tigen. Die schönen breiten Strassen sind leer und öde, wie die zum Theil sehr präch¬ tigen, massiven Gebäude; nur an Sonn- und Festtagen kriecht die träge Menge aus ihren Schlupfwinkeln hervor, um an den zahlrei¬ chen Altären die Sünde des Müssigganges durch einen neuen abzubüssen. Die Klerisei beherrscht dieses erschlaffte Volk mit ihren einschläfernden Zauberformeln; denn nur die Andacht füllt die vielen müssigen Stunden aus, die nach dem Verlust des Handels ihm übrig blieben. Die Wissenschaften, die einst in Antwerpen blühten, sind bis auf die letzte Spur verschwunden. Die Nieder¬ ländischen Künste, deren goldenes Zeitalter in die Periode der gehemmten merkantili¬ schen Thätigkeit fiel, wurden nur auf kurze Zeit von dem brachliegenden Reichthum zu ihrer grössten Anstrengung gereizt; es währte nicht lange, so fand der Kapitalist, der seine
tigen. Die schönen breiten Straſsen sind leer und öde, wie die zum Theil sehr präch¬ tigen, massiven Gebäude; nur an Sonn- und Festtagen kriecht die träge Menge aus ihren Schlupfwinkeln hervor, um an den zahlrei¬ chen Altären die Sünde des Müſsigganges durch einen neuen abzubüſsen. Die Klerisei beherrscht dieses erschlaffte Volk mit ihren einschläfernden Zauberformeln; denn nur die Andacht füllt die vielen müſsigen Stunden aus, die nach dem Verlust des Handels ihm übrig blieben. Die Wissenschaften, die einst in Antwerpen blühten, sind bis auf die letzte Spur verschwunden. Die Nieder¬ ländischen Künste, deren goldenes Zeitalter in die Periode der gehemmten merkantili¬ schen Thätigkeit fiel, wurden nur auf kurze Zeit von dem brachliegenden Reichthum zu ihrer gröſsten Anstrengung gereizt; es währte nicht lange, so fand der Kapitalist, der seine
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0354"n="348"/>
tigen. Die schönen breiten Straſsen sind<lb/>
leer und öde, wie die zum Theil sehr präch¬<lb/>
tigen, massiven Gebäude; nur an Sonn- und<lb/>
Festtagen kriecht die träge Menge aus ihren<lb/>
Schlupfwinkeln hervor, um an den zahlrei¬<lb/>
chen Altären die Sünde des Müſsigganges<lb/>
durch einen neuen abzubüſsen. Die Klerisei<lb/>
beherrscht dieses erschlaffte Volk mit ihren<lb/>
einschläfernden Zauberformeln; denn nur die<lb/>
Andacht füllt die vielen müſsigen Stunden<lb/>
aus, die nach dem Verlust des Handels<lb/>
ihm übrig blieben. Die Wissenschaften, die<lb/>
einst in Antwerpen blühten, sind bis auf<lb/>
die letzte Spur verschwunden. Die Nieder¬<lb/>
ländischen Künste, deren goldenes Zeitalter<lb/>
in die Periode der gehemmten merkantili¬<lb/>
schen Thätigkeit fiel, wurden nur auf kurze<lb/>
Zeit von dem brachliegenden Reichthum zu<lb/>
ihrer gröſsten Anstrengung gereizt; es währte<lb/>
nicht lange, so fand der Kapitalist, der seine<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[348/0354]
tigen. Die schönen breiten Straſsen sind
leer und öde, wie die zum Theil sehr präch¬
tigen, massiven Gebäude; nur an Sonn- und
Festtagen kriecht die träge Menge aus ihren
Schlupfwinkeln hervor, um an den zahlrei¬
chen Altären die Sünde des Müſsigganges
durch einen neuen abzubüſsen. Die Klerisei
beherrscht dieses erschlaffte Volk mit ihren
einschläfernden Zauberformeln; denn nur die
Andacht füllt die vielen müſsigen Stunden
aus, die nach dem Verlust des Handels
ihm übrig blieben. Die Wissenschaften, die
einst in Antwerpen blühten, sind bis auf
die letzte Spur verschwunden. Die Nieder¬
ländischen Künste, deren goldenes Zeitalter
in die Periode der gehemmten merkantili¬
schen Thätigkeit fiel, wurden nur auf kurze
Zeit von dem brachliegenden Reichthum zu
ihrer gröſsten Anstrengung gereizt; es währte
nicht lange, so fand der Kapitalist, der seine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 2. Berlin, 1791, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein02_1791/354>, abgerufen am 01.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.