die Vollkommenheit, die wir nicht erreichen; sonst versinken wir bald in einen Grad der inneren Unempfänglichkeit, welche unserer höchsten Bestimmung entgegenläuft. Frei¬ heit und Gesetz sind beide die Heiligthü¬ mer der Menschheit; und dennoch wäre es kurzsichtig geträumt, dort, wo die Natur Ungleichheit setzte, gleiche Rechte fordern, oder, auf der andern Seite, aus Gerechtig¬ keitsliebe das fehlende Geschlecht sogleich vertilgen zu wollen. Wie tief mussten Men¬ schen nicht sinken, wie unfähig, sich an die Stelle anderer zu versetzen, und die Würde eines freien denkenden Wesens zu empfinden, mussten sie nicht geworden seyn, ehe sie das fürchterliche: fiat justitia et pereat mundus! (Gerechtigkeit! und ginge die Welt darüber zu Grunde! nur ohne Schauder aussprechen lernten! Und wenn nun vollends Menschen das, was ihnen Ge¬
die Vollkommenheit, die wir nicht erreichen; sonst versinken wir bald in einen Grad der inneren Unempfänglichkeit, welche unserer höchsten Bestimmung entgegenläuft. Frei¬ heit und Gesetz sind beide die Heiligthü¬ mer der Menschheit; und dennoch wäre es kurzsichtig geträumt, dort, wo die Natur Ungleichheit setzte, gleiche Rechte fordern, oder, auf der andern Seite, aus Gerechtig¬ keitsliebe das fehlende Geschlecht sogleich vertilgen zu wollen. Wie tief muſsten Men¬ schen nicht sinken, wie unfähig, sich an die Stelle anderer zu versetzen, und die Würde eines freien denkenden Wesens zu empfinden, muſsten sie nicht geworden seyn, ehe sie das fürchterliche: fiat justitia et pereat mundus! (Gerechtigkeit! und ginge die Welt darüber zu Grunde! nur ohne Schauder aussprechen lernten! Und wenn nun vollends Menschen das, was ihnen Ge¬
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die Vollkommenheit, die wir nicht erreichen;
sonst versinken wir bald in einen Grad der
inneren Unempfänglichkeit, welche unserer
höchsten Bestimmung entgegenläuft. Frei¬
heit und Gesetz sind beide die Heiligthü¬
mer der Menschheit; und dennoch wäre es
kurzsichtig geträumt, dort, wo die Natur
Ungleichheit setzte, gleiche Rechte fordern,
oder, auf der andern Seite, aus Gerechtig¬
keitsliebe das fehlende Geschlecht sogleich
vertilgen zu wollen. Wie tief muſsten Men¬
schen nicht sinken, wie unfähig, sich an
die Stelle anderer zu versetzen, und die
Würde eines freien denkenden Wesens zu
empfinden, muſsten sie nicht geworden seyn,
ehe sie das fürchterliche: fiat justitia et
pereat mundus! (Gerechtigkeit! und ginge
die Welt darüber zu Grunde! nur ohne
Schauder aussprechen lernten! Und wenn
nun vollends Menschen das, was ihnen Ge¬
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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/281>, abgerufen am 22.11.2024.
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