gefunden. -- Die allgemeine Idee der Liebesgöttin; der Körper ruhet auf einem Fuß, der andre ist zurückgezogen, und die Schenkel schließen dicht an einan- der: so fließen die Linien göttlich rein zusammen. Am obigen Torso waren die Hüften weit stärker. Hier der Leib in der Nabelgegend etwas eingebogen, der Unterleib schön gewölbt, und die Um- risse des ganzen Körpers so weich, so zart, so symmetrisch, von so lieblichen Formen, daß man erstaunt, wie ein solches Gebilde unter der Hand des Meisters durch Meißel und Hammer entstehen konnte. Anmuth und Lieb- lichkeit der Gestalt ist sicher ganz etwas anders als Ebenmaß; wir haben nur Sinn dafür, und nicht Begriff. Wahr- scheinlicher ist es eine Leda. Der Schna- bel des Schwans berührte das Kinn, wo- von noch die Spur zu sehen ist; er war vermuthlich klein, und sie hielt ihn mit beiden Händen. Die Sandalen sind auch
gefunden. — Die allgemeine Idee der Liebesgöttin; der Körper ruhet auf einem Fuß, der andre ist zurückgezogen, und die Schenkel schließen dicht an einan- der: so fließen die Linien göttlich rein zusammen. Am obigen Torso waren die Hüften weit stärker. Hier der Leib in der Nabelgegend etwas eingebogen, der Unterleib schön gewölbt, und die Um- risse des ganzen Körpers so weich, so zart, so symmetrisch, von so lieblichen Formen, daß man erstaunt, wie ein solches Gebilde unter der Hand des Meisters durch Meißel und Hammer entstehen konnte. Anmuth und Lieb- lichkeit der Gestalt ist sicher ganz etwas anders als Ebenmaß; wir haben nur Sinn dafür, und nicht Begriff. Wahr- scheinlicher ist es eine Leda. Der Schna- bel des Schwans berührte das Kinn, wo- von noch die Spur zu sehen ist; er war vermuthlich klein, und sie hielt ihn mit beiden Händen. Die Sandalen sind auch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><list><item><pbfacs="#f0489"n="198"/>
gefunden. — Die allgemeine Idee der<lb/>
Liebesgöttin; der Körper ruhet auf einem<lb/>
Fuß, der andre ist zurückgezogen, und<lb/>
die Schenkel schließen dicht an einan-<lb/>
der: so fließen die Linien göttlich rein<lb/>
zusammen. Am obigen Torso waren die<lb/>
Hüften weit stärker. Hier der Leib in<lb/>
der Nabelgegend etwas eingebogen, der<lb/>
Unterleib schön gewölbt, und die Um-<lb/>
risse des ganzen Körpers so weich, so<lb/>
zart, so symmetrisch, von so lieblichen<lb/>
Formen, daß man erstaunt, wie ein<lb/>
solches Gebilde unter der Hand des<lb/>
Meisters durch Meißel und Hammer<lb/>
entstehen konnte. Anmuth und Lieb-<lb/>
lichkeit der Gestalt ist sicher ganz etwas<lb/>
anders als Ebenmaß; wir haben nur<lb/><hirendition="#i">Sinn</hi> dafür, und nicht <hirendition="#i">Begriff</hi>. Wahr-<lb/>
scheinlicher ist es eine <hirendition="#i">Leda</hi>. Der Schna-<lb/>
bel des Schwans berührte das Kinn, wo-<lb/>
von noch die Spur zu sehen ist; er war<lb/>
vermuthlich klein, und sie hielt ihn mit<lb/>
beiden Händen. Die Sandalen sind auch<lb/></item></list></div></div></div></div></body></text></TEI>
[198/0489]
gefunden. — Die allgemeine Idee der
Liebesgöttin; der Körper ruhet auf einem
Fuß, der andre ist zurückgezogen, und
die Schenkel schließen dicht an einan-
der: so fließen die Linien göttlich rein
zusammen. Am obigen Torso waren die
Hüften weit stärker. Hier der Leib in
der Nabelgegend etwas eingebogen, der
Unterleib schön gewölbt, und die Um-
risse des ganzen Körpers so weich, so
zart, so symmetrisch, von so lieblichen
Formen, daß man erstaunt, wie ein
solches Gebilde unter der Hand des
Meisters durch Meißel und Hammer
entstehen konnte. Anmuth und Lieb-
lichkeit der Gestalt ist sicher ganz etwas
anders als Ebenmaß; wir haben nur
Sinn dafür, und nicht Begriff. Wahr-
scheinlicher ist es eine Leda. Der Schna-
bel des Schwans berührte das Kinn, wo-
von noch die Spur zu sehen ist; er war
vermuthlich klein, und sie hielt ihn mit
beiden Händen. Die Sandalen sind auch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Der dritte Band von Johann Georg Forsters Ansicht… [mehr]
Der dritte Band von Johann Georg Forsters Ansichten vom Niederrhein blieb unvollendet. Nach Forsters Tod (10.1.1794) wurden dessen fragmentarische Aufzeichnungen zum dritten Band von Ludwig Ferdinand Huber geordnet und herausgegeben. Ergänzt wurde der Band um einen Anhang, Forsters bereits 1789 geschriebene "Geschichte der Kunst in England" (zuerst erschienen in Johann Wilhelm Archenholz' Annalen der brittischen Geschichte) und den "Artistischen Notizen, in London aufgezeichnet" im Anhang. Hubers Vorwort zum dritten Band ist datiert auf den Juli 1794, der Band erschien noch im selben Jahr.
Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 3. Berlin, 1794, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein03_1794/489>, abgerufen am 03.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.