stärkte uns in der Meynung, daß die Luft nirgends so schön, der Himmel nir-1773. Julius. gends so prächtig sey, als zwischen den Wende-Cirkeln.
Am 28sten war die Adventure so nahe bey uns, daß wir mit den Leu- ten derselben sprechen konnten. Sie erzählten uns, daß vor drey Tagen ihr Koch gestorben und daß zwanzig Mann am Scorbute krank wären. Diese Nach- richt war uns desto unerwarteter, da in unserm Schiff kaum bey einem oder dem andern von unsern Leuten Anzeigen des Scorbuts vorhanden waren, und wir über- haupt auch nur einen einzigen gefährlich Kranken an Bord hatten. Um jenen den Verlust zu ersetzen, schickte Capitain Cook gleich am folgenden Tage einen seiner Seeleute, mit der Bestallung als Koch, auf die Adventure; und verschiedne un- srer Herren Mitreisenden bedienten sich dieser Gelegenheit an Bord des gedach- ten Schiffs zu gehen und daselbst zu speisen. Sie fanden Capitain Furneaux, nebst andern, mit Gliederreissen, viele seiner Leute aber mit Flüssen geplagt. Un- ter den scorbutischen Patienten war der Zimmermann am übelsten dran, denn er hatte schon große blaue Flecken auf den Beinen. Dieser Unterschied in den Ge- sundheits-Umständen unsers beyderseitigen Schiffsvolks rührte vermuthlich da- her, daß es auf der Adventure an frischer Luft fehlte. Unser Schiff war hö- her über dem Wasser, und daher konnten wir, selbst bey ungestümen Wetter, mehr Luftlöcher offen halten, als jene. Ueberdem aßen unsere Leute häufiger Sauerkraut, brauchten auch mehr Wohrt; vornemlich aber bedienten sie sich der Malzkörner zu Umschlägen auf die scorbutischen Flecke und geschwoll- nen Glieder, welches man dagegen in der Adventure nie zu thun pflegte. Bey dieser Gelegenheit wird es nicht unschicklich seyn zu bemerken, daß der Scorbut in warmen Ländern am gefährlichsten und bösartigsten ist. So lange wir uns in höhern und kältern Breiten befanden, zeigte er sich nicht, oder höch- stens doch nur bey einzelnen Personen, die von Natur ungesund und dazu geneigt waren. Allein, kaum hatten wir zehen Tage lang warmes Wetter gehabt, als schon am Bord der Adventure ein Patient daran starb und viel andre von den schlimmsten Symptomen desselben befallen wurden. Die Hitze scheint also die Entzündung und Fäulniß zu befördern; und selbst bey denen, die am Scorbute eben nicht gefährlich krank waren, brachte sie große Mattigkeit und Schwäche hervor.
in den Jahren 1772 bis 1775.
ſtaͤrkte uns in der Meynung, daß die Luft nirgends ſo ſchoͤn, der Himmel nir-1773. Julius. gends ſo praͤchtig ſey, als zwiſchen den Wende-Cirkeln.
Am 28ſten war die Adventure ſo nahe bey uns, daß wir mit den Leu- ten derſelben ſprechen konnten. Sie erzaͤhlten uns, daß vor drey Tagen ihr Koch geſtorben und daß zwanzig Mann am Scorbute krank waͤren. Dieſe Nach- richt war uns deſto unerwarteter, da in unſerm Schiff kaum bey einem oder dem andern von unſern Leuten Anzeigen des Scorbuts vorhanden waren, und wir uͤber- haupt auch nur einen einzigen gefaͤhrlich Kranken an Bord hatten. Um jenen den Verluſt zu erſetzen, ſchickte Capitain Cook gleich am folgenden Tage einen ſeiner Seeleute, mit der Beſtallung als Koch, auf die Adventure; und verſchiedne un- ſrer Herren Mitreiſenden bedienten ſich dieſer Gelegenheit an Bord des gedach- ten Schiffs zu gehen und daſelbſt zu ſpeiſen. Sie fanden Capitain Furneaux, nebſt andern, mit Gliederreiſſen, viele ſeiner Leute aber mit Fluͤſſen geplagt. Un- ter den ſcorbutiſchen Patienten war der Zimmermann am uͤbelſten dran, denn er hatte ſchon große blaue Flecken auf den Beinen. Dieſer Unterſchied in den Ge- ſundheits-Umſtaͤnden unſers beyderſeitigen Schiffsvolks ruͤhrte vermuthlich da- her, daß es auf der Adventure an friſcher Luft fehlte. Unſer Schiff war hoͤ- her uͤber dem Waſſer, und daher konnten wir, ſelbſt bey ungeſtuͤmen Wetter, mehr Luftloͤcher offen halten, als jene. Ueberdem aßen unſere Leute haͤufiger Sauerkraut, brauchten auch mehr Wohrt; vornemlich aber bedienten ſie ſich der Malzkoͤrner zu Umſchlaͤgen auf die ſcorbutiſchen Flecke und geſchwoll- nen Glieder, welches man dagegen in der Adventure nie zu thun pflegte. Bey dieſer Gelegenheit wird es nicht unſchicklich ſeyn zu bemerken, daß der Scorbut in warmen Laͤndern am gefaͤhrlichſten und boͤsartigſten iſt. So lange wir uns in hoͤhern und kaͤltern Breiten befanden, zeigte er ſich nicht, oder hoͤch- ſtens doch nur bey einzelnen Perſonen, die von Natur ungeſund und dazu geneigt waren. Allein, kaum hatten wir zehen Tage lang warmes Wetter gehabt, als ſchon am Bord der Adventure ein Patient daran ſtarb und viel andre von den ſchlimmſten Symptomen deſſelben befallen wurden. Die Hitze ſcheint alſo die Entzuͤndung und Faͤulniß zu befoͤrdern; und ſelbſt bey denen, die am Scorbute eben nicht gefaͤhrlich krank waren, brachte ſie große Mattigkeit und Schwaͤche hervor.
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in den Jahren 1772 bis 1775.
ſtaͤrkte uns in der Meynung, daß die Luft nirgends ſo ſchoͤn, der Himmel nir-
gends ſo praͤchtig ſey, als zwiſchen den Wende-Cirkeln.
1773.
Julius.
Am 28ſten war die Adventure ſo nahe bey uns, daß wir mit den Leu-
ten derſelben ſprechen konnten. Sie erzaͤhlten uns, daß vor drey Tagen ihr
Koch geſtorben und daß zwanzig Mann am Scorbute krank waͤren. Dieſe Nach-
richt war uns deſto unerwarteter, da in unſerm Schiff kaum bey einem oder dem
andern von unſern Leuten Anzeigen des Scorbuts vorhanden waren, und wir uͤber-
haupt auch nur einen einzigen gefaͤhrlich Kranken an Bord hatten. Um jenen den
Verluſt zu erſetzen, ſchickte Capitain Cook gleich am folgenden Tage einen ſeiner
Seeleute, mit der Beſtallung als Koch, auf die Adventure; und verſchiedne un-
ſrer Herren Mitreiſenden bedienten ſich dieſer Gelegenheit an Bord des gedach-
ten Schiffs zu gehen und daſelbſt zu ſpeiſen. Sie fanden Capitain Furneaux,
nebſt andern, mit Gliederreiſſen, viele ſeiner Leute aber mit Fluͤſſen geplagt. Un-
ter den ſcorbutiſchen Patienten war der Zimmermann am uͤbelſten dran, denn er
hatte ſchon große blaue Flecken auf den Beinen. Dieſer Unterſchied in den Ge-
ſundheits-Umſtaͤnden unſers beyderſeitigen Schiffsvolks ruͤhrte vermuthlich da-
her, daß es auf der Adventure an friſcher Luft fehlte. Unſer Schiff war hoͤ-
her uͤber dem Waſſer, und daher konnten wir, ſelbſt bey ungeſtuͤmen Wetter,
mehr Luftloͤcher offen halten, als jene. Ueberdem aßen unſere Leute haͤufiger
Sauerkraut, brauchten auch mehr Wohrt; vornemlich aber bedienten ſie ſich
der Malzkoͤrner zu Umſchlaͤgen auf die ſcorbutiſchen Flecke und geſchwoll-
nen Glieder, welches man dagegen in der Adventure nie zu thun pflegte.
Bey dieſer Gelegenheit wird es nicht unſchicklich ſeyn zu bemerken, daß der
Scorbut in warmen Laͤndern am gefaͤhrlichſten und boͤsartigſten iſt. So lange
wir uns in hoͤhern und kaͤltern Breiten befanden, zeigte er ſich nicht, oder hoͤch-
ſtens doch nur bey einzelnen Perſonen, die von Natur ungeſund und dazu geneigt
waren. Allein, kaum hatten wir zehen Tage lang warmes Wetter gehabt, als
ſchon am Bord der Adventure ein Patient daran ſtarb und viel andre von
den ſchlimmſten Symptomen deſſelben befallen wurden. Die Hitze ſcheint
alſo die Entzuͤndung und Faͤulniß zu befoͤrdern; und ſelbſt bey denen, die am
Scorbute eben nicht gefaͤhrlich krank waren, brachte ſie große Mattigkeit und
Schwaͤche hervor.
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/236>, abgerufen am 22.11.2024.
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