gangen und zu einem schönen Baume auf¬ gesprosst, unter dessen Schatten sich die Völker schon sammeln. Mit Schrecken und Abscheu bebt man bereits vor Jedem zu¬ rück, der unsere freie Willkühr, es sei worin es wolle, beschränken möchte, und am allermeisten vor Dem, der ein Interesse hat, etwas Unbegreifliches als positive Wahr¬ heit anerkannt zu wissen. Ein Mensch kann dem andern nicht gebieten, was er thun soll, als in sofern dieser es für gut findet, sich befehlen zu lassen; wie viel widerrecht¬ licher also, wenn jemand gebieten will, was man glauben soll, und denen, die das Gebotene nicht glauben können oder nicht glauben wollen, die Rechte schmä¬ lert, die ein Mensch dem andern nicht nehmen darf, die ein Bürger dem andern garantirt! In dieser Lage der Sachen ist es so befremdend nicht, dass man itzt einen
G 2
gangen und zu einem schönen Baume auf¬ gesproſst, unter dessen Schatten sich die Völker schon sammeln. Mit Schrecken und Abscheu bebt man bereits vor Jedem zu¬ rück, der unsere freie Willkühr, es sei worin es wolle, beschränken möchte, und am allermeisten vor Dem, der ein Interesse hat, etwas Unbegreifliches als positive Wahr¬ heit anerkannt zu wissen. Ein Mensch kann dem andern nicht gebieten, was er thun soll, als in sofern dieser es für gut findet, sich befehlen zu lassen; wie viel widerrecht¬ licher also, wenn jemand gebieten will, was man glauben soll, und denen, die das Gebotene nicht glauben können oder nicht glauben wollen, die Rechte schmä¬ lert, die ein Mensch dem andern nicht nehmen darf, die ein Bürger dem andern garantirt! In dieser Lage der Sachen ist es so befremdend nicht, daſs man itzt einen
G 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0111"n="99"/>
gangen und zu einem schönen Baume auf¬<lb/>
gesproſst, unter dessen Schatten sich die<lb/>
Völker schon sammeln. Mit Schrecken und<lb/>
Abscheu bebt man bereits vor Jedem zu¬<lb/>
rück, der unsere freie Willkühr, es sei<lb/>
worin es wolle, beschränken möchte, und<lb/>
am allermeisten vor Dem, der ein Interesse<lb/>
hat, etwas Unbegreifliches als positive Wahr¬<lb/>
heit anerkannt zu wissen. Ein Mensch kann<lb/>
dem andern nicht gebieten, was er <hirendition="#i">thun</hi><lb/>
soll, als in sofern dieser es für gut findet,<lb/>
sich befehlen zu lassen; wie viel widerrecht¬<lb/>
licher also, wenn jemand gebieten will,<lb/>
was man <hirendition="#i">glauben</hi> soll, und denen, die<lb/>
das Gebotene nicht glauben können oder<lb/>
nicht glauben wollen, die Rechte schmä¬<lb/>
lert, die ein Mensch dem andern nicht<lb/>
nehmen darf, die ein Bürger dem andern<lb/>
garantirt! In dieser Lage der Sachen ist es<lb/>
so befremdend nicht, daſs man itzt einen<lb/><fwplace="bottom"type="sig">G 2<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[99/0111]
gangen und zu einem schönen Baume auf¬
gesproſst, unter dessen Schatten sich die
Völker schon sammeln. Mit Schrecken und
Abscheu bebt man bereits vor Jedem zu¬
rück, der unsere freie Willkühr, es sei
worin es wolle, beschränken möchte, und
am allermeisten vor Dem, der ein Interesse
hat, etwas Unbegreifliches als positive Wahr¬
heit anerkannt zu wissen. Ein Mensch kann
dem andern nicht gebieten, was er thun
soll, als in sofern dieser es für gut findet,
sich befehlen zu lassen; wie viel widerrecht¬
licher also, wenn jemand gebieten will,
was man glauben soll, und denen, die
das Gebotene nicht glauben können oder
nicht glauben wollen, die Rechte schmä¬
lert, die ein Mensch dem andern nicht
nehmen darf, die ein Bürger dem andern
garantirt! In dieser Lage der Sachen ist es
so befremdend nicht, daſs man itzt einen
G 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/111>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.