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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 2. Berlin, 1791.

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tigen. Die schönen breiten Strassen sind
leer und öde, wie die zum Theil sehr präch¬
tigen, massiven Gebäude; nur an Sonn- und
Festtagen kriecht die träge Menge aus ihren
Schlupfwinkeln hervor, um an den zahlrei¬
chen Altären die Sünde des Müssigganges
durch einen neuen abzubüssen. Die Klerisei
beherrscht dieses erschlaffte Volk mit ihren
einschläfernden Zauberformeln; denn nur die
Andacht füllt die vielen müssigen Stunden
aus, die nach dem Verlust des Handels
ihm übrig blieben. Die Wissenschaften, die
einst in Antwerpen blühten, sind bis auf
die letzte Spur verschwunden. Die Nieder¬
ländischen Künste, deren goldenes Zeitalter
in die Periode der gehemmten merkantili¬
schen Thätigkeit fiel, wurden nur auf kurze
Zeit von dem brachliegenden Reichthum zu
ihrer grössten Anstrengung gereizt; es währte
nicht lange, so fand der Kapitalist, der seine

tigen. Die schönen breiten Straſsen sind
leer und öde, wie die zum Theil sehr präch¬
tigen, massiven Gebäude; nur an Sonn- und
Festtagen kriecht die träge Menge aus ihren
Schlupfwinkeln hervor, um an den zahlrei¬
chen Altären die Sünde des Müſsigganges
durch einen neuen abzubüſsen. Die Klerisei
beherrscht dieses erschlaffte Volk mit ihren
einschläfernden Zauberformeln; denn nur die
Andacht füllt die vielen müſsigen Stunden
aus, die nach dem Verlust des Handels
ihm übrig blieben. Die Wissenschaften, die
einst in Antwerpen blühten, sind bis auf
die letzte Spur verschwunden. Die Nieder¬
ländischen Künste, deren goldenes Zeitalter
in die Periode der gehemmten merkantili¬
schen Thätigkeit fiel, wurden nur auf kurze
Zeit von dem brachliegenden Reichthum zu
ihrer gröſsten Anstrengung gereizt; es währte
nicht lange, so fand der Kapitalist, der seine

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[348/0354] tigen. Die schönen breiten Straſsen sind leer und öde, wie die zum Theil sehr präch¬ tigen, massiven Gebäude; nur an Sonn- und Festtagen kriecht die träge Menge aus ihren Schlupfwinkeln hervor, um an den zahlrei¬ chen Altären die Sünde des Müſsigganges durch einen neuen abzubüſsen. Die Klerisei beherrscht dieses erschlaffte Volk mit ihren einschläfernden Zauberformeln; denn nur die Andacht füllt die vielen müſsigen Stunden aus, die nach dem Verlust des Handels ihm übrig blieben. Die Wissenschaften, die einst in Antwerpen blühten, sind bis auf die letzte Spur verschwunden. Die Nieder¬ ländischen Künste, deren goldenes Zeitalter in die Periode der gehemmten merkantili¬ schen Thätigkeit fiel, wurden nur auf kurze Zeit von dem brachliegenden Reichthum zu ihrer gröſsten Anstrengung gereizt; es währte nicht lange, so fand der Kapitalist, der seine

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 2. Berlin, 1791, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein02_1791/354>, abgerufen am 23.11.2024.