Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Forster's Reise um die Welt
1773.
May.
deren in Captain Cooks voriger Reisebeschreibung erwähnt ist. Nachdem sie
ein Paar Stunden an Bord gewesen, fiengen sie an zu stehlen und alles auf die
Seite zu bringen, was ihnen in die Hände fiel. Man ertappte einige die eben
eine vierstündige Sand-Uhr, eine Lampe, etliche Schnupftücher und Messer fort-
schleppen wollten. Dieses Diebes-Streichs wegen ließ sie der Capitain zum
Schiffe hinaus werfen und ihnen andeuten, daß sie nie wieder an Bord kommen
sollten. Sie fühlten vollkommen, wie sehr ihnen eine solche Begegnung zur
Schande gereiche, und ihr hitziges Temperament, das keine Kränkung ertragen
kann, gerieth darüber in Feuer und Flammen, so daß der eine sich nicht enthalten
konnte von seinem Canot aus zu drohen, als wolle er zu Gewaltthätigkeiten
schreiten. Dazu kom es indessen nicht, sondern am Abend giengen sie alle
ruhig ans Land und richteten, dem Schiffe gegenüber, aus Baumzweigen einige
Hütten auf, um die Nacht darunter zuzubringen. Hierauf zogen sie die Ca-
nots aufs Land, zündeten ein Feuer an und bereiteten ihr Abendessen, das aus
einigen Fischen bestand, welche sie in ihren Fahrzeugen, nicht weit vom Ufer, mit be-
sonderer Geschicklichkeit in einem Reisen-Netz gefangen hatten. Beydes, so-
wohl das Netz als die Art sich desselben zu bedienen, sind in Cook's voriger
Reise beschrieben. *)

Am folgenden Morgen fuhren wir, bey schönem gelinden Wetter
nach Long-Eyland, um nach dem Heu zu sehen, welches unsre Leute vor
acht Tagen allda gemacht hatten. Auch wollten wir, in der Nachbarschaft ei-
nes daselbst befindlichen aber verlaßnen indianischen Wohnplatzes, Gemüse für
das Schiffsvolk einsammlen. Bey dieser Gelegenheit sanden wir wiederum ei-
nige neue Pflanzen und schossen auch etliche kleine Vögel-, die von den bis-
her bekannten verschieden waren. Nachmittags gab der Capitain mehreren Ma-
trosen Erlaubniß ans Land zu gehen, woselbst sie von den Wilden allerhand
Curiositäten einhandelten, und sich zu gleicher Zeit um die Gunst manches Mäd-
chens bewarben, ohne sich an die ekelhafte Unreinlichkeit derselben im geringsten
zu kehren. Hätten sie indessen nicht gleichsam aller Empfindung entsagt gehabt;
so würde die widrige Mode dieser Frauenspersonen, sich die Backen mit Oker
und Oel zu beschmieren, sie schon allein von dergleichen vertrauten Verbindungen

*) S. Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen in 4. zweyter Band, pag. 389.

Forſter’s Reiſe um die Welt
1773.
May.
deren in Captain Cooks voriger Reiſebeſchreibung erwaͤhnt iſt. Nachdem ſie
ein Paar Stunden an Bord geweſen, fiengen ſie an zu ſtehlen und alles auf die
Seite zu bringen, was ihnen in die Haͤnde fiel. Man ertappte einige die eben
eine vierſtuͤndige Sand-Uhr, eine Lampe, etliche Schnupftuͤcher und Meſſer fort-
ſchleppen wollten. Dieſes Diebes-Streichs wegen ließ ſie der Capitain zum
Schiffe hinaus werfen und ihnen andeuten, daß ſie nie wieder an Bord kommen
ſollten. Sie fuͤhlten vollkommen, wie ſehr ihnen eine ſolche Begegnung zur
Schande gereiche, und ihr hitziges Temperament, das keine Kraͤnkung ertragen
kann, gerieth daruͤber in Feuer und Flammen, ſo daß der eine ſich nicht enthalten
konnte von ſeinem Canot aus zu drohen, als wolle er zu Gewaltthaͤtigkeiten
ſchreiten. Dazu kom es indeſſen nicht, ſondern am Abend giengen ſie alle
ruhig ans Land und richteten, dem Schiffe gegenuͤber, aus Baumzweigen einige
Huͤtten auf, um die Nacht darunter zuzubringen. Hierauf zogen ſie die Ca-
nots aufs Land, zuͤndeten ein Feuer an und bereiteten ihr Abendeſſen, das aus
einigen Fiſchen beſtand, welche ſie in ihren Fahrzeugen, nicht weit vom Ufer, mit be-
ſonderer Geſchicklichkeit in einem Reiſen-Netz gefangen hatten. Beydes, ſo-
wohl das Netz als die Art ſich deſſelben zu bedienen, ſind in Cook’s voriger
Reiſe beſchrieben. *)

Am folgenden Morgen fuhren wir, bey ſchoͤnem gelinden Wetter
nach Long-Eyland, um nach dem Heu zu ſehen, welches unſre Leute vor
acht Tagen allda gemacht hatten. Auch wollten wir, in der Nachbarſchaft ei-
nes daſelbſt befindlichen aber verlaßnen indianiſchen Wohnplatzes, Gemuͤſe fuͤr
das Schiffsvolk einſammlen. Bey dieſer Gelegenheit ſanden wir wiederum ei-
nige neue Pflanzen und ſchoſſen auch etliche kleine Voͤgel-, die von den bis-
her bekannten verſchieden waren. Nachmittags gab der Capitain mehreren Ma-
troſen Erlaubniß ans Land zu gehen, woſelbſt ſie von den Wilden allerhand
Curioſitaͤten einhandelten, und ſich zu gleicher Zeit um die Gunſt manches Maͤd-
chens bewarben, ohne ſich an die ekelhafte Unreinlichkeit derſelben im geringſten
zu kehren. Haͤtten ſie indeſſen nicht gleichſam aller Empfindung entſagt gehabt;
ſo wuͤrde die widrige Mode dieſer Frauensperſonen, ſich die Backen mit Oker
und Oel zu beſchmieren, ſie ſchon allein von dergleichen vertrauten Verbindungen

*) S. Hawkesworths Geſch. der engl. See-Reiſen in 4. zweyter Band, pag. 389.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0213" n="162"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1773.<lb/>
May.</note>deren in Captain <hi rendition="#fr"><persName>Cooks</persName></hi> voriger Rei&#x017F;ebe&#x017F;chreibung erwa&#x0364;hnt i&#x017F;t. Nachdem &#x017F;ie<lb/>
ein Paar Stunden an Bord gewe&#x017F;en, fiengen &#x017F;ie an zu &#x017F;tehlen und alles auf die<lb/>
Seite zu bringen, was ihnen in die Ha&#x0364;nde fiel. Man ertappte einige die eben<lb/>
eine vier&#x017F;tu&#x0364;ndige Sand-Uhr, eine Lampe, etliche Schnupftu&#x0364;cher und Me&#x017F;&#x017F;er fort-<lb/>
&#x017F;chleppen wollten. Die&#x017F;es Diebes-Streichs wegen ließ &#x017F;ie der Capitain zum<lb/>
Schiffe hinaus werfen und ihnen andeuten, daß &#x017F;ie nie wieder an Bord kommen<lb/>
&#x017F;ollten. Sie fu&#x0364;hlten vollkommen, wie &#x017F;ehr ihnen eine &#x017F;olche Begegnung zur<lb/>
Schande gereiche, und ihr hitziges Temperament, das keine Kra&#x0364;nkung ertragen<lb/>
kann, gerieth daru&#x0364;ber in Feuer und Flammen, &#x017F;o daß der eine &#x017F;ich nicht enthalten<lb/>
konnte von &#x017F;einem Canot aus zu drohen, als wolle er zu Gewalttha&#x0364;tigkeiten<lb/>
&#x017F;chreiten. Dazu kom es inde&#x017F;&#x017F;en nicht, &#x017F;ondern am Abend giengen &#x017F;ie alle<lb/>
ruhig ans Land und richteten, dem Schiffe gegenu&#x0364;ber, aus Baumzweigen einige<lb/>
Hu&#x0364;tten auf, um die Nacht darunter zuzubringen. Hierauf zogen &#x017F;ie die Ca-<lb/>
nots aufs Land, zu&#x0364;ndeten ein Feuer an und bereiteten ihr Abende&#x017F;&#x017F;en, das aus<lb/>
einigen Fi&#x017F;chen be&#x017F;tand, welche &#x017F;ie in ihren Fahrzeugen, nicht weit vom Ufer, mit be-<lb/>
&#x017F;onderer Ge&#x017F;chicklichkeit in einem Rei&#x017F;en-Netz gefangen hatten. Beydes, &#x017F;o-<lb/>
wohl das Netz als die Art &#x017F;ich de&#x017F;&#x017F;elben zu bedienen, &#x017F;ind in <hi rendition="#fr"><persName>Cook&#x2019;s</persName></hi> voriger<lb/>
Rei&#x017F;e be&#x017F;chrieben. <note place="foot" n="*)">S. <persName>Hawkesworths</persName> Ge&#x017F;ch. der engl. See-Rei&#x017F;en in 4. zweyter Band, <hi rendition="#aq">pag.</hi> 389.</note></p><lb/>
        <p>Am folgenden Morgen fuhren wir, bey &#x017F;cho&#x0364;nem gelinden Wetter<lb/>
nach <hi rendition="#fr"><placeName>Long-Eyland</placeName></hi>, um nach dem Heu zu &#x017F;ehen, welches un&#x017F;re Leute vor<lb/>
acht Tagen allda gemacht hatten. Auch wollten wir, in der Nachbar&#x017F;chaft ei-<lb/>
nes da&#x017F;elb&#x017F;t befindlichen aber verlaßnen indiani&#x017F;chen Wohnplatzes, Gemu&#x0364;&#x017F;e fu&#x0364;r<lb/>
das Schiffsvolk ein&#x017F;ammlen. Bey die&#x017F;er Gelegenheit &#x017F;anden wir wiederum ei-<lb/>
nige neue Pflanzen und &#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en auch etliche kleine Vo&#x0364;gel-, die von den bis-<lb/>
her bekannten ver&#x017F;chieden waren. Nachmittags gab der Capitain mehreren Ma-<lb/>
tro&#x017F;en Erlaubniß ans Land zu gehen, wo&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ie von den Wilden allerhand<lb/>
Curio&#x017F;ita&#x0364;ten einhandelten, und &#x017F;ich zu gleicher Zeit um die Gun&#x017F;t manches Ma&#x0364;d-<lb/>
chens bewarben, ohne &#x017F;ich an die ekelhafte Unreinlichkeit der&#x017F;elben im gering&#x017F;ten<lb/>
zu kehren. Ha&#x0364;tten &#x017F;ie inde&#x017F;&#x017F;en nicht gleich&#x017F;am aller Empfindung ent&#x017F;agt gehabt;<lb/>
&#x017F;o wu&#x0364;rde die widrige Mode die&#x017F;er Frauensper&#x017F;onen, &#x017F;ich die Backen mit Oker<lb/>
und Oel zu be&#x017F;chmieren, &#x017F;ie &#x017F;chon allein von dergleichen vertrauten Verbindungen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162/0213] Forſter’s Reiſe um die Welt deren in Captain Cooks voriger Reiſebeſchreibung erwaͤhnt iſt. Nachdem ſie ein Paar Stunden an Bord geweſen, fiengen ſie an zu ſtehlen und alles auf die Seite zu bringen, was ihnen in die Haͤnde fiel. Man ertappte einige die eben eine vierſtuͤndige Sand-Uhr, eine Lampe, etliche Schnupftuͤcher und Meſſer fort- ſchleppen wollten. Dieſes Diebes-Streichs wegen ließ ſie der Capitain zum Schiffe hinaus werfen und ihnen andeuten, daß ſie nie wieder an Bord kommen ſollten. Sie fuͤhlten vollkommen, wie ſehr ihnen eine ſolche Begegnung zur Schande gereiche, und ihr hitziges Temperament, das keine Kraͤnkung ertragen kann, gerieth daruͤber in Feuer und Flammen, ſo daß der eine ſich nicht enthalten konnte von ſeinem Canot aus zu drohen, als wolle er zu Gewaltthaͤtigkeiten ſchreiten. Dazu kom es indeſſen nicht, ſondern am Abend giengen ſie alle ruhig ans Land und richteten, dem Schiffe gegenuͤber, aus Baumzweigen einige Huͤtten auf, um die Nacht darunter zuzubringen. Hierauf zogen ſie die Ca- nots aufs Land, zuͤndeten ein Feuer an und bereiteten ihr Abendeſſen, das aus einigen Fiſchen beſtand, welche ſie in ihren Fahrzeugen, nicht weit vom Ufer, mit be- ſonderer Geſchicklichkeit in einem Reiſen-Netz gefangen hatten. Beydes, ſo- wohl das Netz als die Art ſich deſſelben zu bedienen, ſind in Cook’s voriger Reiſe beſchrieben. *) 1773. May. Am folgenden Morgen fuhren wir, bey ſchoͤnem gelinden Wetter nach Long-Eyland, um nach dem Heu zu ſehen, welches unſre Leute vor acht Tagen allda gemacht hatten. Auch wollten wir, in der Nachbarſchaft ei- nes daſelbſt befindlichen aber verlaßnen indianiſchen Wohnplatzes, Gemuͤſe fuͤr das Schiffsvolk einſammlen. Bey dieſer Gelegenheit ſanden wir wiederum ei- nige neue Pflanzen und ſchoſſen auch etliche kleine Voͤgel-, die von den bis- her bekannten verſchieden waren. Nachmittags gab der Capitain mehreren Ma- troſen Erlaubniß ans Land zu gehen, woſelbſt ſie von den Wilden allerhand Curioſitaͤten einhandelten, und ſich zu gleicher Zeit um die Gunſt manches Maͤd- chens bewarben, ohne ſich an die ekelhafte Unreinlichkeit derſelben im geringſten zu kehren. Haͤtten ſie indeſſen nicht gleichſam aller Empfindung entſagt gehabt; ſo wuͤrde die widrige Mode dieſer Frauensperſonen, ſich die Backen mit Oker und Oel zu beſchmieren, ſie ſchon allein von dergleichen vertrauten Verbindungen *) S. Hawkesworths Geſch. der engl. See-Reiſen in 4. zweyter Band, pag. 389.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/213
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/213>, abgerufen am 25.11.2024.