Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898."Wer ist der Herr?" fragte ich einen neben mir Stehenden. "Das ist der Herr Schulvorsteher von hier drüben." "Wie heißt er denn?" "Ich glaube Schaefer; er kann aber auch Scheffer heißen. Ich werde mal Roesike fragen ... Sage mal Roesike ..." Und es war ersichtlich, daß er, mir zu Liebe, seinen Freund den Bäcker Roesike wegen "Schaefer oder Scheffer" interpellieren wollte. Kam aber nicht dazu. Denn in eben diesem Augenblicke hatte sich der Schulvorsteher neben den Tisch des den Wahlakt leitenden alten Herrn aufgestellt und sagte - ein paar Schlagwörter sind mir im Gedächtnis geblieben - ungefähr das folgende. "Ja, meine Herren, was uns hergeführt hat, ... wir sind hier in diesem weiten Raum versammelt und es ist wohl jeder von uns davon durchdrungen. Und jeder dankt auch wohl Gott, daß wir ein Fürstengeschlecht haben, wie das unsrige. Kein Land, das ein solches Geschlecht hat und wir stehn zu ihm in Liebe und in Treue ... Aber, meine Herrn, nicht Roß nicht Reisige ... Sie wissen, auch an dieser Stelle ist heldenmütig gekämpft worden, Bürgerblut ist geflossen und der Sieg ist auf unserer Seite geblieben. „Wer ist der Herr?“ fragte ich einen neben mir Stehenden. „Das ist der Herr Schulvorsteher von hier drüben.“ „Wie heißt er denn?“ „Ich glaube Schaefer; er kann aber auch Scheffer heißen. Ich werde mal Roesike fragen … Sage mal Roesike …“ Und es war ersichtlich, daß er, mir zu Liebe, seinen Freund den Bäcker Roesike wegen „Schaefer oder Scheffer“ interpellieren wollte. Kam aber nicht dazu. Denn in eben diesem Augenblicke hatte sich der Schulvorsteher neben den Tisch des den Wahlakt leitenden alten Herrn aufgestellt und sagte – ein paar Schlagwörter sind mir im Gedächtnis geblieben – ungefähr das folgende. „Ja, meine Herren, was uns hergeführt hat, … wir sind hier in diesem weiten Raum versammelt und es ist wohl jeder von uns davon durchdrungen. Und jeder dankt auch wohl Gott, daß wir ein Fürstengeschlecht haben, wie das unsrige. Kein Land, das ein solches Geschlecht hat und wir stehn zu ihm in Liebe und in Treue … Aber, meine Herrn, nicht Roß nicht Reisige … Sie wissen, auch an dieser Stelle ist heldenmütig gekämpft worden, Bürgerblut ist geflossen und der Sieg ist auf unserer Seite geblieben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0634" n="625"/> <p>„Wer ist der Herr?“ fragte ich einen neben mir Stehenden.</p><lb/> <p>„Das ist der Herr Schulvorsteher von hier drüben.“</p><lb/> <p>„Wie heißt er denn?“</p><lb/> <p>„Ich glaube Schaefer; er kann aber auch Scheffer heißen. Ich werde mal Roesike fragen … Sage mal Roesike …“</p><lb/> <p>Und es war ersichtlich, daß er, mir zu Liebe, seinen Freund den Bäcker Roesike wegen „Schaefer oder Scheffer“ interpellieren wollte. Kam aber nicht dazu. Denn in eben diesem Augenblicke hatte sich der Schulvorsteher neben den Tisch des den Wahlakt leitenden alten Herrn aufgestellt und sagte – ein paar Schlagwörter sind mir im Gedächtnis geblieben – ungefähr das folgende.</p><lb/> <p>„Ja, meine Herren, was uns hergeführt hat, … wir sind hier in diesem weiten Raum versammelt und es ist wohl jeder von uns davon durchdrungen. Und jeder dankt auch wohl Gott, daß wir ein Fürstengeschlecht haben, wie das unsrige. Kein Land, das ein solches Geschlecht hat und wir stehn zu ihm in Liebe und in Treue … Aber, meine Herrn, nicht Roß nicht Reisige … Sie wissen, auch an dieser Stelle ist heldenmütig gekämpft worden, Bürgerblut ist geflossen und der Sieg ist auf unserer Seite geblieben.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [625/0634]
„Wer ist der Herr?“ fragte ich einen neben mir Stehenden.
„Das ist der Herr Schulvorsteher von hier drüben.“
„Wie heißt er denn?“
„Ich glaube Schaefer; er kann aber auch Scheffer heißen. Ich werde mal Roesike fragen … Sage mal Roesike …“
Und es war ersichtlich, daß er, mir zu Liebe, seinen Freund den Bäcker Roesike wegen „Schaefer oder Scheffer“ interpellieren wollte. Kam aber nicht dazu. Denn in eben diesem Augenblicke hatte sich der Schulvorsteher neben den Tisch des den Wahlakt leitenden alten Herrn aufgestellt und sagte – ein paar Schlagwörter sind mir im Gedächtnis geblieben – ungefähr das folgende.
„Ja, meine Herren, was uns hergeführt hat, … wir sind hier in diesem weiten Raum versammelt und es ist wohl jeder von uns davon durchdrungen. Und jeder dankt auch wohl Gott, daß wir ein Fürstengeschlecht haben, wie das unsrige. Kein Land, das ein solches Geschlecht hat und wir stehn zu ihm in Liebe und in Treue … Aber, meine Herrn, nicht Roß nicht Reisige … Sie wissen, auch an dieser Stelle ist heldenmütig gekämpft worden, Bürgerblut ist geflossen und der Sieg ist auf unserer Seite geblieben.
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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