Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.in den Jahren 1772 bis 1775. dern. Es dauerte nicht lange, so waren sie durch die Oeffnung des Riefs,1773.August. und eines kam uns so nahe, daß wir es abrufen konnten. Zwey fast ganz nackte Leute, mit einer Art von Turban auf dem Kopfe und mit einer Scherfe um die Hüften, saßen darinn. Sie schwenkten ein großes grünes Blatt in der Luft und kamen mit einem oft wiederholten lauten Tayo! heran, *) ein Ausruf, den wir ohne Mühe und ohne Wörterbücher als einen Freundschafts-Gruß ausle- gen konnten. Das Canot ruderte dicht unter das Hintertheil des Schiffs, und wir ließen ihnen sogleich ein Geschenk von Glas-Corallen, Nägeln und Medail- len herab. Sie hinwiederum reichten uns einen grünen Pisang-Schoß zu, der bey ihnen ein Sinnbild des Friedens ist, und baten solchen dergestalt ans Schiff zu befestigen, daß er einem jeden in die Augen fiele. Dem zufolge ward er an die Wand (das Tauwerk) des Hauptmasts fest gemacht; worauf unsre Freunde so- gleich nach dem Lande zurückkehrten. Es währete nicht lange, so sahe man das Ufer mit einer Menge Menschen bedeckt, die nach uns hinguckten, indessen daß andere, voll Zutrauens auf das geschloßne Friedens-Bündniß, ihre Canots ins Wasser stießen und sie mit Landes-Producten befrachteten. In weniger als einer Stunde umgaben uns Hunderte von dergleichen Fahrzeugen, in deren jedem sich ein, zwey, drey, zuweilen auch vier Mann befanden. Ihr Vertrauen zu uns gieng so weit, daß sie sämmtlich unbewafnet kamen. Von allen Seiten erschallte das be- willkommende Tayo! und wir erwiederten es mit wahrhaftem und herzlichen Vergnügen über eine so günstige Veränderung unsrer Umstände. Sie brachten uns Coco-Nüsse und Pisangs in Ueberfluß, nebst Brodfrucht und andern Ge- wächsen, welche sie sehr eifrig gegen Glas-Corallen und kleine Nägel vertauschten. Stücken Zeug, Fisch-Angeln, steinerne Aexte, und allerhand Arten von Werk- zeugen wurden gleichfalls zum Verkauf ausgeboten und leicht angebracht. Die Menge von Canots, welche zwischen uns und der Küste ab- und zu giengen, stellae ein schönes Schauspiel, gewissermaßen eine neue Art von Messe, auf dem Wasser dar. Ich fing sogleich an durch die Cajütten-Fenster, um Naturalien zu handeln, und in einer halben Stunde hatte ich schon zwey bis drey Arten unbekannter Vögel und eine große Anzahl neuer Fische beysammen. Die Farben der letztern waren, so lange sie lebten, von ausnehmender Schönheit, *) S. Bougainvilles Reisen. Forster's Reise u. d. W. erster Th. B b
in den Jahren 1772 bis 1775. dern. Es dauerte nicht lange, ſo waren ſie durch die Oeffnung des Riefs,1773.Auguſt. und eines kam uns ſo nahe, daß wir es abrufen konnten. Zwey faſt ganz nackte Leute, mit einer Art von Turban auf dem Kopfe und mit einer Scherfe um die Huͤften, ſaßen darinn. Sie ſchwenkten ein großes gruͤnes Blatt in der Luft und kamen mit einem oft wiederholten lauten Tayo! heran, *) ein Ausruf, den wir ohne Muͤhe und ohne Woͤrterbuͤcher als einen Freundſchafts-Gruß ausle- gen konnten. Das Canot ruderte dicht unter das Hintertheil des Schiffs, und wir ließen ihnen ſogleich ein Geſchenk von Glas-Corallen, Naͤgeln und Medail- len herab. Sie hinwiederum reichten uns einen gruͤnen Piſang-Schoß zu, der bey ihnen ein Sinnbild des Friedens iſt, und baten ſolchen dergeſtalt ans Schiff zu befeſtigen, daß er einem jeden in die Augen fiele. Dem zufolge ward er an die Wand (das Tauwerk) des Hauptmaſts feſt gemacht; worauf unſre Freunde ſo- gleich nach dem Lande zuruͤckkehrten. Es waͤhrete nicht lange, ſo ſahe man das Ufer mit einer Menge Menſchen bedeckt, die nach uns hinguckten, indeſſen daß andere, voll Zutrauens auf das geſchloßne Friedens-Buͤndniß, ihre Canots ins Waſſer ſtießen und ſie mit Landes-Producten befrachteten. In weniger als einer Stunde umgaben uns Hunderte von dergleichen Fahrzeugen, in deren jedem ſich ein, zwey, drey, zuweilen auch vier Mann befanden. Ihr Vertrauen zu uns gieng ſo weit, daß ſie ſaͤmmtlich unbewafnet kamen. Von allen Seiten erſchallte das be- willkommende Tayo! und wir erwiederten es mit wahrhaftem und herzlichen Vergnuͤgen uͤber eine ſo guͤnſtige Veraͤnderung unſrer Umſtaͤnde. Sie brachten uns Coco-Nuͤſſe und Piſangs in Ueberfluß, nebſt Brodfrucht und andern Ge- waͤchſen, welche ſie ſehr eifrig gegen Glas-Corallen und kleine Naͤgel vertauſchten. Stuͤcken Zeug, Fiſch-Angeln, ſteinerne Aexte, und allerhand Arten von Werk- zeugen wurden gleichfalls zum Verkauf ausgeboten und leicht angebracht. Die Menge von Canots, welche zwiſchen uns und der Kuͤſte ab- und zu giengen, ſtellæ ein ſchoͤnes Schauſpiel, gewiſſermaßen eine neue Art von Meſſe, auf dem Waſſer dar. Ich fing ſogleich an durch die Cajuͤtten-Fenſter, um Naturalien zu handeln, und in einer halben Stunde hatte ich ſchon zwey bis drey Arten unbekannter Voͤgel und eine große Anzahl neuer Fiſche beyſammen. Die Farben der letztern waren, ſo lange ſie lebten, von ausnehmender Schoͤnheit, *) S. Bougainvilles Reiſen. Forſter’s Reiſe u. d. W. erſter Th. B b
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in den Jahren 1772 bis 1775.
dern. Es dauerte nicht lange, ſo waren ſie durch die Oeffnung des Riefs,
und eines kam uns ſo nahe, daß wir es abrufen konnten. Zwey faſt ganz nackte
Leute, mit einer Art von Turban auf dem Kopfe und mit einer Scherfe um die
Huͤften, ſaßen darinn. Sie ſchwenkten ein großes gruͤnes Blatt in der Luft
und kamen mit einem oft wiederholten lauten Tayo! heran, *) ein Ausruf, den
wir ohne Muͤhe und ohne Woͤrterbuͤcher als einen Freundſchafts-Gruß ausle-
gen konnten. Das Canot ruderte dicht unter das Hintertheil des Schiffs, und
wir ließen ihnen ſogleich ein Geſchenk von Glas-Corallen, Naͤgeln und Medail-
len herab. Sie hinwiederum reichten uns einen gruͤnen Piſang-Schoß zu, der
bey ihnen ein Sinnbild des Friedens iſt, und baten ſolchen dergeſtalt ans Schiff
zu befeſtigen, daß er einem jeden in die Augen fiele. Dem zufolge ward er an die
Wand (das Tauwerk) des Hauptmaſts feſt gemacht; worauf unſre Freunde ſo-
gleich nach dem Lande zuruͤckkehrten. Es waͤhrete nicht lange, ſo ſahe man das
Ufer mit einer Menge Menſchen bedeckt, die nach uns hinguckten, indeſſen daß
andere, voll Zutrauens auf das geſchloßne Friedens-Buͤndniß, ihre Canots ins
Waſſer ſtießen und ſie mit Landes-Producten befrachteten. In weniger als einer
Stunde umgaben uns Hunderte von dergleichen Fahrzeugen, in deren jedem ſich
ein, zwey, drey, zuweilen auch vier Mann befanden. Ihr Vertrauen zu uns gieng
ſo weit, daß ſie ſaͤmmtlich unbewafnet kamen. Von allen Seiten erſchallte das be-
willkommende Tayo! und wir erwiederten es mit wahrhaftem und herzlichen
Vergnuͤgen uͤber eine ſo guͤnſtige Veraͤnderung unſrer Umſtaͤnde. Sie brachten
uns Coco-Nuͤſſe und Piſangs in Ueberfluß, nebſt Brodfrucht und andern Ge-
waͤchſen, welche ſie ſehr eifrig gegen Glas-Corallen und kleine Naͤgel vertauſchten.
Stuͤcken Zeug, Fiſch-Angeln, ſteinerne Aexte, und allerhand Arten von Werk-
zeugen wurden gleichfalls zum Verkauf ausgeboten und leicht angebracht. Die
Menge von Canots, welche zwiſchen uns und der Kuͤſte ab- und zu giengen,
ſtellæ ein ſchoͤnes Schauſpiel, gewiſſermaßen eine neue Art von Meſſe, auf dem
Waſſer dar. Ich fing ſogleich an durch die Cajuͤtten-Fenſter, um Naturalien
zu handeln, und in einer halben Stunde hatte ich ſchon zwey bis drey Arten
unbekannter Voͤgel und eine große Anzahl neuer Fiſche beyſammen. Die
Farben der letztern waren, ſo lange ſie lebten, von ausnehmender Schoͤnheit,
1773.
Auguſt.
*) S. Bougainvilles Reiſen.
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