiner Kruͤmmung geſchehn, ſondern voͤllig umgekehrt, ſo daß der Bogen erſt gerade, und denn, nach der entgegenſtehenden Seite hin, krumm gebogen ward. Die Senne durfte dabey niemals ſtraff angezogen werden, denn durch bloße Aendrung der natuͤrlichen Biegung des Bogens, bekam der Pfeil Trieb genug, und das Wiedereinſpringen des Bogens und der Senne war nie ſo heftig, daß die Hand oder der Arm des Schuͤtzen davon haͤtte be- ſchaͤdigt werden koͤnnen. Ehe unſre Seeleute mit dieſem Gewehr umgehen lernten, zerbrachen ſie viele Bogen, indem ſie ſolche nach der ſonſt gewoͤhnli- chen Manier aufſpannen wollten. Die ungeheure Menge von Waffen, welche wir bey den Einwohnern fanden, ſtimmte aber gar nicht mit der friedfertigen Geſinnung, die ſie in ihrem ganzen Betragen gegen uns, und vornemlich auch durch die Bereitwilligkeit aͤußerten uns ſolche zu verkaufen. Sie muͤſſen folglich, ihrer friedfertig ſcheinenden Gemuͤthsart ohnerachtet, oft Haͤndel untereinander ha- ben, oder auch mit den benachbarten Inſeln Krieg fuͤhren; doch konnten wir hie- von, bey aller Nachfrage, nichts befriedigendes erfahren. Alle obbenannten Ar- tikel, nebſt den verſchiedenen Sorten ihres Zeuges, ihrer Matten und andre Kleinigkeiten brachten ſie zum Verkauf, und nahmen ſehr gern kleine Naͤgel, bisweilen auch wohl Corallen dagegen. In Betracht der letztern waren ſie jedoch mit den Tahitiern nicht von gleichem Geſchmack; denn jene waͤhlten im- mer durchſichtige, hier aber galten die Dunklen am mehreſten, welche rothe, weiße oder blaue Streiffen hatten. Wir handelten mit ihnen bis zu Mittage, da wir wieder an die Schiffe zuruͤckkehrten, und einen kleinen Boot-Anker ver- mißten, den die Einwohner faſt in eben dem Augenblick als er ausgewor- 1773. October.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/387>, abgerufen am 16.07.2024.