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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.

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als die Stunde da war, nicht ohne eine gewisse, wenn auch nur von Dankbarkeit und vielleicht mehr noch von Charakterkenntnis diktierten Liebe zu seiner Frau und so kam es denn, daß er sich die Frage stellte: "ja, wenn Du nun fort bist, was wird alsdann aus dieser Armen, die nie für sich denken und handeln konnte? Das Beste ist, sie stirbt mit." Und so saßen sie denn auf dem Sofa der immer öder gewordenen Wohnung und nahmen ein allereinfachstes Frühstück ein. Die Frau, ahnungslos, ließ es sich schmecken und noch den Bissen im Munde, traf sie die tödliche Kugel. Im nächsten Augenblick schoß er sich selbst durch die Schläfe.

Charakteristisch war auch der an den Hauswirt gerichtete Brief, der sich auf seinem Schreibtisch vorfand. Er entschuldigte sich darin, daß er nicht bloß die Miete nicht gezahlt, sondern durch sein Thun auch das Weitervermieten erschwert habe. Das war sein Letztes. "Ich mach' ein schwarzes Kreuz dabei."



Viel bedeutender als Maron und überhaupt der weitaus Bedeutendste des ganzen Kreises war Julius Faucher. Nur sehr wenige sind mir in meinem langen Leben begegnet, die reicher beanlagt gewesen

als die Stunde da war, nicht ohne eine gewisse, wenn auch nur von Dankbarkeit und vielleicht mehr noch von Charakterkenntnis diktierten Liebe zu seiner Frau und so kam es denn, daß er sich die Frage stellte: „ja, wenn Du nun fort bist, was wird alsdann aus dieser Armen, die nie für sich denken und handeln konnte? Das Beste ist, sie stirbt mit.“ Und so saßen sie denn auf dem Sofa der immer öder gewordenen Wohnung und nahmen ein allereinfachstes Frühstück ein. Die Frau, ahnungslos, ließ es sich schmecken und noch den Bissen im Munde, traf sie die tödliche Kugel. Im nächsten Augenblick schoß er sich selbst durch die Schläfe.

Charakteristisch war auch der an den Hauswirt gerichtete Brief, der sich auf seinem Schreibtisch vorfand. Er entschuldigte sich darin, daß er nicht bloß die Miete nicht gezahlt, sondern durch sein Thun auch das Weitervermieten erschwert habe. Das war sein Letztes. „Ich mach’ ein schwarzes Kreuz dabei.“



Viel bedeutender als Maron und überhaupt der weitaus Bedeutendste des ganzen Kreises war Julius Faucher. Nur sehr wenige sind mir in meinem langen Leben begegnet, die reicher beanlagt gewesen

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[49/0058] als die Stunde da war, nicht ohne eine gewisse, wenn auch nur von Dankbarkeit und vielleicht mehr noch von Charakterkenntnis diktierten Liebe zu seiner Frau und so kam es denn, daß er sich die Frage stellte: „ja, wenn Du nun fort bist, was wird alsdann aus dieser Armen, die nie für sich denken und handeln konnte? Das Beste ist, sie stirbt mit.“ Und so saßen sie denn auf dem Sofa der immer öder gewordenen Wohnung und nahmen ein allereinfachstes Frühstück ein. Die Frau, ahnungslos, ließ es sich schmecken und noch den Bissen im Munde, traf sie die tödliche Kugel. Im nächsten Augenblick schoß er sich selbst durch die Schläfe. Charakteristisch war auch der an den Hauswirt gerichtete Brief, der sich auf seinem Schreibtisch vorfand. Er entschuldigte sich darin, daß er nicht bloß die Miete nicht gezahlt, sondern durch sein Thun auch das Weitervermieten erschwert habe. Das war sein Letztes. „Ich mach’ ein schwarzes Kreuz dabei.“ Viel bedeutender als Maron und überhaupt der weitaus Bedeutendste des ganzen Kreises war Julius Faucher. Nur sehr wenige sind mir in meinem langen Leben begegnet, die reicher beanlagt gewesen

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T10:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T10:02:20Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/58>, abgerufen am 18.05.2024.