Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.irgend etwas von Deutschland, etwas ganz allgemeines, das ihm, in jeder richtigen politischen Versammlung, den Ruf: "zur Sache" eingetragen haben würde. Dieser Ruf unterblieb aber, denn jeder war betroffen und gerührt von dem Anblick und fühlte, wie weit ab das alles auch liegen mochte, daß man ihm folgen müsse, wollend oder nicht. Das waren so zwei glänzende, mir durch alle Zeit hin in Erinnerung gebliebene Gestalten, während die Meisten freilich nur Schwätzer und Nullen waren, ein paar auch sogar Hochstapler. Ich kenne noch ganz gut ihre Namen, aber ich werde mich hüten sie hier zu nennen. Wie lange diese Sitzungen dauerten, weiß ich nicht mehr; ich weiß nur, daß alles was ich erlebte, mich tagtäglich beglückte: der schöne Saal, das herrliche Wetter - wie's ein Hohenzollernwetter giebt, so giebt es auch ein Revolutionswetter - der Verkehr, das Geplauder. Eine Befangenheit, zu der ich sonst wohl neige, kam nicht auf, weil niemand da war - selbst die Besten mit eingerechnet, denen dann eben wieder das Politische fehlte - der mir hätte imponieren können. Von meiner Unausreichendheit, meinem Nichtwissen tief durchdrungen, sah ich doch deutlich, daß, kaum zu glauben, das Nichtwissen der Andern wo möglich noch größer war als das irgend etwas von Deutschland, etwas ganz allgemeines, das ihm, in jeder richtigen politischen Versammlung, den Ruf: „zur Sache“ eingetragen haben würde. Dieser Ruf unterblieb aber, denn jeder war betroffen und gerührt von dem Anblick und fühlte, wie weit ab das alles auch liegen mochte, daß man ihm folgen müsse, wollend oder nicht. Das waren so zwei glänzende, mir durch alle Zeit hin in Erinnerung gebliebene Gestalten, während die Meisten freilich nur Schwätzer und Nullen waren, ein paar auch sogar Hochstapler. Ich kenne noch ganz gut ihre Namen, aber ich werde mich hüten sie hier zu nennen. Wie lange diese Sitzungen dauerten, weiß ich nicht mehr; ich weiß nur, daß alles was ich erlebte, mich tagtäglich beglückte: der schöne Saal, das herrliche Wetter – wie’s ein Hohenzollernwetter giebt, so giebt es auch ein Revolutionswetter – der Verkehr, das Geplauder. Eine Befangenheit, zu der ich sonst wohl neige, kam nicht auf, weil niemand da war – selbst die Besten mit eingerechnet, denen dann eben wieder das Politische fehlte – der mir hätte imponieren können. Von meiner Unausreichendheit, meinem Nichtwissen tief durchdrungen, sah ich doch deutlich, daß, kaum zu glauben, das Nichtwissen der Andern wo möglich noch größer war als das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0640" n="631"/> irgend etwas von Deutschland, etwas ganz allgemeines, das ihm, in jeder richtigen politischen Versammlung, den Ruf: „zur Sache“ eingetragen haben würde. Dieser Ruf unterblieb aber, denn jeder war betroffen und gerührt von dem Anblick und fühlte, wie weit ab das alles auch liegen mochte, daß man ihm folgen müsse, wollend oder nicht.</p><lb/> <p>Das waren so zwei glänzende, mir durch alle Zeit hin in Erinnerung gebliebene Gestalten, während die Meisten freilich nur Schwätzer und Nullen waren, ein paar auch sogar Hochstapler. Ich kenne noch ganz gut ihre Namen, aber ich werde mich hüten sie hier zu nennen.</p><lb/> <p>Wie lange diese Sitzungen dauerten, weiß ich nicht mehr; ich weiß nur, daß alles was ich erlebte, mich tagtäglich beglückte: der schöne Saal, das herrliche Wetter – wie’s ein Hohenzollernwetter giebt, so giebt es auch ein Revolutionswetter – der Verkehr, das Geplauder. Eine Befangenheit, zu der ich sonst wohl neige, kam nicht auf, weil niemand da war – selbst die Besten mit eingerechnet, denen dann eben wieder das Politische fehlte – der mir hätte imponieren können. Von meiner Unausreichendheit, meinem Nichtwissen tief durchdrungen, sah ich doch deutlich, daß, kaum zu glauben, das Nichtwissen der Andern wo möglich noch größer war als das<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [631/0640]
irgend etwas von Deutschland, etwas ganz allgemeines, das ihm, in jeder richtigen politischen Versammlung, den Ruf: „zur Sache“ eingetragen haben würde. Dieser Ruf unterblieb aber, denn jeder war betroffen und gerührt von dem Anblick und fühlte, wie weit ab das alles auch liegen mochte, daß man ihm folgen müsse, wollend oder nicht.
Das waren so zwei glänzende, mir durch alle Zeit hin in Erinnerung gebliebene Gestalten, während die Meisten freilich nur Schwätzer und Nullen waren, ein paar auch sogar Hochstapler. Ich kenne noch ganz gut ihre Namen, aber ich werde mich hüten sie hier zu nennen.
Wie lange diese Sitzungen dauerten, weiß ich nicht mehr; ich weiß nur, daß alles was ich erlebte, mich tagtäglich beglückte: der schöne Saal, das herrliche Wetter – wie’s ein Hohenzollernwetter giebt, so giebt es auch ein Revolutionswetter – der Verkehr, das Geplauder. Eine Befangenheit, zu der ich sonst wohl neige, kam nicht auf, weil niemand da war – selbst die Besten mit eingerechnet, denen dann eben wieder das Politische fehlte – der mir hätte imponieren können. Von meiner Unausreichendheit, meinem Nichtwissen tief durchdrungen, sah ich doch deutlich, daß, kaum zu glauben, das Nichtwissen der Andern wo möglich noch größer war als das
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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