Mässigung ist die Tugend, welche unserm Zeitalter vor allen andern am meisten zu fehlen scheint. Vielleicht hat es so seyn müssen, dass gerade jetzt gewaltsame Bewe¬ gungen von einem Extrem zum andern eine gefährliche Stockung in dem grossen Gange der Menschheit verhüten; allein was der Philosoph als unausbleiblich und nothwendig anerkennt, ist darum in seinen Wirkungen nicht weniger traurig; und allein von der ruhigen, bescheidenen, ohne alle äussere Gewalt, bloss durch Gründe sanft überre¬ denden Vernunft ist Rettung zu erwarten. Ueberall sind die Leidenschaften aufgeregt, und wo sie immer Gesetze geben, da ist jederzeit Gefahr, dass Ungerechtigkeiten eine Sanktion erhalten, sie mögen gerichtet seyn gegen welchen Theil der bürgerlichen Ge¬ sellschaft sie wollen. Das Volk ist selten zurückhaltender oder billiger als der Despot;
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Mäſsigung ist die Tugend, welche unserm Zeitalter vor allen andern am meisten zu fehlen scheint. Vielleicht hat es so seyn müssen, daſs gerade jetzt gewaltsame Bewe¬ gungen von einem Extrem zum andern eine gefährliche Stockung in dem groſsen Gange der Menschheit verhüten; allein was der Philosoph als unausbleiblich und nothwendig anerkennt, ist darum in seinen Wirkungen nicht weniger traurig; und allein von der ruhigen, bescheidenen, ohne alle äuſsere Gewalt, bloſs durch Gründe sanft überre¬ denden Vernunft ist Rettung zu erwarten. Ueberall sind die Leidenschaften aufgeregt, und wo sie immer Gesetze geben, da ist jederzeit Gefahr, daſs Ungerechtigkeiten eine Sanktion erhalten, sie mögen gerichtet seyn gegen welchen Theil der bürgerlichen Ge¬ sellschaft sie wollen. Das Volk ist selten zurückhaltender oder billiger als der Despot;
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Mäſsigung ist die Tugend, welche unserm
Zeitalter vor allen andern am meisten zu
fehlen scheint. Vielleicht hat es so seyn
müssen, daſs gerade jetzt gewaltsame Bewe¬
gungen von einem Extrem zum andern eine
gefährliche Stockung in dem groſsen Gange
der Menschheit verhüten; allein was der
Philosoph als unausbleiblich und nothwendig
anerkennt, ist darum in seinen Wirkungen
nicht weniger traurig; und allein von der
ruhigen, bescheidenen, ohne alle äuſsere
Gewalt, bloſs durch Gründe sanft überre¬
denden Vernunft ist Rettung zu erwarten.
Ueberall sind die Leidenschaften aufgeregt,
und wo sie immer Gesetze geben, da ist
jederzeit Gefahr, daſs Ungerechtigkeiten eine
Sanktion erhalten, sie mögen gerichtet seyn
gegen welchen Theil der bürgerlichen Ge¬
sellschaft sie wollen. Das Volk ist selten
zurückhaltender oder billiger als der Despot;
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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/277>, abgerufen am 09.05.2024.
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