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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791.

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den und in einen Brennpunkt vereinigt hat.
Zum Beweise brauchte ich nur an das
schwere Studium des so vielfältig und so
zart nüancirten Menschencharakters zu er¬
innern. Je feiner die Schattirungen sind,
wodurch sich so nahe verwandte Geschöpfe
unterscheiden, desto seltener ist sowohl die
Gabe der bestimmten Erkenntniss, als die
Kunst der treuen Überlieferung ihres Un¬
terschiedes.

Der Genuss eines jeden, durch die Em¬
pfindung eines Andern gegangenen und von
ihm wieder mitgetheilten Eindrucks setzt aber
eine frühere, wenn gleich unvollkommene
Bekanntschaft mit dem bezeichneten Gegen¬
stande in uns voraus. Ein Bild, wäre es
auch nur Umriss, müssen wir haben, wor¬
in unsere Einbildungskraft die besonderen
Züge aus der neuen Darstellung übertragen
und ausmalen könne. Die bestimmte Ein¬

den und in einen Brennpunkt vereinigt hat.
Zum Beweise brauchte ich nur an das
schwere Studium des so vielfältig und so
zart nüancirten Menschencharakters zu er¬
innern. Je feiner die Schattirungen sind,
wodurch sich so nahe verwandte Geschöpfe
unterscheiden, desto seltener ist sowohl die
Gabe der bestimmten Erkenntniſs, als die
Kunst der treuen Überlieferung ihres Un¬
terschiedes.

Der Genuſs eines jeden, durch die Em¬
pfindung eines Andern gegangenen und von
ihm wieder mitgetheilten Eindrucks setzt aber
eine frühere, wenn gleich unvollkommene
Bekanntschaft mit dem bezeichneten Gegen¬
stande in uns voraus. Ein Bild, wäre es
auch nur Umriſs, müssen wir haben, wor¬
in unsere Einbildungskraft die besonderen
Züge aus der neuen Darstellung übertragen
und ausmalen könne. Die bestimmte Ein¬

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[77/0089] den und in einen Brennpunkt vereinigt hat. Zum Beweise brauchte ich nur an das schwere Studium des so vielfältig und so zart nüancirten Menschencharakters zu er¬ innern. Je feiner die Schattirungen sind, wodurch sich so nahe verwandte Geschöpfe unterscheiden, desto seltener ist sowohl die Gabe der bestimmten Erkenntniſs, als die Kunst der treuen Überlieferung ihres Un¬ terschiedes. Der Genuſs eines jeden, durch die Em¬ pfindung eines Andern gegangenen und von ihm wieder mitgetheilten Eindrucks setzt aber eine frühere, wenn gleich unvollkommene Bekanntschaft mit dem bezeichneten Gegen¬ stande in uns voraus. Ein Bild, wäre es auch nur Umriſs, müssen wir haben, wor¬ in unsere Einbildungskraft die besonderen Züge aus der neuen Darstellung übertragen und ausmalen könne. Die bestimmte Ein¬

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/89>, abgerufen am 08.05.2024.