weglichsten Phantasie und vom zartesten Sinne, der zum erstenmal in diesen Kreuz¬ gängen den Eindruck des Grossen in der gothischen Bauart empfand und bei dem Anblick des mehr als hundert Fuss hohen Chors vor Entzücken wie versteinert war. O, es war köstlich, in diesem klaren An¬ schauen die Grösse des Tempels noch ein¬ mal, gleichsam im Widerschein, zu erblik¬ ken! Gegen das Ende unseres Aufenthalts weckte die Dunkelheit in den leeren, ein¬ samen, von unseren Tritten wiederhallenden Gewölben, zwischen den Gräbern der Kuhr¬ fürsten, Bischöfe und Ritter, die da in Stein gehauen liegen, manches schaurige Bild der Vorzeit in seiner Seele. In allem Ernste, mit seiner Reizbarkeit und dem in neuen Bil¬ derschöpfungen rastlos thätigen Geiste möchte ich die Nacht dort nicht einsam durch¬ wachen. Gewiss entsetzest Du Dich schon
weglichsten Phantasie und vom zartesten Sinne, der zum erstenmal in diesen Kreuz¬ gängen den Eindruck des Groſsen in der gothischen Bauart empfand und bei dem Anblick des mehr als hundert Fuſs hohen Chors vor Entzücken wie versteinert war. O, es war köstlich, in diesem klaren An¬ schauen die Gröſse des Tempels noch ein¬ mal, gleichsam im Widerschein, zu erblik¬ ken! Gegen das Ende unseres Aufenthalts weckte die Dunkelheit in den leeren, ein¬ samen, von unseren Tritten wiederhallenden Gewölben, zwischen den Gräbern der Kuhr¬ fürsten, Bischöfe und Ritter, die da in Stein gehauen liegen, manches schaurige Bild der Vorzeit in seiner Seele. In allem Ernste, mit seiner Reizbarkeit und dem in neuen Bil¬ derschöpfungen rastlos thätigen Geiste möchte ich die Nacht dort nicht einsam durch¬ wachen. Gewiſs entsetzest Du Dich schon
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[74/0086]
weglichsten Phantasie und vom zartesten
Sinne, der zum erstenmal in diesen Kreuz¬
gängen den Eindruck des Groſsen in der
gothischen Bauart empfand und bei dem
Anblick des mehr als hundert Fuſs hohen
Chors vor Entzücken wie versteinert war.
O, es war köstlich, in diesem klaren An¬
schauen die Gröſse des Tempels noch ein¬
mal, gleichsam im Widerschein, zu erblik¬
ken! Gegen das Ende unseres Aufenthalts
weckte die Dunkelheit in den leeren, ein¬
samen, von unseren Tritten wiederhallenden
Gewölben, zwischen den Gräbern der Kuhr¬
fürsten, Bischöfe und Ritter, die da in Stein
gehauen liegen, manches schaurige Bild der
Vorzeit in seiner Seele. In allem Ernste,
mit seiner Reizbarkeit und dem in neuen Bil¬
derschöpfungen rastlos thätigen Geiste möchte
ich die Nacht dort nicht einsam durch¬
wachen. Gewiſs entsetzest Du Dich schon
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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/86>, abgerufen am 21.11.2024.
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