Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 3. Berlin, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

selbst, und gewinnt unter seines Gleichen
bald so viel Erfahrung, als er zur Lebens-
nothdurft bedarf.

Ich weiß zwar wohl, daß es theoreti-
sche und praktische Erzieher giebt, welche
den Zögling nie genug einzuschränken und
zu fesseln glauben: Menschen, die sich vor-
stellen, man dürfe die menschliche Seele im
Erziehungsinstitute treiben, wie man Spar-
gel im Lohbeete treibt, und die dann auch
wirklich nur saft- und kraftlose, ekelhafte
Geschöpfe in die Welt liefern, unfähig,
sich auf einen Augenblick von ihren aus-
wendig gelernten Regeln zu entfernen, und
selbstständig zu denken, Maschinen in jeder
Bedeutung des Wortes! An ihren Werken
müssen wir sie erkennen. Es ist eine leichte
Kunst, Maschinen aus Menschen zu schnitzen;
aber die menschliche Natur in ihrer Würde
zu lassen, und Kräften, die eine höhere

selbst, und gewinnt unter seines Gleichen
bald so viel Erfahrung, als er zur Lebens-
nothdurft bedarf.

Ich weiß zwar wohl, daß es theoreti-
sche und praktische Erzieher giebt, welche
den Zögling nie genug einzuschränken und
zu fesseln glauben: Menschen, die sich vor-
stellen, man dürfe die menschliche Seele im
Erziehungsinstitute treiben, wie man Spar-
gel im Lohbeete treibt, und die dann auch
wirklich nur saft- und kraftlose, ekelhafte
Geschöpfe in die Welt liefern, unfähig,
sich auf einen Augenblick von ihren aus-
wendig gelernten Regeln zu entfernen, und
selbstständig zu denken, Maschinen in jeder
Bedeutung des Wortes! An ihren Werken
müssen wir sie erkennen. Es ist eine leichte
Kunst, Maschinen aus Menschen zu schnitzen;
aber die menschliche Natur in ihrer Würde
zu lassen, und Kräften, die eine höhere

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0245" n="222"/>
selbst, und gewinnt unter seines Gleichen<lb/>
bald so viel Erfahrung, als er zur Lebens-<lb/>
nothdurft bedarf.</p><lb/>
            <p>Ich weiß zwar wohl, daß es theoreti-<lb/>
sche und praktische Erzieher giebt, welche<lb/>
den Zögling nie genug einzuschränken und<lb/>
zu fesseln glauben: Menschen, die sich vor-<lb/>
stellen, man dürfe die menschliche Seele im<lb/>
Erziehungsinstitute treiben, wie man Spar-<lb/>
gel im Lohbeete treibt, und die dann auch<lb/>
wirklich nur saft- und kraftlose, ekelhafte<lb/>
Geschöpfe in die Welt liefern, unfähig,<lb/>
sich auf einen Augenblick von ihren aus-<lb/>
wendig gelernten Regeln zu entfernen, und<lb/>
selbstständig zu denken, Maschinen in jeder<lb/>
Bedeutung des Wortes! An ihren Werken<lb/>
müssen wir sie erkennen. Es ist eine leichte<lb/>
Kunst, Maschinen aus Menschen zu schnitzen;<lb/>
aber die menschliche Natur in ihrer Würde<lb/>
zu lassen, und Kräften, die eine höhere<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[222/0245] selbst, und gewinnt unter seines Gleichen bald so viel Erfahrung, als er zur Lebens- nothdurft bedarf. Ich weiß zwar wohl, daß es theoreti- sche und praktische Erzieher giebt, welche den Zögling nie genug einzuschränken und zu fesseln glauben: Menschen, die sich vor- stellen, man dürfe die menschliche Seele im Erziehungsinstitute treiben, wie man Spar- gel im Lohbeete treibt, und die dann auch wirklich nur saft- und kraftlose, ekelhafte Geschöpfe in die Welt liefern, unfähig, sich auf einen Augenblick von ihren aus- wendig gelernten Regeln zu entfernen, und selbstständig zu denken, Maschinen in jeder Bedeutung des Wortes! An ihren Werken müssen wir sie erkennen. Es ist eine leichte Kunst, Maschinen aus Menschen zu schnitzen; aber die menschliche Natur in ihrer Würde zu lassen, und Kräften, die eine höhere

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der dritte Band von Johann Georg Forsters Ansicht… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein03_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein03_1794/245
Zitationshilfe: Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 3. Berlin, 1794, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein03_1794/245>, abgerufen am 24.11.2024.