Forkel, Johann Nikolaus: Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke. Leipzig, 1802.Ausgemacht bleibt es, wenn die Kunst Kunst bleiben, und nicht immer mehr zu bloß zeitvertreibender Tändeley zurück sinken soll, so müssen überhaupt klassische Kunstwerke mehr benutzt werden, als sie seit einiger Zeit benutzt worden sind. Bach, als der erste Klassiker, der je gewesen ist, und vielleicht je seyn wird, kann hierin unstreitig die besten Dienste leisten. Wer seine Werke erst einige Zeit studirt hat, wird bloßen Klingklang von wahrer Musik unterscheiden, und jede Manier, die er in der Folge etwa wählen mag, als guter, unterrichteter Künstler bearbeiten. Auch vor Einseitigkeit, wohin nichts so leicht als der herrschende Zeitgeschmack führt, werden wir durch das Studium solcher Klassiker bewahrt, die den Umfang der Kunst so erschöpft haben, wie Bach. Kurz, es würde für die Kunst nicht weniger nachtheilig seyn, wenn wir unsere Klassiker auf die Seite werfen wollten, als es für den guten Geschmack in der Gelehrsamkeit nachtheilig werden würde, wenn das Studium der Griechen und Römer aus unsern Schulen verbannt werden sollte. Der Geist der Zeit, der mehr aufs Kleine und auf den augenblicklichen Genuß gerichtet ist, als auf das Große, das erst mit einiger Mühe und sogar Anstrengung errungen werden muß, hat wirklich wenigstens den Vorschlag zur Verbannung der Griechen und Römer aus unsern Schulen hier und da schon veranlaßt; es ist nicht zu zweifeln, daß ihm auch unsere musikalischen Klassiker ungelegen sind; denn recht beym Lichte besehen, muß er sich wirklich in seiner großen Armuth vor ihnen herzlich schämen, und am allermeisten vor unserm fast überreichen Bach. Möchte ich nur im Stande seyn, die erhabene Kunst dieses Ersten aller deutschen und ausländischen Künstler recht nach Würden zu beschreiben! Nächst der Ehre, selbst ein so großer, über alles hervorragender Künstler zu seyn, wie er es war, gibt es vielleicht Ausgemacht bleibt es, wenn die Kunst Kunst bleiben, und nicht immer mehr zu bloß zeitvertreibender Tändeley zurück sinken soll, so müssen überhaupt klassische Kunstwerke mehr benutzt werden, als sie seit einiger Zeit benutzt worden sind. Bach, als der erste Klassiker, der je gewesen ist, und vielleicht je seyn wird, kann hierin unstreitig die besten Dienste leisten. Wer seine Werke erst einige Zeit studirt hat, wird bloßen Klingklang von wahrer Musik unterscheiden, und jede Manier, die er in der Folge etwa wählen mag, als guter, unterrichteter Künstler bearbeiten. Auch vor Einseitigkeit, wohin nichts so leicht als der herrschende Zeitgeschmack führt, werden wir durch das Studium solcher Klassiker bewahrt, die den Umfang der Kunst so erschöpft haben, wie Bach. Kurz, es würde für die Kunst nicht weniger nachtheilig seyn, wenn wir unsere Klassiker auf die Seite werfen wollten, als es für den guten Geschmack in der Gelehrsamkeit nachtheilig werden würde, wenn das Studium der Griechen und Römer aus unsern Schulen verbannt werden sollte. Der Geist der Zeit, der mehr aufs Kleine und auf den augenblicklichen Genuß gerichtet ist, als auf das Große, das erst mit einiger Mühe und sogar Anstrengung errungen werden muß, hat wirklich wenigstens den Vorschlag zur Verbannung der Griechen und Römer aus unsern Schulen hier und da schon veranlaßt; es ist nicht zu zweifeln, daß ihm auch unsere musikalischen Klassiker ungelegen sind; denn recht beym Lichte besehen, muß er sich wirklich in seiner großen Armuth vor ihnen herzlich schämen, und am allermeisten vor unserm fast überreichen Bach. Möchte ich nur im Stande seyn, die erhabene Kunst dieses Ersten aller deutschen und ausländischen Künstler recht nach Würden zu beschreiben! Nächst der Ehre, selbst ein so großer, über alles hervorragender Künstler zu seyn, wie er es war, gibt es vielleicht <TEI> <text> <front> <div type="preface" n="1"> <pb facs="#f0008" n="VIII"/> <p>Ausgemacht bleibt es, wenn die Kunst Kunst bleiben, und nicht immer mehr zu bloß zeitvertreibender Tändeley zurück sinken soll, so müssen überhaupt klassische Kunstwerke mehr benutzt werden, als sie seit einiger Zeit benutzt worden sind. <hi rendition="#g">Bach</hi>, als der erste Klassiker, der je gewesen ist, und vielleicht je seyn wird, kann hierin unstreitig die besten Dienste leisten. Wer seine Werke erst einige Zeit studirt hat, wird bloßen Klingklang von wahrer Musik unterscheiden, und jede Manier, die er in der Folge etwa wählen mag, als guter, unterrichteter Künstler bearbeiten. Auch vor Einseitigkeit, wohin nichts so leicht als der herrschende Zeitgeschmack führt, werden wir durch das Studium solcher Klassiker bewahrt, die den Umfang der Kunst so erschöpft haben, wie <hi rendition="#g">Bach</hi>. Kurz, es würde für die Kunst nicht weniger nachtheilig seyn, wenn wir unsere Klassiker auf die Seite werfen wollten, als es für den guten Geschmack in der Gelehrsamkeit nachtheilig werden würde, wenn das Studium der Griechen und Römer aus unsern Schulen verbannt werden sollte. Der Geist der Zeit, der mehr aufs Kleine und auf den augenblicklichen Genuß gerichtet ist, als auf das Große, das erst mit einiger Mühe und sogar Anstrengung errungen werden muß, hat wirklich wenigstens den Vorschlag zur Verbannung der Griechen und Römer aus unsern Schulen hier und da schon veranlaßt; es ist nicht zu zweifeln, daß ihm auch unsere musikalischen Klassiker ungelegen sind; denn recht beym Lichte besehen, muß er sich wirklich in seiner großen Armuth vor ihnen herzlich schämen, und am allermeisten vor unserm fast überreichen <hi rendition="#g">Bach</hi>.</p> <p>Möchte ich nur im Stande seyn, die erhabene Kunst dieses <hi rendition="#g">Ersten</hi> aller deutschen und ausländischen Künstler recht nach Würden zu beschreiben! Nächst der Ehre, selbst ein so großer, über alles hervorragender Künstler zu seyn, wie er es war, gibt es vielleicht </p> </div> </front> </text> </TEI> [VIII/0008]
Ausgemacht bleibt es, wenn die Kunst Kunst bleiben, und nicht immer mehr zu bloß zeitvertreibender Tändeley zurück sinken soll, so müssen überhaupt klassische Kunstwerke mehr benutzt werden, als sie seit einiger Zeit benutzt worden sind. Bach, als der erste Klassiker, der je gewesen ist, und vielleicht je seyn wird, kann hierin unstreitig die besten Dienste leisten. Wer seine Werke erst einige Zeit studirt hat, wird bloßen Klingklang von wahrer Musik unterscheiden, und jede Manier, die er in der Folge etwa wählen mag, als guter, unterrichteter Künstler bearbeiten. Auch vor Einseitigkeit, wohin nichts so leicht als der herrschende Zeitgeschmack führt, werden wir durch das Studium solcher Klassiker bewahrt, die den Umfang der Kunst so erschöpft haben, wie Bach. Kurz, es würde für die Kunst nicht weniger nachtheilig seyn, wenn wir unsere Klassiker auf die Seite werfen wollten, als es für den guten Geschmack in der Gelehrsamkeit nachtheilig werden würde, wenn das Studium der Griechen und Römer aus unsern Schulen verbannt werden sollte. Der Geist der Zeit, der mehr aufs Kleine und auf den augenblicklichen Genuß gerichtet ist, als auf das Große, das erst mit einiger Mühe und sogar Anstrengung errungen werden muß, hat wirklich wenigstens den Vorschlag zur Verbannung der Griechen und Römer aus unsern Schulen hier und da schon veranlaßt; es ist nicht zu zweifeln, daß ihm auch unsere musikalischen Klassiker ungelegen sind; denn recht beym Lichte besehen, muß er sich wirklich in seiner großen Armuth vor ihnen herzlich schämen, und am allermeisten vor unserm fast überreichen Bach.
Möchte ich nur im Stande seyn, die erhabene Kunst dieses Ersten aller deutschen und ausländischen Künstler recht nach Würden zu beschreiben! Nächst der Ehre, selbst ein so großer, über alles hervorragender Künstler zu seyn, wie er es war, gibt es vielleicht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2013-01-04T13:34:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-04T13:34:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-01-04T13:34:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |