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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
bau wird nur in denjenigen Plantagen getrieben, die innerhalb einiger Tagerei-1772.
Novem-
ber.

sen von der Stadt entfernt liegen. Hier wurden sie bereits von den ersten Co-
lonisten angelegt, deren Familien sie auch erb- und eigenthümlich zugehören.
Jetzt aber giebt die Compagnie nichts mehr auf Erbe, sondern verpachtet die
Ländereyen nur jahrweise, und obgleich der Pachtzins sehr mäßig ist, indem für
60 Aecker oder Morgen Landes nicht mehr als 25 Thaler entrichtet werden, *)
so hindert dies dennoch die Anlage neuer Weinberge. In den entfernteren
Plantagen wird daher auch nur Korn und Vieh gezogen, und einige Colonisten
geben sich bloß mit der Viehzucht allein ab. Diese muß oft sehr ins Große
gehen, denn wir hörten von zween Pächtern, deren jeder 15000 Schaafe
und verhältnißmäßige Heerden von Hornvieh halten soll. Nächst diesen giebt es
viele die 6 bis 8000 Schaafe haben und große Heerden davon zur Stadt trei-
ben; aber Löwen, Büffels und die Beschwerlichkeiten einer so weiten Reise,
vermindern diese Triften oft, ehe sie solche bis auf den Marktplatz bringen können.
Sie nehmen bey dergleichen Gelegenheiten gemeiniglich ihre Familien mit sich,
und bedienen sich hiezu großer Wagen, die mit Leinewand oder Leder, über Ton-
nenbänder ausgespannt, bedeckt sind und von 8. 10 oder gar 12 Paar Ochsen
gezogen werden. Außer dem Schlachtvieh bringen sie auch Butter und Schaaf-
talg; imgleichen das Fleisch und die Haut vom Flußpferd oder Hippopotamus,
nebst Löwen und Rhinoceros-Fellen zu Markte. Zu Bestellung ihrer Feld- und
Viehwirthschaft, halten sie sich zum Theil Sclaven, miethen sich auch gemei-
niglich noch einige ärmere Hottentotten dazu, und zwar, wie man uns sagte, von
dem Stamm der sogenannten Boschmans oder Waldmenschen, die kein eignes
Zuchtvieh haben, sondern sich von Jagd und Raub nähren. Reiche Pächter
helfen Anfängern dadurch auf, daß sie ihnen eine Heerde von 4 bis 500 Schaa-
fen anvertrauen, um solche auf entlegene, gute Weiden zu treiben; dafür lassen
sie ihnen die Hälfte der Lämmer, und so werden sie in kurzem eben so reich als
ihre Wohlthäter.

Ob gleich die Compagnie dadurch, daß sie sich das Grundrecht und Ei-
genthum der Ländereyen allein vorbehält, den neuen Colonisten offenbar keine

*) Der Acker oder Morgen Landes besteht hier aus 666 rheinischen Quadrat-Ruthen, und die
Ruthe hält 12 Fus. Das Verhältniß des rheinischen zum englischen Fus ist wie 116. zu 120.
Forster's Reise u. d. W. erster Th. H

in den Jahren 1772 bis 1775.
bau wird nur in denjenigen Plantagen getrieben, die innerhalb einiger Tagerei-1772.
Novem-
ber.

ſen von der Stadt entfernt liegen. Hier wurden ſie bereits von den erſten Co-
loniſten angelegt, deren Familien ſie auch erb- und eigenthuͤmlich zugehoͤren.
Jetzt aber giebt die Compagnie nichts mehr auf Erbe, ſondern verpachtet die
Laͤndereyen nur jahrweiſe, und obgleich der Pachtzins ſehr maͤßig iſt, indem fuͤr
60 Aecker oder Morgen Landes nicht mehr als 25 Thaler entrichtet werden, *)
ſo hindert dies dennoch die Anlage neuer Weinberge. In den entfernteren
Plantagen wird daher auch nur Korn und Vieh gezogen, und einige Coloniſten
geben ſich bloß mit der Viehzucht allein ab. Dieſe muß oft ſehr ins Große
gehen, denn wir hoͤrten von zween Paͤchtern, deren jeder 15000 Schaafe
und verhaͤltnißmaͤßige Heerden von Hornvieh halten ſoll. Naͤchſt dieſen giebt es
viele die 6 bis 8000 Schaafe haben und große Heerden davon zur Stadt trei-
ben; aber Loͤwen, Buͤffels und die Beſchwerlichkeiten einer ſo weiten Reiſe,
vermindern dieſe Triften oft, ehe ſie ſolche bis auf den Marktplatz bringen koͤnnen.
Sie nehmen bey dergleichen Gelegenheiten gemeiniglich ihre Familien mit ſich,
und bedienen ſich hiezu großer Wagen, die mit Leinewand oder Leder, uͤber Ton-
nenbaͤnder ausgeſpannt, bedeckt ſind und von 8. 10 oder gar 12 Paar Ochſen
gezogen werden. Außer dem Schlachtvieh bringen ſie auch Butter und Schaaf-
talg; imgleichen das Fleiſch und die Haut vom Flußpferd oder Hippopotamus,
nebſt Loͤwen und Rhinoceros-Fellen zu Markte. Zu Beſtellung ihrer Feld- und
Viehwirthſchaft, halten ſie ſich zum Theil Sclaven, miethen ſich auch gemei-
niglich noch einige aͤrmere Hottentotten dazu, und zwar, wie man uns ſagte, von
dem Stamm der ſogenannten Boſchmans oder Waldmenſchen, die kein eignes
Zuchtvieh haben, ſondern ſich von Jagd und Raub naͤhren. Reiche Paͤchter
helfen Anfaͤngern dadurch auf, daß ſie ihnen eine Heerde von 4 bis 500 Schaa-
fen anvertrauen, um ſolche auf entlegene, gute Weiden zu treiben; dafuͤr laſſen
ſie ihnen die Haͤlfte der Laͤmmer, und ſo werden ſie in kurzem eben ſo reich als
ihre Wohlthaͤter.

Ob gleich die Compagnie dadurch, daß ſie ſich das Grundrecht und Ei-
genthum der Laͤndereyen allein vorbehaͤlt, den neuen Coloniſten offenbar keine

*) Der Acker oder Morgen Landes beſteht hier aus 666 rheiniſchen Quadrat-Ruthen, und die
Ruthe haͤlt 12 Fus. Das Verhaͤltniß des rheiniſchen zum engliſchen Fus iſt wie 116. zu 120.
Forſter’s Reiſe u. d. W. erſter Th. H
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[57/0102] in den Jahren 1772 bis 1775. bau wird nur in denjenigen Plantagen getrieben, die innerhalb einiger Tagerei- ſen von der Stadt entfernt liegen. Hier wurden ſie bereits von den erſten Co- loniſten angelegt, deren Familien ſie auch erb- und eigenthuͤmlich zugehoͤren. Jetzt aber giebt die Compagnie nichts mehr auf Erbe, ſondern verpachtet die Laͤndereyen nur jahrweiſe, und obgleich der Pachtzins ſehr maͤßig iſt, indem fuͤr 60 Aecker oder Morgen Landes nicht mehr als 25 Thaler entrichtet werden, *) ſo hindert dies dennoch die Anlage neuer Weinberge. In den entfernteren Plantagen wird daher auch nur Korn und Vieh gezogen, und einige Coloniſten geben ſich bloß mit der Viehzucht allein ab. Dieſe muß oft ſehr ins Große gehen, denn wir hoͤrten von zween Paͤchtern, deren jeder 15000 Schaafe und verhaͤltnißmaͤßige Heerden von Hornvieh halten ſoll. Naͤchſt dieſen giebt es viele die 6 bis 8000 Schaafe haben und große Heerden davon zur Stadt trei- ben; aber Loͤwen, Buͤffels und die Beſchwerlichkeiten einer ſo weiten Reiſe, vermindern dieſe Triften oft, ehe ſie ſolche bis auf den Marktplatz bringen koͤnnen. Sie nehmen bey dergleichen Gelegenheiten gemeiniglich ihre Familien mit ſich, und bedienen ſich hiezu großer Wagen, die mit Leinewand oder Leder, uͤber Ton- nenbaͤnder ausgeſpannt, bedeckt ſind und von 8. 10 oder gar 12 Paar Ochſen gezogen werden. Außer dem Schlachtvieh bringen ſie auch Butter und Schaaf- talg; imgleichen das Fleiſch und die Haut vom Flußpferd oder Hippopotamus, nebſt Loͤwen und Rhinoceros-Fellen zu Markte. Zu Beſtellung ihrer Feld- und Viehwirthſchaft, halten ſie ſich zum Theil Sclaven, miethen ſich auch gemei- niglich noch einige aͤrmere Hottentotten dazu, und zwar, wie man uns ſagte, von dem Stamm der ſogenannten Boſchmans oder Waldmenſchen, die kein eignes Zuchtvieh haben, ſondern ſich von Jagd und Raub naͤhren. Reiche Paͤchter helfen Anfaͤngern dadurch auf, daß ſie ihnen eine Heerde von 4 bis 500 Schaa- fen anvertrauen, um ſolche auf entlegene, gute Weiden zu treiben; dafuͤr laſſen ſie ihnen die Haͤlfte der Laͤmmer, und ſo werden ſie in kurzem eben ſo reich als ihre Wohlthaͤter. 1772. Novem- ber. Ob gleich die Compagnie dadurch, daß ſie ſich das Grundrecht und Ei- genthum der Laͤndereyen allein vorbehaͤlt, den neuen Coloniſten offenbar keine *) Der Acker oder Morgen Landes beſteht hier aus 666 rheiniſchen Quadrat-Ruthen, und die Ruthe haͤlt 12 Fus. Das Verhaͤltniß des rheiniſchen zum engliſchen Fus iſt wie 116. zu 120. Forſter’s Reiſe u. d. W. erſter Th. H

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/102>, abgerufen am 27.11.2024.