eine sogenannte "gute Partie" nicht bloß gewünscht, sondern beinah gefordert worden. Und nun nichts davon! Ich kann aber zu meiner Freude berichten, daß, nach Ueberwindung eines ersten Schrecks, beide Parteien eine gleich musterhafte Haltung beobachteten. Ich stellte mich den nächsten beiden Anverwandten meiner Braut - Kousinen und, wie sie selbst, Enkelinnen des alten Rouanet - vor, und begegnete dabei dem liebenswürdigsten Entgegenkommen. Eine der beiden Damen, "Commandeuse", war nach Mecklenburg (Ludwigslust) hin an einen wundervollen rotblonden Stabsoffizier verheiratet, allwo ich pour combler le bonheur, neben allem übrigen Erbaulichen auch noch von einem vieljährigen Freunde des Hauses, einem alten Major von Quitzow begrüßt wurde. Dieser alte von Quitzow stammte recte von der berühmten alten Sippe her, die von dem "Nürnberger Tand" nichts hatte wissen wollen und saß mir nun da mit einer Schlichtheit und guten Laune gegenüber, als ob er den ersten besten Alltagsnamen geführt oder ich die Montmorencys wenigstens gestreift hätte. Keine Spur von de haut en bas, alles Wohlwollen und Interesse. Dies Vorherrschen des Humanen in der ganzen Oberschicht unserer Gesellschaft ist oder war wenigstens - denn es ist seitdem leider anders geworden - die schönste Seite
eine sogenannte „gute Partie“ nicht bloß gewünscht, sondern beinah gefordert worden. Und nun nichts davon! Ich kann aber zu meiner Freude berichten, daß, nach Ueberwindung eines ersten Schrecks, beide Parteien eine gleich musterhafte Haltung beobachteten. Ich stellte mich den nächsten beiden Anverwandten meiner Braut – Kousinen und, wie sie selbst, Enkelinnen des alten Rouanet – vor, und begegnete dabei dem liebenswürdigsten Entgegenkommen. Eine der beiden Damen, „Commandeuse“, war nach Mecklenburg (Ludwigslust) hin an einen wundervollen rotblonden Stabsoffizier verheiratet, allwo ich pour combler le bonheur, neben allem übrigen Erbaulichen auch noch von einem vieljährigen Freunde des Hauses, einem alten Major von Quitzow begrüßt wurde. Dieser alte von Quitzow stammte recte von der berühmten alten Sippe her, die von dem „Nürnberger Tand“ nichts hatte wissen wollen und saß mir nun da mit einer Schlichtheit und guten Laune gegenüber, als ob er den ersten besten Alltagsnamen geführt oder ich die Montmorencys wenigstens gestreift hätte. Keine Spur von de haut en bas, alles Wohlwollen und Interesse. Dies Vorherrschen des Humanen in der ganzen Oberschicht unserer Gesellschaft ist oder war wenigstens – denn es ist seitdem leider anders geworden – die schönste Seite
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eine sogenannte „gute Partie“ nicht bloß gewünscht, sondern beinah gefordert worden. Und nun nichts davon! Ich kann aber zu meiner Freude berichten, daß, nach Ueberwindung eines ersten Schrecks, beide Parteien eine gleich musterhafte Haltung beobachteten. Ich stellte mich den nächsten beiden Anverwandten meiner Braut – Kousinen und, wie sie selbst, Enkelinnen des alten Rouanet – vor, und begegnete dabei dem liebenswürdigsten Entgegenkommen. Eine der beiden Damen, „Commandeuse“, war nach Mecklenburg (Ludwigslust) hin an einen wundervollen rotblonden Stabsoffizier verheiratet, allwo ich <hirendition="#aq">pour combler le bonheur</hi>, neben allem übrigen Erbaulichen auch noch von einem vieljährigen Freunde des Hauses, einem alten Major <hirendition="#g">von Quitzow</hi> begrüßt wurde. Dieser alte von Quitzow stammte <hirendition="#aq">recte</hi> von der berühmten alten Sippe her, die von dem „Nürnberger Tand“ nichts hatte wissen wollen und saß mir nun da mit einer Schlichtheit und guten Laune gegenüber, als ob <hirendition="#g">er</hi> den ersten besten Alltagsnamen geführt oder <hirendition="#g">ich</hi> die Montmorencys wenigstens gestreift hätte. Keine Spur von <hirendition="#aq">de haut en bas</hi>, alles Wohlwollen und Interesse. Dies Vorherrschen des Humanen in der ganzen Oberschicht unserer Gesellschaft ist oder <hirendition="#g">war</hi> wenigstens – denn es ist seitdem leider anders geworden – die schönste Seite<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
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eine sogenannte „gute Partie“ nicht bloß gewünscht, sondern beinah gefordert worden. Und nun nichts davon! Ich kann aber zu meiner Freude berichten, daß, nach Ueberwindung eines ersten Schrecks, beide Parteien eine gleich musterhafte Haltung beobachteten. Ich stellte mich den nächsten beiden Anverwandten meiner Braut – Kousinen und, wie sie selbst, Enkelinnen des alten Rouanet – vor, und begegnete dabei dem liebenswürdigsten Entgegenkommen. Eine der beiden Damen, „Commandeuse“, war nach Mecklenburg (Ludwigslust) hin an einen wundervollen rotblonden Stabsoffizier verheiratet, allwo ich pour combler le bonheur, neben allem übrigen Erbaulichen auch noch von einem vieljährigen Freunde des Hauses, einem alten Major von Quitzow begrüßt wurde. Dieser alte von Quitzow stammte recte von der berühmten alten Sippe her, die von dem „Nürnberger Tand“ nichts hatte wissen wollen und saß mir nun da mit einer Schlichtheit und guten Laune gegenüber, als ob er den ersten besten Alltagsnamen geführt oder ich die Montmorencys wenigstens gestreift hätte. Keine Spur von de haut en bas, alles Wohlwollen und Interesse. Dies Vorherrschen des Humanen in der ganzen Oberschicht unserer Gesellschaft ist oder war wenigstens – denn es ist seitdem leider anders geworden – die schönste Seite
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 552. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/561>, abgerufen am 26.06.2024.
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