1773. August.aber am bewundrungswürdigsten dünkte, war die außerordentliche Geschwin- digkeit, womit sie gegen den Grund hinabschossen, und welche sich bey dem klaren Wasser sehr deutlich bemerken ließ. Da man hier zu Lande gewohnt ist sich vielfältig zu baden, wie bereits Capitain Cook auf seiner vorigen Reise ange- merkt hat, so lernen die Leute ohne Zweifel schon von der frühesten Kindheit an schwimmen, und besitzen daher auch eine solche Fertigkeit darinn, daß man sie der Behendigkeit im Wasser und der Biegsamkeit ihrer Glieder nach, fast für Amphibien halten sollte. Nachdem sie diese Schwimmer-Uebungen und andere Beschäfftigungen bis zu Untergang der Sonne fortgesetzt hatten, kehrten sie all- mählig nach dem Ufer zurück.
Um diese Zeit kamen auch die Capitains mit ihrer Gesellschaft wieder an Bo[r]d, ohne den König gesehn zu haben; der sie, wer weis aus was für mißtrauischer Besorgniß, nicht hatte vor sich kommen, sondern ihnen nur versichern lassen, daß er sie am folgenden Tage selbst besuchen würde. Um indessen nicht ganz vergebens am Lande gewesen zu seyn, nahmen sie längst der Küste, nach Osten hin, einen Spatziergang vor. Eine Menge von Einwohnern folgte ihnen überall nach, und als sie unterwegens an einen Bach kamen, bo- ten sich die Leute um die Wette an, sie auf den Schultern herüber zu tragen. Jenseits desselben aber zerstreueten sich die Indianer nach und nach, so daß sie end- lich nur einen einzigen Mann bey sich hatten. Diesen ließen sie als Wegwei- ser vorauf gehen, und folgten ihm nach einer unbebaueten Landspitze, welche sich ins Meer erstreckte. Der Ort war mit wild aufgeschoßnen Pflanzen und Stau- den verwachsen; und als sie sich durch dieses Buschwerk hindurch gearbeitet hat- ten, stand ein pyramidenförmiges Gebäude von Steinen vor ihnen, dessen Ba- sis, vorn, ohngefähr zwanzig Schritte (60 Fus) breit seyn mochte. Ihr Be- gleiter sagte ihnen, es sey eine Grabstelle oder ein heiliger Versammlungsplatz, Marai, und er nannte es, Maraino-Aheatua, den Begräbnißplatz des A- heatua, der jetzt König auf Teiarrabu ist. Das ganze Gebäude war aus meh- reren Terrassen oder Stufen übereinander aufgeführt, die aber, besonders gegen die Landseite hin, ziemlich verfallen und schon mit Gras und Buschwerk über- wachsen waren. Rund um das Gebäude standen funfzehen dünne, fast senkrecht in die Erde gesteckte, hölzerne Pfosten, die zum Theil 18 Fus lang seyn mochten,
Forſter’s Reiſe um die Welt
1773. Auguſt.aber am bewundrungswuͤrdigſten duͤnkte, war die außerordentliche Geſchwin- digkeit, womit ſie gegen den Grund hinabſchoſſen, und welche ſich bey dem klaren Waſſer ſehr deutlich bemerken ließ. Da man hier zu Lande gewohnt iſt ſich vielfaͤltig zu baden, wie bereits Capitain Cook auf ſeiner vorigen Reiſe ange- merkt hat, ſo lernen die Leute ohne Zweifel ſchon von der fruͤheſten Kindheit an ſchwimmen, und beſitzen daher auch eine ſolche Fertigkeit darinn, daß man ſie der Behendigkeit im Waſſer und der Biegſamkeit ihrer Glieder nach, faſt fuͤr Amphibien halten ſollte. Nachdem ſie dieſe Schwimmer-Uebungen und andere Beſchaͤfftigungen bis zu Untergang der Sonne fortgeſetzt hatten, kehrten ſie all- maͤhlig nach dem Ufer zuruͤck.
Um dieſe Zeit kamen auch die Capitains mit ihrer Geſellſchaft wieder an Bo[r]d, ohne den Koͤnig geſehn zu haben; der ſie, wer weis aus was fuͤr mißtrauiſcher Beſorgniß, nicht hatte vor ſich kommen, ſondern ihnen nur verſichern laſſen, daß er ſie am folgenden Tage ſelbſt beſuchen wuͤrde. Um indeſſen nicht ganz vergebens am Lande geweſen zu ſeyn, nahmen ſie laͤngſt der Kuͤſte, nach Oſten hin, einen Spatziergang vor. Eine Menge von Einwohnern folgte ihnen uͤberall nach, und als ſie unterwegens an einen Bach kamen, bo- ten ſich die Leute um die Wette an, ſie auf den Schultern heruͤber zu tragen. Jenſeits deſſelben aber zerſtreueten ſich die Indianer nach und nach, ſo daß ſie end- lich nur einen einzigen Mann bey ſich hatten. Dieſen ließen ſie als Wegwei- ſer vorauf gehen, und folgten ihm nach einer unbebaueten Landſpitze, welche ſich ins Meer erſtreckte. Der Ort war mit wild aufgeſchoßnen Pflanzen und Stau- den verwachſen; und als ſie ſich durch dieſes Buſchwerk hindurch gearbeitet hat- ten, ſtand ein pyramidenfoͤrmiges Gebaͤude von Steinen vor ihnen, deſſen Ba- ſis, vorn, ohngefaͤhr zwanzig Schritte (60 Fus) breit ſeyn mochte. Ihr Be- gleiter ſagte ihnen, es ſey eine Grabſtelle oder ein heiliger Verſammlungsplatz, Maraï, und er nannte es, Maraïno-Aheatua, den Begraͤbnißplatz des A- heatua, der jetzt Koͤnig auf Teiarrabu iſt. Das ganze Gebaͤude war aus meh- reren Terraſſen oder Stufen uͤbereinander aufgefuͤhrt, die aber, beſonders gegen die Landſeite hin, ziemlich verfallen und ſchon mit Gras und Buſchwerk uͤber- wachſen waren. Rund um das Gebaͤude ſtanden funfzehen duͤnne, faſt ſenkrecht in die Erde geſteckte, hoͤlzerne Pfoſten, die zum Theil 18 Fus lang ſeyn mochten,
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aber am bewundrungswuͤrdigſten duͤnkte, war die außerordentliche Geſchwin-
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klaren Waſſer ſehr deutlich bemerken ließ. Da man hier zu Lande gewohnt iſt
ſich vielfaͤltig zu baden, wie bereits Capitain Cook auf ſeiner vorigen Reiſe ange-
merkt hat, ſo lernen die Leute ohne Zweifel ſchon von der fruͤheſten Kindheit an
ſchwimmen, und beſitzen daher auch eine ſolche Fertigkeit darinn, daß man ſie
der Behendigkeit im Waſſer und der Biegſamkeit ihrer Glieder nach, faſt fuͤr
Amphibien halten ſollte. Nachdem ſie dieſe Schwimmer-Uebungen und andere
Beſchaͤfftigungen bis zu Untergang der Sonne fortgeſetzt hatten, kehrten ſie all-
maͤhlig nach dem Ufer zuruͤck.
1773.
Auguſt.
Um dieſe Zeit kamen auch die Capitains mit ihrer Geſellſchaft wieder
an Bord, ohne den Koͤnig geſehn zu haben; der ſie, wer weis aus was fuͤr
mißtrauiſcher Beſorgniß, nicht hatte vor ſich kommen, ſondern ihnen nur
verſichern laſſen, daß er ſie am folgenden Tage ſelbſt beſuchen wuͤrde. Um
indeſſen nicht ganz vergebens am Lande geweſen zu ſeyn, nahmen ſie laͤngſt der
Kuͤſte, nach Oſten hin, einen Spatziergang vor. Eine Menge von Einwohnern
folgte ihnen uͤberall nach, und als ſie unterwegens an einen Bach kamen, bo-
ten ſich die Leute um die Wette an, ſie auf den Schultern heruͤber zu tragen.
Jenſeits deſſelben aber zerſtreueten ſich die Indianer nach und nach, ſo daß ſie end-
lich nur einen einzigen Mann bey ſich hatten. Dieſen ließen ſie als Wegwei-
ſer vorauf gehen, und folgten ihm nach einer unbebaueten Landſpitze, welche ſich
ins Meer erſtreckte. Der Ort war mit wild aufgeſchoßnen Pflanzen und Stau-
den verwachſen; und als ſie ſich durch dieſes Buſchwerk hindurch gearbeitet hat-
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ſis, vorn, ohngefaͤhr zwanzig Schritte (60 Fus) breit ſeyn mochte. Ihr Be-
gleiter ſagte ihnen, es ſey eine Grabſtelle oder ein heiliger Verſammlungsplatz,
Maraï, und er nannte es, Maraï no-Aheatua, den Begraͤbnißplatz des A-
heatua, der jetzt Koͤnig auf Teiarrabu iſt. Das ganze Gebaͤude war aus meh-
reren Terraſſen oder Stufen uͤbereinander aufgefuͤhrt, die aber, beſonders gegen
die Landſeite hin, ziemlich verfallen und ſchon mit Gras und Buſchwerk uͤber-
wachſen waren. Rund um das Gebaͤude ſtanden funfzehen duͤnne, faſt ſenkrecht
in die Erde geſteckte, hoͤlzerne Pfoſten, die zum Theil 18 Fus lang ſeyn mochten,
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/255>, abgerufen am 18.06.2024.
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