1773. März.todt zur Welt oder verklammten doch bald darauf vor Kälte. Kurz wir sahen aus so vielen zusammenstimmenden Umständen, daß es Zeit sey die höhern südli- chen Breiten zu verlassen, und nach einem Haven zu eilen, wo wir unsre Leute erfrischen und die noch wenigen übrigen Schafe retten könnten, welche den Ein- wohnern der Süd-See-Inseln zum Geschenk bestimmt waren.
Am 16ten da wir uns ohngefähr unterm 58. Grade südlicher Breite befanden, leuchtete des Nachts die See, welches uns, der angezeigten hohen Breite und der Kälte des Himmelsstrichs wegen, merkwürdig dünkte, obgleich das Leuch- ten hier nicht so stark als am Cap, sondern nur in einzelnen Funken zu sehen war. Das Thermometer stand am Mittag auf 33 1/2 Grad, und in der Nacht vom 16ten und 19ten ließ sich das Südlicht wiederum sehen; das letztemal mach- ten die Licht-Säulen einen Bogen über den ganzen Himmel und waren leuch- tender als wir sie zuvor je gesehen hatten. Nunmehro fingen wir auch, wie bereits gemeldet, endlich an nach Nordosten hinauf zu steuern, um das Süd- Ende von Neu-Seeland zu erreichen. Auf diesem ganzen Strich hatten wir starke Winde, und sahen oft Seegras, besonders Felskraut, imgleichen eine große Menge von Sturm- und andern Seevögeln. Von den letztern belustigten uns vornehmlich einige große graue Mewen die auf einen großen weißen Albatros Jagd machten. Der Länge seiner Flügel ohngeachtet konnte er ihnen doch nicht entgehen, und wenn sie ihn eingehohlt hatten suchten sie ihm vornehmlich von unten unterm Bauche beyzukommen, wo er, wie sie wißen mußten, am wehr- losesten seyn mag. Der Albatros hatte alsdenn kein andres Mittel ihrer los zu werden, als daß er sich aufs Wasser setzte, da sein fürchterlicher Schnabel sie denn in Respect zu halten schien. Diese Mewen sind stark und raubsüchtig, wie sie denn auf den Färroer-Inseln oftmals Lämmer in Stücken reißen und solche in ihre Ne- ster bringen. Die Albatrosse hingegen sind dem Anschein nach weniger raubsüchtig und leben mehrentheils von kleinen Seethieren besonders von den Mollusca- und Medusen Arten. Sobald wir über den funfzigsten Grad der südlichen Breite nach Norden hinauf kamen, hatten wir ihrer eine große Menge um uns, dagegen wa- ren nur wenige einzelne so weit gen Süden vorgedrungen als wir, und folglich müssen sie eigentlich wohl nur unter dem gemäßigten Himmelsstrich wohnen.
Forſter’s Reiſe um die Welt
1773. Maͤrz.todt zur Welt oder verklammten doch bald darauf vor Kaͤlte. Kurz wir ſahen aus ſo vielen zuſammenſtimmenden Umſtaͤnden, daß es Zeit ſey die hoͤhern ſuͤdli- chen Breiten zu verlaſſen, und nach einem Haven zu eilen, wo wir unſre Leute erfriſchen und die noch wenigen uͤbrigen Schafe retten koͤnnten, welche den Ein- wohnern der Suͤd-See-Inſeln zum Geſchenk beſtimmt waren.
Am 16ten da wir uns ohngefaͤhr unterm 58. Grade ſuͤdlicher Breite befanden, leuchtete des Nachts die See, welches uns, der angezeigten hohen Breite und der Kaͤlte des Himmelsſtrichs wegen, merkwuͤrdig duͤnkte, obgleich das Leuch- ten hier nicht ſo ſtark als am Cap, ſondern nur in einzelnen Funken zu ſehen war. Das Thermometer ſtand am Mittag auf 33 ½ Grad, und in der Nacht vom 16ten und 19ten ließ ſich das Suͤdlicht wiederum ſehen; das letztemal mach- ten die Licht-Saͤulen einen Bogen uͤber den ganzen Himmel und waren leuch- tender als wir ſie zuvor je geſehen hatten. Nunmehro fingen wir auch, wie bereits gemeldet, endlich an nach Nordoſten hinauf zu ſteuern, um das Suͤd- Ende von Neu-Seeland zu erreichen. Auf dieſem ganzen Strich hatten wir ſtarke Winde, und ſahen oft Seegras, beſonders Felskraut, imgleichen eine große Menge von Sturm- und andern Seevoͤgeln. Von den letztern beluſtigten uns vornehmlich einige große graue Mewen die auf einen großen weißen Albatros Jagd machten. Der Laͤnge ſeiner Fluͤgel ohngeachtet konnte er ihnen doch nicht entgehen, und wenn ſie ihn eingehohlt hatten ſuchten ſie ihm vornehmlich von unten unterm Bauche beyzukommen, wo er, wie ſie wißen mußten, am wehr- loſeſten ſeyn mag. Der Albatros hatte alsdenn kein andres Mittel ihrer los zu werden, als daß er ſich aufs Waſſer ſetzte, da ſein fuͤrchterlicher Schnabel ſie denn in Reſpect zu halten ſchien. Dieſe Mewen ſind ſtark und raubſuͤchtig, wie ſie denn auf den Faͤrroer-Inſeln oftmals Laͤmmer in Stuͤcken reißen und ſolche in ihre Ne- ſter bringen. Die Albatroſſe hingegen ſind dem Anſchein nach weniger raubſuͤchtig und leben mehrentheils von kleinen Seethieren beſonders von den Molluſca- und Meduſen Arten. Sobald wir uͤber den funfzigſten Grad der ſuͤdlichen Breite nach Norden hinauf kamen, hatten wir ihrer eine große Menge um uns, dagegen wa- ren nur wenige einzelne ſo weit gen Suͤden vorgedrungen als wir, und folglich muͤſſen ſie eigentlich wohl nur unter dem gemaͤßigten Himmelsſtrich wohnen.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0135"n="90"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><noteplace="left">1773.<lb/>
Maͤrz.</note>todt zur Welt oder verklammten doch bald darauf vor Kaͤlte. Kurz wir ſahen<lb/>
aus ſo vielen zuſammenſtimmenden Umſtaͤnden, daß es Zeit ſey die hoͤhern ſuͤdli-<lb/>
chen Breiten zu verlaſſen, und nach einem Haven zu eilen, wo wir unſre Leute<lb/>
erfriſchen und die noch wenigen uͤbrigen Schafe retten koͤnnten, welche den Ein-<lb/>
wohnern der <placeName>Suͤd-See-Inſeln</placeName> zum Geſchenk beſtimmt waren.</p><lb/><p>Am 16ten da wir uns ohngefaͤhr unterm 58. Grade ſuͤdlicher Breite<lb/>
befanden, leuchtete des Nachts die See, welches uns, der angezeigten hohen Breite<lb/>
und der Kaͤlte des Himmelsſtrichs wegen, merkwuͤrdig duͤnkte, obgleich das <choice><sic>Lench-<lb/>
ten</sic><corr>Leuch-<lb/>
ten</corr></choice> hier nicht ſo ſtark als am <placeName>Cap</placeName>, ſondern nur in einzelnen Funken zu ſehen war.<lb/>
Das Thermometer ſtand am Mittag auf 33 ½ Grad, und in der Nacht vom<lb/>
16ten und 19ten ließ ſich das Suͤdlicht wiederum ſehen; das letztemal mach-<lb/>
ten die Licht-Saͤulen einen Bogen uͤber den ganzen Himmel und waren leuch-<lb/>
tender als wir ſie zuvor je geſehen hatten. Nunmehro fingen wir auch, wie<lb/>
bereits gemeldet, endlich an nach Nordoſten hinauf zu ſteuern, um das Suͤd-<lb/>
Ende von <hirendition="#fr"><placeName>Neu-Seeland</placeName></hi> zu erreichen. Auf dieſem ganzen Strich hatten wir<lb/>ſtarke Winde, und ſahen oft Seegras, beſonders Felskraut, imgleichen eine große<lb/>
Menge von Sturm- und andern Seevoͤgeln. Von den letztern beluſtigten uns<lb/>
vornehmlich einige große graue Mewen die auf einen großen weißen Albatros<lb/>
Jagd machten. Der Laͤnge ſeiner Fluͤgel ohngeachtet konnte er ihnen doch nicht<lb/>
entgehen, und wenn ſie ihn eingehohlt hatten ſuchten ſie ihm vornehmlich von<lb/>
unten unterm Bauche beyzukommen, wo er, wie ſie wißen mußten, am wehr-<lb/>
loſeſten ſeyn mag. Der Albatros hatte alsdenn kein andres Mittel ihrer los zu<lb/>
werden, als daß er ſich aufs Waſſer ſetzte, da ſein fuͤrchterlicher Schnabel ſie denn<lb/>
in Reſpect zu halten ſchien. Dieſe Mewen ſind ſtark und raubſuͤchtig, wie ſie denn<lb/>
auf den <placeName><hirendition="#fr">Faͤrroer-</hi>Inſeln</placeName> oftmals Laͤmmer in Stuͤcken reißen und ſolche in ihre Ne-<lb/>ſter bringen. Die Albatroſſe hingegen ſind dem Anſchein nach weniger raubſuͤchtig<lb/>
und leben mehrentheils von kleinen Seethieren beſonders von den <hirendition="#fr">Molluſca</hi>- und<lb/><hirendition="#fr">Meduſen</hi> Arten. Sobald wir uͤber den funfzigſten Grad der ſuͤdlichen Breite nach<lb/>
Norden hinauf kamen, hatten wir ihrer eine große Menge um uns, dagegen wa-<lb/>
ren nur wenige einzelne ſo weit gen Suͤden vorgedrungen als wir, und folglich<lb/>
muͤſſen ſie eigentlich wohl nur unter dem gemaͤßigten Himmelsſtrich wohnen.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[90/0135]
Forſter’s Reiſe um die Welt
todt zur Welt oder verklammten doch bald darauf vor Kaͤlte. Kurz wir ſahen
aus ſo vielen zuſammenſtimmenden Umſtaͤnden, daß es Zeit ſey die hoͤhern ſuͤdli-
chen Breiten zu verlaſſen, und nach einem Haven zu eilen, wo wir unſre Leute
erfriſchen und die noch wenigen uͤbrigen Schafe retten koͤnnten, welche den Ein-
wohnern der Suͤd-See-Inſeln zum Geſchenk beſtimmt waren.
1773.
Maͤrz.
Am 16ten da wir uns ohngefaͤhr unterm 58. Grade ſuͤdlicher Breite
befanden, leuchtete des Nachts die See, welches uns, der angezeigten hohen Breite
und der Kaͤlte des Himmelsſtrichs wegen, merkwuͤrdig duͤnkte, obgleich das Leuch-
ten hier nicht ſo ſtark als am Cap, ſondern nur in einzelnen Funken zu ſehen war.
Das Thermometer ſtand am Mittag auf 33 ½ Grad, und in der Nacht vom
16ten und 19ten ließ ſich das Suͤdlicht wiederum ſehen; das letztemal mach-
ten die Licht-Saͤulen einen Bogen uͤber den ganzen Himmel und waren leuch-
tender als wir ſie zuvor je geſehen hatten. Nunmehro fingen wir auch, wie
bereits gemeldet, endlich an nach Nordoſten hinauf zu ſteuern, um das Suͤd-
Ende von Neu-Seeland zu erreichen. Auf dieſem ganzen Strich hatten wir
ſtarke Winde, und ſahen oft Seegras, beſonders Felskraut, imgleichen eine große
Menge von Sturm- und andern Seevoͤgeln. Von den letztern beluſtigten uns
vornehmlich einige große graue Mewen die auf einen großen weißen Albatros
Jagd machten. Der Laͤnge ſeiner Fluͤgel ohngeachtet konnte er ihnen doch nicht
entgehen, und wenn ſie ihn eingehohlt hatten ſuchten ſie ihm vornehmlich von
unten unterm Bauche beyzukommen, wo er, wie ſie wißen mußten, am wehr-
loſeſten ſeyn mag. Der Albatros hatte alsdenn kein andres Mittel ihrer los zu
werden, als daß er ſich aufs Waſſer ſetzte, da ſein fuͤrchterlicher Schnabel ſie denn
in Reſpect zu halten ſchien. Dieſe Mewen ſind ſtark und raubſuͤchtig, wie ſie denn
auf den Faͤrroer-Inſeln oftmals Laͤmmer in Stuͤcken reißen und ſolche in ihre Ne-
ſter bringen. Die Albatroſſe hingegen ſind dem Anſchein nach weniger raubſuͤchtig
und leben mehrentheils von kleinen Seethieren beſonders von den Molluſca- und
Meduſen Arten. Sobald wir uͤber den funfzigſten Grad der ſuͤdlichen Breite nach
Norden hinauf kamen, hatten wir ihrer eine große Menge um uns, dagegen wa-
ren nur wenige einzelne ſo weit gen Suͤden vorgedrungen als wir, und folglich
muͤſſen ſie eigentlich wohl nur unter dem gemaͤßigten Himmelsſtrich wohnen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/135>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.